Volksnahe Berater wie Lutz Murmann sind das Rückgrat der Genossenschaftsbanken. Sie gehen keinem Stammtisch aus dem Weg und sind aktives Mitglied in fast jedem lokalen Verein. In Eppertshausen hat der Aufsichtsrat festgelegt, dass Vorstände im Ort wohnen müssen – eine Regel, die bei vielen Volks- und Raiffeisenbanken gilt.
Ob samstags beim Grillen im Garten oder sonntags auf der Tribüne des Fußballvereins – auch in der Freizeit haben Volksbanker immer mindestens einen Kunden neben sich stehen oder sitzen. Oder einen, der es noch werden könnte. Das hält auf Dauer nur durch, wer diesen Job lebt.
Um ihre Kundschaft bei Laune zu halten, scheuen die Volksbanker keine Mühen. So kann Murmann zu den Mitgliederveranstaltungen nebst Würstchen und Bier routiniert Karnevalshumor beisteuern: Er schlüpft auch privat ins Narrenkostüm und tritt während der hessischen Fastnacht in verrauchten Gemeindesälen oder nach Turnschuhen müffelnden Sporthallen auf.
Dieses bodenständige Idyll gerät nun ins Visier von Big Brüssel: „Die neue Bankenregulierung schlägt sich bis auf die kleinste Ortsbank nieder“, klagt Murmanns Chef Klaus Spinnler, Vorstand der Volksbank Eppertshausen. Die Auflagen seien zwar grundsätzlich richtig, doch kleine Banken könnten ihre Verwaltung nicht ausbauen.
So erfordern etwa die strengeren Vorschriften für die Prüfung von Kreditanfragen, Meldung von Finanzdaten oder Protokollierung von Wertpapiergeschäften Bürokratie, die sich kleine Volksbanken nicht leisten können. Wenn Spinnler Mitarbeiter dafür einplant, fehlen diese für die Beratung oder müssten teuer neu rekrutiert werden. Einige Genossenschaftsbanken bieten daher keine beratungsintensiven Wertpapiergeschäfte mehr an.
Aus Sicht von BVR-Präsident Fröhlich werden vor allem kleine Ortsbanken an die Wand gedrückt. Deren Chef sei oft zugleich der einzige Spezialist für Regulierungsfragen. Den Extra-Aufwand könne er neben seinen operativen Aufgaben nicht leisten.
Fröhlich schätzt, dass der steigende Regulierungsaufwand zusätzliche Kapazitäten in der Größenordnung von 1200 Mitarbeitern bindet. Das mag im Vergleich zur Gesamtzahl von 190.000 Mitarbeitern verkraftbar erscheinen. In der kleinteiligen Struktur von Banken mit teilweise nur einer Handvoll Mitarbeiter lässt sich der Personalaufwand aber kaum organisieren. Auslagern an externe Anbieter ist keine Lösung, weil die Haftung für Fehler bei den Volksbanken hängen bliebe. Zudem wäre Mehrwertsteuer auf die eingekauften Leistungen fällig, die Banken sich nicht von ihren Kunden wieder holen können.
Das Bild geplagter Geldgenossen gleicht sich – ob im Norden oder Süden. „Jede noch so kleine Volks- und Raiffeisenbank muss mittlerweile fast dieselbe Regulierungsbürokratie betreiben wie die Deutsche Bank“, bekräftigt Michael Brandt, Vorstandsmitglied der Volksbank Lübeck. Dafür sind neben den Kapital- und Liquiditätsvorschriften der EU auch deutsche Regeln verantwortlich. So fragt die Finanzaufsicht BaFin neben den Risiken aus dem täglichen Bankgeschäft sogar Maßnahmen ab, wie die Bank auf Naturkatastrophen oder Terroranschläge reagieren würde.
Weil sie wegen des hohen Aufwands ihre Kunden nicht mehr adäquat hätte bedienen können, schloss sich die Raiffeisenbank aus dem Lübecker Stadtteil Travemünde mit ihren 22 Mitarbeitern 2012 der größeren Volksbank an. Die zählt jetzt insgesamt 180 Mitarbeiter und 15.000 Mitglieder. Zu den Firmenkunden gehören Spediteure und Händler, die sich rund um den Lübecker Hafen angesiedelt haben. Auch die Miniwerft Grell in Lübeck-Schlutup ist Kunde. Das 16-Mann-Unternehmen baut und restauriert Yachten. Chef Jan Grell findet Auftragsfinanzierungen mit der Volksbank angenehmer als mit Großbanken. „Die Entscheider der Volksbank sitzen vor Ort, deshalb läuft eine Kreditvergabe persönlicher ab“, sagt Grell.