Grameen Bank Das Ende der „Bank für die Armen“

Die Mutter aller Mikrofinanzierungsbanken steht im Visier der bengalischen Regierung. Unabhängigkeit und Verpflichtungen der „Bank für die Armen“ sind in Gefahr. Eine grundlose Verstaatlichung droht. Einflussreiche Politiker und Unternehmer wie Richard Branson melden sich wieder zu Wort.

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Muhammad Yunus, Gründer der Grameen Bank Quelle: REUTERS

Er hat Zigtausenden in Bangladesch einen Ausweg aus lebenslanger Armut und Hunger eröffnet: Muhammad Yunus half armen Familien, insbesondere Frauen, sich mit kleinsten Krediten eine bescheidene Existenz aufzubauen. Dafür hatte der Gründer der Grameen Bank 2006 den Friedensnobelpreis erhalten. Das Modell kämpft auch in Bangladeschs Nachbarländern, Teilen Afrikas und Südamerikas gegen Armut. Jetzt aber ist sein Lebenswerk bedroht – von der Regierung des Landes, dem er so viel geholfen hat.

Die bengalische Premierministerin Sheikl Hasina Wajed rief 2011 ein Gremium zur Kontrolle der Grameen Bank ins Leben. Dieses plant die Bank zu verstaatlichen und in 19 kleine Kreditgeber zu spalten, so die New York Times am 6. August 2013. Nachdem 2011 Gründer und Friedens-Nobelpreisträger Muhammad Yunus als Vorstandsvorsitzender entfernt wurde, will die Regierung die vollständige Kontrolle über die Bank und ihre Aktivitäten. Die einst unabhängige Bank steht so vor dem Aus.

Die Bestürzung über die Geschehnisse ist seit der Bekanntgabe des Vorhabens weltweit sehr groß. Die Nachrichtenagentur Bloomberg erhielt Mitte August einen Brief mit vierzig Unterschriften, der den internationalen Druck auf Bangladeshs Regierungschefin Wajed als Initiatorin des Gremiums erhöhte. Vierzig einflussreiche Unternehmer und Amtsträger unterschrieben diesen Brief. Kenny Kennedy, Präsident des Robert F. Kennedy Center for Justice and Human Rights, sagt, dass diese Arbeit nur dank der Leitung der jetzigen Vorstandsmitglieder und der Unabhängigkeit der Bank möglich sei. Durch die geplante Neubesetzung des Vorstandes wäre diese Unabhängigkeit nicht mehr gegeben. Dies ist nicht der erste Brief an Wajed. Bereits 2011 gingen Briefe mit ähnlichen Anliegen bei ihr ein, wurden aber weitestgehend ignoriert.

Im Januar 2011 waren erstmals Vorwürfe gegen Yunus laut geworden. Die Bank habe unter seiner Leitung Hilfsgelder der norwegischen Regierung veruntreut, so die bengalische Regierungschefin. Doch Untersuchungen der bengalischen Staatsanwaltschaft und der Norweger konnten „keinerlei Unregelmäßigkeiten“ feststellen. Trotz allem musste Yunus seinen Posten verlassen. Offiziell, weil er die Pensionsgrenze von sechzig Jahren bereits um zehn Jahre überschritten hatte. Tatsächlich stand er womöglich der geplanten Verstaatlichung zu sehr im Wege. Die Spannungen zwischen Yunus und Wajed entstanden, als Yunus 2007, zum Unmut von Wajed, eine kurze politische Karriere startete, die aber bald wieder endete.

Hilfe zur Selbsthilfe

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Der Grameen Bank für Mikrofinanzierung geht es zunächst um die Befreiung ihrer Kreditnehmer aus der Armut als um das Geschäft. Dennoch verlangt sie Zinsen und wirtschaftet profitabel. Die Zinsen sind sehr niedrig im Verglich zu den Kleinstkrediten der Regierung. Die Mikrokredite geben auch den Ärmsten die Chance, sich aus der Armut zu befreien, indem sie ein Unternehmen gründen oder das Geld für andere Arten der legalen Einkommenserzeugung nutzen. Die beliebtesten Branchen zur Unternehmensgründung sind die Bambusverarbeitung in Flechtkörbe, Strickerei, Weben, Kuh- und Ziegenzucht. Das Konzept heißt Hilfe zur Selbsthilfe und nicht Wohltätigkeit. Die Besonderheit: herkömmliche Banken verlangen Sicherheiten, ohne sie gilt niemand als kreditwürdig. Die Grameen Bank verzichtet darauf. Das Vertrauen in den Kreditnehmer genügt ihr als Sicherheit.

So gelangen auch Menschen ohne jeglichen Besitz an einen Kredit. Die Rückzahlungsrate lag im Juli 2013 bei über 97 Prozent und die neu vergebenen Kredite beliefen sich auf eine Gesamtsumme von 156 Millionen US-Dollar. Acht Millionen Kreditnehmer und ihre Familien sind momentan abhängig von der Grameen Bank. Seit Gründung der Bank wurden Kredite im Volumen von insgesamt 14 Milliarden US-Dollar vergeben.

32 US-Kongressabgeordnete sendeten einen ähnlichen Brief an die bengalische Regierung und baten Wajed ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Trotz eines jährlichen wirtschaftlichen Wachstums von fünf bis sechs Prozent zwischen 2007 und 2013 hat Bangladesch nicht die Mittel um die Ziele in der Armutsbekämpfung zu verwirklichen. Die Einkommensungleichheit wächst und die Abhängigkeit vom Textilsektor weist auf eine instabile Volkswirtschaft hin. Damit wird es in Zukunft schwierig, wenn nicht unmöglich, ein nachhaltiges Wachstum zu sichern. Umso wichtiger ist die Unabhängigkeit von Organisationen wie der Grameen Bank um die Volkswirtschaft von unten zu stärken oder zumindest zu stabilisieren.

Es ist kein Geheimnis, dass Bangladesch unter extrem korrupten Behörden leidet. Das beweist auch die Rangliste des World Economic Forum für Korruption und die Qualität öffentlicher Einrichtungen; Bangladesch steht ganz unten. Aus diesem Grund zweifeln Branson und Co. an dem Vorhaben der bengalischen Premierministerin. Mit großer Sicherheit ist es nicht die Absicht der Regierung, die Entwicklungshilfe zu unterstützen, sondern viel mehr diese zu dämpfen und die Bank ertragreicher zu betreiben. Wohlhabendere und entwickelte Bürger sind gleichzeitig mündigere Bürger – ein Risiko für korrupte Politiker.

Muhammad Yunus selbst äußerte sich nicht zum jüngst erschienenen Brief. Tahsina Kahtun, Leiter der Grameen Bank, freut sich über die internationale Unterstützung und hofft, dass die Regierung zuhört. Sie selbst hätten schon alles versucht, damit die Bank weiterhin so agieren kann, wie in den letzten 37 Jahren. Leider vergeblich.

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