Gesprengte Geldautomaten Die Ohnmacht der deutschen Banken

Gangster haben in diesem Jahr mehr als 135 Geldautomaten in Deutschland gesprengt. Warum sind deutsche Banken so unsicher? Eine Spurensuche bei Sparkassen, Sicherheitsunternehmen, Versicherungen – und der Deutschen Bahn.

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Quelle: dpa Picture-Alliance

Dienstag, 29. Dezember, 3.30 Uhr: Drei maskierte Männer wollen einen Geldautomaten der Sparkasse Aachen mit Gas in die Luft sprengen und den Tresor knacken. Der Versuch scheitert, doch die Täter können flüchten, bevor mehrere Streifenwagen der Polizei eintreffen. Damit erhöht sich die Zahl der Banküberfälle nach diesem Muster auf 66 – allein in NRW, allein in diesem Jahr. Bundesweit wurden mehr als 135 Geldautomaten gesprengt. Die Zahl steigt fast täglich, es explodieren so viele Geldautomaten wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.

Die Polizei hat das Vorgehen der Bankräuber genau studiert. "Die Täter sind nie länger als fünf Minuten am Tatort", heißt es aus dem Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen. In dieser Zeit bohren die Gangster den Geldautomaten auf, leiten ein Gasgemisch ein, lassen es mit einer Lunte explodieren und nehmen aus den Trümmern Geldkassetten mit. "Bei diesem Verbrechen ist es ähnlich wie bei Wohnungseinbrüchen", erklärt Dietmar Kneib, der die Sonderkommission "Heat" beim LKA leitet. "Die Taten sind mehreren Banden zuzuordnen, sie sehen Geldautomaten als lohnendes Ziel. Die Gruppierungen stammen aus den Niederlanden und aus NRW."

Kneib, ein Mann mit Glatze und Nadelstreifenanzug, fahndet mit einem guten Dutzend Kollegen nach den Verbrechern und konnte vor einer Woche einen Erfolg vorweisen: Am Tag vor Heiligabend wurden in Kleve am Niederrhein drei mutmaßliche Panzerknacker aus Deutschland festgenommen. Sie sollen versucht haben, dieses Jahr insgesamt 13 Automaten in NRW zu sprengen – ohne dabei auch nur ein einziges Mal Beute zu machen. "In letzter Zeit gab es mehr Nachahmer als Profis", sagt Kneib.

Deutsche Bank und Commerzbank sind auch betroffen

Und die scheint die Fahndung nicht zu stören: Nur einen Tag nach der Festnahme explodierte ein Geldautomat im westfälischen Herford. Anscheinend glauben Kriminelle, bei deutschen Banken besonders leichtes Spiel zu haben. Und das, obwohl ihr Verbrechen mit mindestens einem Jahr Gefängnis bestraft wird, unabhängig von den Vorstrafen.

Gesprengte Geldautomaten in NRW 2015



Daten: Eigene Recherche, LKA NRW



Recherchen von WirtschaftsWoche Online zeigen, dass in NRW sowohl Geldautomaten von kleineren Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, als auch von großen Konzernen wie der Deutschen Bank und Commerzbank betroffen sind (siehe Karte).

Von 62 Sprengungen, die wir genau zuordnen konnten, fielen 29 auf Sparkassen, 15 auf Volks- und Raiffeisenbanken, eine auf die Deutsche Bank und zehn auf die Postbank, eine Tochter der Deutschen Bank. Außerdem wurden sieben Commerzbank-Automaten gesprengt. Im Laufe des Jahres nahmen die Taten immer mehr zu: Waren es im Mai „nur“ zwei pro Monat, flogen im Dezember bereits 16 Automaten in die Luft – Rekord für dieses Jahr. Einen Geldautomat in Kleve besuchten die Täter sogar gleich zweimal: Im Juni misslang den Tätern die Sprengung, doch Mitte September kamen die Maskierten zurück und erbeuteten Bargeld nach einer Gasexplosion. In NRW konnten die Täter bei mindestens 26 der 66 Sprengungen Geld erbeuten.

Unabhängig von der geraubten Summe entsteht der größte finanzielle Verlust immer durch Schäden am Gebäude. Eine Umfrage von WirtschaftsWoche Online bei den Landeskriminalämtern in Deutschland hat ergeben, dass der Gesamtschaden in diesem Jahr nah bei zehn Millionen Euro liegt. Der Großteil davon sind Gebäudeschäden.

Wer diese Reihe an Verbrechen verfolgt, fragt sich vor allem eins: Warum sind die deutschen Banken so machtlos gegen die Ganoven? Wir versuchen, ein paar grundsätzliche Fragen zu beantworten.

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