Gesprengte Geldautomaten Die Ohnmacht der deutschen Banken

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Banken: 100 Millionen Euro Kosten für mehr Sicherheit bei den Sparkassen

Wenn die Täter erfolgreich sprengen – wieviel Geld erbeuten sie dann?

Es kommt darauf an, wie hoch die Stückelung der Banknoten in den Geldautomaten ist. Gibt es Geldkassetten mit 200-Euro-Scheinen, ist die Beute dementsprechend höher. Ein Sicherheitsexperte der Sparkassen schätzt die Menge in den Automaten auf einen Beitrag zwischen 50.000 und 100.000 Euro ein. Die Polizei will die erbeuteten Summen nicht bekannt geben, um Nachahmer nicht auf den Plan zu rufen. Nach einer Sprengung im November in Thüringen berichtete der MDR, dass die Täter „mehr als 200.000 Euro erbeutet haben“.

Welche Zahlungsmittel Europäer bevorzugen
Das Geschäft mit dem Versenden von Geld über Smartphone-Apps lockt jetzt auch etablierte Banken an. Die Deutsche Kreditbank (DKB) kooperiert dafür mit dem Startup Cringle. Pro Monat kann ein Nutzer bis zu 100 Euro über die Cringle-App verschicken, abgewickelt wird die Zahlung per Lastschrift von der DKB. Pro Transaktion werden 20 Cent fällig, zum Start wurde die Gebühr auf 10 Cent gekappt. Das neue Angebot trifft bereits auf Wettbewerb im Markt. So bietet der Online-Bezahldienst PayPal seit Juli das Versenden von Geld über seine Smartphone-App in Deutschland an. Für Kunden, die ihren PayPal-Account mit einem deutschen Bankkonto verknüpft haben, ist das Angebot kostenlos, bei Kreditkarten wird eine Gebühr fällig. In vielen europäischen Ländern tun sich moderne Bezahlsysteme jedoch noch so schwer... Quelle: dpa
ÖsterreichOhne Bargeld geht in Österreich gar nichts. 86 Prozent bezahlen an der Kasse in bar, 12 Prozent mit EC-Karte. Eine Kreditkarte kommt nur in einem Prozent der Fälle zum Einsatz. Auf sonstige Alternativen wie Schecks, PayPal, Lastschrifteinzug oder Ähnliches entfällt insgesamt nochmal ein Prozent.Quelle: Deutsche Bundesbank; Europäische Kommission; Deloitte (Stand: 2014) Quelle: dpa
PolenIn Polen werden 80 Prozent der Bezahlvorgänge an der Kasse bar beglichen. Eine EC-Karte nutzen –ähnlich wie in Österreich – 13 Prozent der Bevölkerung. Immerhin werden auch drei Prozent der Bezahlvorgänge durch Kreditkarten abgewickelt. Auf die alternativen Zahlungsmittel entfallen vier Prozent. Quelle: dpa
DeutschlandAuch die Deutschen haben ihr Geld beim bezahlen lieber in fester Form in der Hand – in 79 Prozent der Fälle wird bar bezahlt. Zwölf Prozent der Käufe werden mit der EC-Karte beglichen, weitere sechs Prozent per mit Lastschrifteinzug, Scheck und anderen alternativen Zahlungsmethoden. Quelle: dpa
ItalienZwar ist Bargeld mit 69 Prozent noch immer das beliebteste Zahlungsmittel in Italien, aber auf Platz zwei kommen auch schon alternative Zahlungsmittel mit 17 Prozent. So sind Schecks, Kundenkarten, PayPal und andere Alternativen zusammen genommen bei den Italienern beliebter als die EC-Karte mit neun Prozent und die Kreditkarte mit sechs Prozent. Quelle: dpa
Sagrada Familia Quelle: AP
London Tower Bridge Quelle: dpa

Welche deutschen Banken haben bereits Sicherheitsmaßnahmen gegen Sprengungen getroffen?

Ein einheitliches Sicherheitskonzept gibt es nicht, jedes Institut muss selbst entscheiden, ob und wie es seine Geldautomaten schützt. Die Sparkasse Saarbrücken gilt bei den deutschen Sparkassen als Vorreiter in Sachen Nachrüstung. Im Jahr 2014 waren bei fünf Sprengungen Vermögens- und Sachschäden in Höhe von über einer Million Euro entstanden. Der Sparkassenverband Saar teilt mit, dass die Institute bisher einen hohen sechsstelligen Betrag in zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen investiert haben und weiter investieren werden. So haben die Institute in vielen Filialen einen Sprengschutz für Automaten eingebaut oder nachgerüstet. Darüber hinaus tragen bauliche Veränderungen dazu bei, die Sprengwirkung so weit wie möglich einzudämmen. Automaten wurden mit Einfärbekassetten versehen, die erbeutetes Bargeld kennzeichnen und entwerten. Ergänzend dazu testen die saarländischen Sparkassen derzeit eine intelligente Videoüberwachung, die Bewegungsmuster erkennt und dann direkt Alarm auslöst. Außerdem bleiben einzelne gefährdete Filialen und Foyers mit Geldautomaten nachts geschlossen. "Mit diesen Präventivmaßnahmen erhöhen die Sparkassen das Sicherheitsniveau maßgeblich, nicht nur im Hinblick auf erneute Sprengversuche, sondern auch im Bezug auf andere Formen von Geldautomatenangriffen", sagt Christian Molitor, Geschäftsführer des Sparkassenverbandes Saar.

Wie reagieren Deutsche Bank und Commerzbank?

Deutschlands große Geldhäuser sind schweigsam, wenn es um ihren Schutz geht. "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu Schadensfällen und Sicherheitsvorkehrungen grundsätzlich nicht äußern“, teilte etwa die Deutsche Bank auf Anfrage mit. Dagegen geht die Postbank, eine Tochter der Deutschen Bank, offen mit ihrem Sicherheitskonzept um: „In jedem unserer rund 2300 Automaten in Deutschland sind Tintenpatronen eingebaut", sagte ein Sprecher. Die Bank hätte schon vor Jahren umgerüstet, um Täter abzuschrecken. Trotzdem wurden dieses Jahr zehn Postbank-Geldautomaten in NRW gesprengt, die meisten davon in OBI Baumärkten.

Warum haben nicht mehr Geldautomaten in Deutschland Tintenpatronen eingebaut?

In Schweden, Belgien und Frankreich ist der Einsatz der Tinten-Technologie bereits per Gesetz verpflichtend. In den Niederlanden wird eine ähnliche Regelung diskutiert, in Deutschland bisher jedoch nicht. Ein Grund dafür könnte sein, dass der Einbau für die Banken sehr teuer ist. „Neben einmaligen Nachrüstkosten pro Geldautomat rechnen wir beim Einsatz von Farbpatronen mit jährlichen Mehrkosten von 100 Millionen Euro für die deutschen Sparkassen“, sagt Petra Hoffknecht, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Sparkassenverband Westfalen-Lippe. Denn die Farbpatronen müssten auch regelmäßig nachgefüllt, instandgehalten und gewartet werden.

Doch gerade die Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken verdienen in den vergangenen Jahren aufgrund der Niedrigzinspolitik der EZB nur wenig Geld. „Dadurch entsteht ein hoher Kostendruck in den Filialen“, berichtet ein Mitarbeiter des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Könnten Tintenpatronen den Raub wirklich verhindern?

Nein, sagt Stefan Marotzke, Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. "Einen statistisch begründeten Nachweis zur Präventionswirkung solcher Systeme in Deutschland gibt es nicht. Vielmehr ist zu vermuten, dass sich die Täter allein durch diese Technik nicht abhalten lassen würden, weil es offenbar auch einen ,Markt’ für derartig gekennzeichnete Banknoten gibt." Angesprochen auf diesen angeblichen Markt für markierte Banknoten sagt Dietmar Kneib, Chefermittler beim LKA NRW: "Dass es einen solchen Markt in Osteuropa gibt, ist nicht auszuschließen. Aber der Umtausch bedeutet für die Täter ein höheres Risiko und die Beute ist nach der Markierung weniger wert."


Die Deutsche Bahn hatte auch mal Probleme mit Diebstahl in ihren Fahrscheinautomaten. Dann haben sie Farbpatronen eingebaut. Was hat das gebracht?

2014 hatte die Deutsche Bahn einen Schaden von rund 6,7 Millionen Euro durch aufgebrochene Fahrscheinautomaten. 390 Automaten wurden aufgebrochen, ein Teil davon durch Sprengungen. Seitdem das Unternehmen die Fahrscheinautomaten mit Farbpatronen sichert, die bei einem Aufbruch das Geld markieren, ist die Zahl der Taten aber deutlich zurückgegangen. Das sagte der Sicherheitschef der Bahn, Gerd Neubeck, im Februar dieses Jahres. Die Bahn hat dieses Jahr bis zu 1000 Automaten umgerüstet. Mittelfristig soll etwa die Hälfte der 7000 Automaten mit Farbpatronen ausgestattet werden.

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