Geldinstitute Neustart der Deutschen Bank lässt auf sich warten

Seite 3/3

Harte Schritte der Deutsche-Bank-Führung

Dabei hatte Sewings Vorgänger Rainer Neske einen großen Umbau immer für überflüssig erklärt und stattdessen auf allmähliche Anpassungen gesetzt. Dass bis zuletzt keine einzige Filiale Verluste machte, bestärkt viele Beschäftigte in der Meinung, dass sie Opfer einer Misere sind, die die wesentlich besser bezahlten Investmentbanker ausgelöst haben.

Doch die Führung hat die harten Schritte für unvermeidlich erklärt. „Ein Großkonzern wie die Deutsche Bank lässt sich nur schwer allmählich bewegen. Wir brauchten eine deutliche Kurskorrektur, mit der wir sozusagen einen neuen Nordstern definiert haben“, sagt Alexander Ilgen, der das Wendemanöver im Privatkunden-Geschäft als Finanzchef der Sparte maßgeblich steuert. „Wir müssen sicherstellen, dass das Geschäft stark bleibt und auch in den kommenden Jahren positiv zum Ergebnis beiträgt.“ Das muss geschehen, obwohl mehr Regulierung und mehr Nachfrage nach digitalen Angeboten die Kosten treiben und niedrige Zinsen auf die Erträge drücken.

Mittlerweile ist das „Horizon“ betitelte Umbauprojekt weitgehend abgearbeitet, bis auf elf Filialen sind alle geschlossen, die auf der Liste standen, die Stellen sind abgebaut. „Wir haben bisher alle Ziele wie vorgesehen erreicht“, sagt Ilgen, dem es wichtig ist, dass es bei der ganzen Operation nicht nur um Einsparungen, sondern auch um Wachstum geht. „Obwohl es weniger Filialen gibt, haben wir die Zahl der Kontaktpunkte mit dem Kunden erhöht und werden die Intensität der Beratung steigern“, sagt er. Möglich machen soll das vor allem der Ausbau der digitalen Angebote, in den die Bank 750 Millionen Euro investiert.

Sparkasse in Zeiten von Minizins und Digitalisierung

Lukrative Dienste soll aus dem vielen Geld vor allem Markus Pertlwieser bauen, der als Chief Digital Officer so etwas wie das Zukunftsgesicht der Bank geworden ist. Sein Wirken ist jedoch intern umstritten. Seine Gegner werfen ihm vor, dass er alle Projekte an sich ziehe und zu wenig mit den Managern aus dem Kundengeschäft zusammenarbeite. Die Digital-Offensive stocke deshalb beträchtlich.

In Pertlwiesers Büro lassen sich Geistesblitze nicht nur auf der großen Wandtafel, sondern auch auf dem Arbeitstisch mit Filzstiften festhalten. Der Manager referiert fast ohne Atempause über künstliche Intelligenz, neuronale Netze, die Blockchain-Technologie, große Internetkonzerne als Konkurrenten von morgen und innovative Fintechs als Partner. Der digitale Wandel sei keine Bedrohung, sagt er, sondern eine Chance. Könne er die Deutsche Bank doch zur „digitalen Hausbank“ der Kunden machen.

Zur Erklärung seines Anspruchs verweist er auf einige Projekte, mit denen die Bank sich über ihre bisherigen Grenzen hinaus bewegt hat. So können Kunden Einlagen über den Deutsche-Bank-Zugang bei anderen Instituten anlegen und einen digitalen Überblick über Konten und Kreditkarten bei allen Anbietern bekommen. In den vergangenen zwei Jahren habe die Bank viel auf den Weg gebracht. Dass einige Projekte wie ein digitaler Berater (Robo-Advisor) im ersten Anlauf nicht geklappt haben, sei nicht zuletzt der veränderten Arbeitsweise geschuldet. „Wir probieren Dinge aus“, sagt Pertlwieser. Am Ende würden alle profitieren, wenn digitale Angebote mit der Filiale zusammenwachsen. „Die Berater sollen mit Freude und Zuversicht auf die Kunden zugehen“, sagt Pertlwieser.

So weit die Theorie. In der Praxis hakt es an vielen Stellen noch gewaltig. So meinen Insider zwar, dass die Bank durchaus sinnvolle Initiativen gestartet habe, von diesen aber wenig in den Filialen angekommen sei. Pertlwieser verweist auf „umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen“. Dass er sich nun aber mit Sewing um die Integration der Postbank kümmern soll, gilt intern vielen weniger als Auszeichnung, denn als schrittweise Abberufung vom wichtigen Zukunftsjob.

Zu lange, so ein Vorwurf, habe sein Digitalteam, losgelöst vom Tagesgeschäft, vor sich hin gewerkelt. Tatsächlich sind Grabenkämpfe an der Tagesordnung, selbst der unterhalb von Sewing für die deutschen Privatkunden zuständige und an sich optimistische Asoka Wöhrmann soll deshalb frustriert sein. „Statt an einem Strang zu ziehen, arbeiten viele immer noch gegeneinander“, sagt ein Insider.

In Sossenheim zumindest soll alles besser werden. Hier hat die Deutsche Bank im vergangenen Jahr eine Digital Factory eröffnet, auf vier Stockwerken arbeiten 400 Beschäftigte an allen digitalen Zukunftsthemen, an Apps, am Internetauftritt, an mobilen Bezahlsystemen. Die meisten hier tragen T-Shirt und Jeans, an den Wänden hängen Schaubilder und bunte Notizzettel, an einer klebt ein Bild des Raumschiffes Enterprise, verbunden mit dem ausgedruckten Vorsatz „Wir liefern in Warp-Geschwindigkeit“.

Dabei würde es schon reichen, wenn es überhaupt mal wieder vorwärtsgeht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%