Genossenschaftler Werner Böhnke "Die Krise ist nicht vorbei"

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"Wir haben Rettungsschirme, die scheinbar Schutz bieten"

Sie haben über viele Jahre genossenschaftliche Banken geleitet. Wie sehr ärgert es Sie, dass die Branche im Zuge der Finanzkrise in Verruf geraten ist?
Es ärgert mich sehr, denn es gibt ja nicht „die Banker“, genauso wenig „die Politiker“ oder „die Journalisten“. Die Genossenschaftsbanken sind 2007 und 2008 nicht auffällig geworden, weil sie ihrem Geschäftsmodell treu geblieben sind. Wir fördern die regionale Wirtschaft. Das ist für jedermann begreifbar und erzeugt Sicherheit. In einer Welt, die zunehmend von Unsicherheit gekennzeichnet ist, schafft das Vertrauen.

Und dennoch ist der Image-Verlust der Finanzbranche enorm.
Ich kann nicht leugnen, dass manche Geschäftsmodelle und völlig überzogene Eigenkapitalrenditen viel Vertrauen zerstört haben. Manche Banken standen und stehen bisweilen vor der Frage: Geben wir das Geld, das wir verdienen, an die Aktionäre oder an unsere Kunden weiter? Das kann uns nicht passieren, denn unsere Kunden sind sehr oft auch unsere Eigentümer. Eigentümer ohne übertriebene Renditeerwartungen. Das schützt uns.

Die Deutsche Bank steht heute für raffgiere Manager, die Maß und Mitte verloren haben. Stimmt es aber nicht auch, dass die Gesellschaft eine solche Bank wollte? Eine Bank, die aberwitzig hohe Renditen ermöglicht?
Womöglich war das für eine Weile der Zeitgeist, zumindest in Teilen der Gesellschaft. Gelegentlich habe ich gesagt: Die Verdopplung der Bilanzsumme bedeutet eine Vervierfachung der Komplexität. Das ist nicht immer einfach zu managen. Es ist also entscheidend, welchen Menschen wir in den Unternehmen Macht und Verantwortung übertragen. Manche Banken haben wohl die falschen Leute an die Spitze gesetzt mit fragwürdigen Zielvorgaben. Die Vertrauenskrise wird noch lange nachwirken, fürchte ich.

Manche bezweifeln, dass die Branche die richtigen Schlüsse aus der Krise gezogen hat.
Ich bezweifle, dass alle begriffen haben, was damals passiert ist, auch wenn ich nicht für die ganze Branche sprechen kann. Aber wir sollten nicht nur auf die Banken schauen. Das größte Problem – die ausufernde Verschuldung vieler Staaten in Europa – ist weiterhin ungelöst, mancherorts sogar noch schlimmer geworden. Vor ein paar Jahren war das noch ein riesiges Problem. Jetzt haben wir Rettungsschirme, die scheinbar Schutz bieten. Insofern: Nein, die Krise ist nicht vorbei.

Die Volks- und Raiffeisenbanken haben im Zuge der Finanzkrise Kunden gewinnen können. In Verbrauchertests schneiden sie aber selten gut ab, andere Banken bieten oft bessere Konditionen. Was müssen Genossenschaftsbanken tun, um attraktiv zu bleiben?
Es wird immer einen Anbieter geben, der günstiger ist als ein anderer. Ich glaube aber, es ist viel wichtiger, bei solchen Tests das Gesamtpaket zu beurteilen. Viele Menschen wollen Konto, Geldanlage und Finanzierung aus einer Hand haben. Und dieser Bank wollen sie vertrauen können.

Die günstigsten Girokonten bei Regionalbanken

Im Moment erleben wir, dass vielen Geldhäusern das Geschäftsmodell wegbricht, was die wiederum auf die Kunden umlegen. War das kostenlose Girokonto ein Fehler?
Für manche Banken kann das weiterhin ein Geschäftsmodell sein. Aber eines ist klar: Ein Konto verursacht einer Bank immer Kosten. Wenn es gebührenfrei ist, wird es quersubventioniert. Darüber sollten wir ganz offen sprechen. Wenn wir den Menschen erklären, dass ein Konto eine Dienstleistung ist, die Kosten verursacht, können wir dafür auch ein angemessenes Entgelt erwarten.

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