Georg Funke "Die HRE wurde von außen zerstört"

Bilanzfälschung und Marktmanipulation – diese Vorwürfe will der Ex-Chef der Skandalbank Hypo Real Estate nicht auf sich sitzen lassen. Vor Gerichtäußert sich Georg Funke erstmals seit vielen Jahren wiederöffentlich.

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Hypo Real Estate:

Im Strafprozess wegen Bilanzfälschung geht der angeklagte frühere Chef der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) zum Gegenangriff über. Georg Funke holte in seiner Verteidigungsrede vor dem Landgericht München am Dienstag zum Rundumschlag aus - gegen die Staatsanwaltschaft sowie gegen die Deutsche Bank, den früheren Finanzminister Peer Steinbrück und die Finanzaufsicht Bafin. "Die HRE ist von außen zerstört worden", sagte der 61-Jährige. "Fakt ist, dass die HRE-Gruppe, wenn sie nicht von außen beschädigt worden wäre, die Liquiditätskrise überstanden hätte." Nach jahrelangem Rückzug aus der Öffentlichkeit redete sich Funke erkennbar den Frust von der Seele. Der ebenfalls Angeklagte Ex-Finanzchef Markus Fell hat die Anklagevorwürfe bereits zum Prozessauftakt am Montag zurückgewiesen.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hat die in der Finanzkrise kollabierte Immobilienbank die Öffentlichkeit monatelang über ihre Geldnöte getäuscht. "Im Geschäftsbericht 2007 und im Zwischenbericht zum 30.06.2008 erfolgte eine unvertretbar und evident falsche Darstellung der Liquiditätslage der HRE", heißt es in der Anklage, die die Staatsanwaltschaft am Montag verlesen hatte. Die Rettung des einstigen Dax-Konzerns mit staatlichen Milliardenhilfen im Herbst 2008 war das dramatischste Kapitel der internationalen Finanzkrise in Deutschland. Steinbrück hatte seinerzeit von einer "geordneten Abwicklung" gesprochen, um Ansteckungseffekte zu vermeiden.

Funke argumentierte, mit diesen Worten habe Steinbrück die HRE erst zu Fall gebracht. "Diese Botschaft versteht jeder als: Diese Bank wird geschlossen", sagte Funke. "Die uerung über die Abwicklung selbst war schlimm genug", ergänzte der frühere Banker. "Die dadurch ausgelöste massive Herabstufung der Kreditratings war das Ende der HRE." Denn die Ratingagenturen hätten nach Steinbrücks Ankündigung keine andere Wahl gehabt, als die Bonitätsnoten der Bank zu senken. Erst damit habe die HRE an den Finanzmärkten kein Geld mehr bekommen

Funke: Anklageschrift in vielen Punkten unrichtig

Bis zum ersten der beiden so genannten Rettungswochenenden im Herbst 2008 habe sich die HRE nicht in einer Notlage befunden, sagte Funke. Die Behauptung der Anklage, die Bank sei in den Monaten vor ihrem Zusammenbruch in Not gewesen, sei falsch. Deswegen könne auch nicht die Rede davon sein, das Management habe die Lage der Bank geschönt. "Allein durch Studium der Ermittlungsakten ergibt sich, dass die Anklageschrift in vielen Punkten unrichtig ist", sagte der Banker. Die Staatsanwaltschaft habe sich aus den Geschäftsberichten einseitig diejenigen Aussagen herausgepickt, die zu ihren Vorwürfen passten.

Deutsche Banken im Strudel der Finanzkrise

Auch an der Deutschen Bank ließ Funke kein gutes Haar. Die HRE hatte deren damaligen Chef Ackermann um einen Kredit gebeten - nach Funkes Darstellung als vorsorgliche Reserve und nicht aus einer Notlage heraus. Ackermann habe daraufhin in der Öffentlichkeit und gegenüber Steinbrück falsche Angaben über den Geldbedarf der HRE gemacht. "Ein aus meiner Sicht ungeheuerlicher Vorgang", sagte Funke. "In einem Mandatsverhältnis denunziert die Deutsche Bank die HRE und zerstört jegliches Vertrauen in das Management beziehungsweise die Kreditwürdigkeit der HRE-Gruppe." Die Deutsche Bank wollte sich zu den Anschuldigungen nicht äußern.

Funke zog eine Parallele zur Pleite der Kirch-Mediengruppe im Jahr 2002. Der Medienunternehmer Leo Kirch hatte Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer für den Zusammenbruch seines Konzerns verantwortlich gemacht, da dieser sich kritisch über dessen Kreditwürdigkeit geäußert hatte. Funke sagte, Ackermanns Vorgehen habe auf die HRE "eine vergleichbar verheerende Wirkung" gehabt. Der jahrelange Streit zwischen Kirch und Deutscher Bank endete ohne rechtskräftiges Urteil, da die Bank einer milliardenschweren Vergleichszahlung zustimmte. Kirchs Vorwürfe hatte sie zurückgewiesen.

Hintergründe zur HRE-Pleite

Funke war nach der Rettung aus der HRE gedrängt worden und war zeitweise der meistgeschmähte deutsche Banker. Der Immobilienkaufmann, der sich nach dem Schulabschluss der Mittleren Reife zu einem der mächtigsten deutschen Banker hocharbeitete, floh nach der HRE-Pleite vor dem Zorn der Öffentlichkeit ins Ausland. Zeitweise arbeitete er als Immobilienmakler auf Mallorca, heute ist er nach eigenen Angaben arbeitslos. "Populismus hat in unserem Fall nachhaltig seine Wirkung getan und tut es bis heute", sagte Funke am Dienstag. Seine gut 200-seitige Erklärung verlas er in mehr als drei Stunden mit lauter Stimme und energischer Betonung. Am Ende der Verhandlung wirkte er gelöst und lachte im Gespräch mit Richtern und Anwälten, bevor er den Saal verließ. Der Prozess soll am 3. April fortgesetzt werden.

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