Auch in der wirtschaftlich florierenden Region des Bodensees suchten zwei regulierungsgeplagte Häuser Zuflucht im Zusammenschluss: die Raiffeisenbanken Ravensburg und Vorallgäu fusionierten 2012.
Das Beispiel Ravensburg zeigt zugleich, wie die neuen Liquiditätsregeln aus der EU-Verordnung zur Bankenregulierung zum Problem für die Volks- und Raiffeisenbanken werden. Die Regeln müssen von 2015 bis 2018 schrittweise in Deutschland umgesetzt werden.
„Das Geld des Dorfes dem Dorfe“, dieses historische Motto seiner Bank zitiert Arnold Miller gerne. „Wir geben das Geld vom Sparbuch der Oma als Baukredit an den Enkel weiter“, fasst der Vorstand der Raiffeisenbank Ravensburg das Geschäftsmodell zusammen. Zusätzlich vergibt die Bank Firmenkredite an Kunden wie den Schleifmaschinenbauer Knecht aus dem benachbarten Bergatreute, die die unkomplizierte Zusammenarbeit schätzen. „Bei einem Großinstitut muss ich als lokaler Kunde lange auf ein Feedback aus der Zentrale warten, das ist mir zu bürokratisch“, sagt Unternehmenschef Manfred Knecht.
Doch die Methode der lokalen Genossenschaftsbanken gerät unter Druck, weil Kredite und Baufinanzierungen laut EU-Vorgaben bald stärker mit langfristig angelegten Geldern refinanziert werden müssen. Das schnell kündbare Sparkonto der Oma lässt sich dann nicht mehr so leicht für den Baukredit des Enkels heranziehen. „Das könnte zu einem deutlichen Problem für unser Geschäftsmodell werden, weil wir uns hauptsächlich mit kurzfristigen Kundeneinlagen finanzieren“, sagt der Ravensburger Raiffeisenbanker Miller.
Zusätzlich in die Klemme geraten die kundennahen Genossen durch die niedrigen Zinsen. Betroffen sind davon alle Banken, aber die Volks- und Raiffeisenbanken trifft es besonders hart. Nur rund 80 Prozent der Kundeneinlagen in Höhe von insgesamt 542 Milliarden Euro können sie als Kredite vergeben. Für den Einlagenüberhang von fast 100 Milliarden Euro gibt es kaum noch lukrative Anlagechancen. Zugleich laufen immer mehr bisher hoch verzinste Anlagen aus und können nur durch schlechter rentierende ersetzt werden. Die betroffenen Banken reagieren, indem sie höhere Risikoprämien von ihren Kreditkunden verlangen. „Die Zinsen für private Baufinanzierungen werden daher mittelfristig steigen“, prophezeit der Eppertshäuser Volksbankchef Spinnler.
Wie die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank durchschlägt, zeigt sich etwa bei der Raiffeisenbank Ravensburg. Sie kann nur 80 Prozent der Einlagen in Höhe von 370 Millionen Euro als Kredite an Unternehmen und Verbraucher vergeben. Nach Schätzung von Vorstandsmitglied Miller wird der Zinsertrag der Genossenschaftsbanken in den kommenden zwei bis drei Jahren um etwa 30 Prozent schrumpfen.
Nach der Fusion mit den Kollegen aus dem Vorallgäu hatte Millers Raiffeisenbank das Personal in den Filialen zunächst sogar aufgestockt. „Aber wegen der sinkenden Zinserträge müssen die Volks- und Raiffeisenbanken künftig sparen, was bei manchen Banken Druck auf die Filialstruktur ausüben könnte“, sagt Miller. Im Klartext heißt das: Es wird deutschlandweit wohl weniger Filialen geben, und diese werden mit weniger Mitarbeitern besetzt sein. Volksbanken müssen Standardaufgaben stärker als bisher an zentralen Stellen bündeln, kleine Ortsbanken sich mit größeren Nachbarn zusammentun.
Die Volksbank Eppertshausen hat Fusionsbestrebungen bisher tapfer widerstanden – schon vor 32 Jahren hätte sie aus Spargründen mit einem anderen Institut zusammengelegt werden sollen. Doch Regulierung und Kostendruck lasten weiter auf dem Mini-Institut, dessen Mitarbeiterzahl in den vergangenen acht Jahren um 20 Prozent schrumpfte. „Die Volksbank Eppertshausen wird es nicht ewig geben“, fürchtet Berater Murmann. „Aber 10 bis 15 Jahre sollten wir auf jeden Fall noch schaffen.“