Investmentbanken Kehraus im Banker-Paradies

Seite 4/6

"Die große Welle"

Eine Frau geht vor dem Logo der RBS Quelle: REUTERS

Bei vielen Instituten gehen die Rauswürfe in die zweite Runde. Die Royal Bank of Scotland baut nach 2000 weggefallenen Stellen nochmals 3500 ab, die UBS 2000, die Deutsche Bank setzt 500 Investmentbanker vor die Tür. „Da rollt eine große Welle auf uns zu“, sagt Geoff Fawcett vom Personaldienstleister Hays in London. „Viele Investmentbanker beten.“

Bis Ende dieses Jahres könnten allein an der Wall Street rund 10 000 Jobs wegfallen, schätzt John Liu, Kämmerer von New York. Für London schätzt das Centre for Economics and Business Research, dass 2011 in der Finanzbranche 27 000 Stellen gestrichen wurden.

„Von Juli 2011 an werden innerhalb eines Jahres 20 Prozent aller Arbeitsplätze im europäischen Investmentbanking verloren gegangen sein“, erwartet der Frankfurter Personalberater Andreas Halin. „Die Banken wollten bisher nicht wahrhaben, dass ein struktureller Rückbau erforderlich ist. Der wird nun brutal.“

Den unfreiwilligen Abschied hat der frühere Banker, der gerade locker in Tweedjacke und Leinenturnschuhen in das kleine Restaurant am Rande der Londoner City gekommen ist, schon ein paar Wochen hinter sich. „Die Stimmung in den Handelsräumen ist noch schlechter als nach dem Lehman-Kollaps, es gibt kaum Licht am Ende des Tunnels“, sagt er.

Er selbst ist weich gefallen, mit 35 Jahren ist er, wie er mit Stolz sagt, „Rentner und mehrfacher Millionär“. Erstmals seit Jahren fühlt er sich frei von dem immensen Druck, der auf den Bankern lastet und der auch UBS-Händler Adoboli, der den Banker einmal zur Geburtstagsparty eingeladen hatte, zu seinen Fehlspekulationen getrieben haben könnte.

Mit seinem Geld und seiner Erfahrung will er künftig Internet-Gründer finanzieren, eifrig knüpft er Kontakte in die Web-Welt.

Image der Branche hat gelitten

Ein solch entspanntes Verhältnis zur eigenen Zukunft haben nicht alle. Früher konnten gefeuerte Investmentbanker damit rechnen, rasch wieder unterzukommen. „Nun aber ist der Abbau flächendeckend“, sagt Berater Halin. Wer in der Branche bleiben wolle, müsse sich auf eine gewisse Sucharbeitslosigkeit einstellen und für den neuen, womöglich schlechter bezahlten Job eventuell sogar umziehen.

Frühere Handels-Junkies müssten weniger aufregende Bereiche in Betracht ziehen wie Immobilienfinanzierung oder Betreuung wohlhabender Privatkunden.

Durchschnittliche Eigenkapitalrendite der großen Investmentbanken:

Profit unter Druck

Aber auch Banker, die der Abbau nicht trifft, fragen sich angesichts der Lage, ob sich der aufreibende Einsatz noch lohnt. Halin erwartet, dass die „extreme Forderungskultur, das immer alles höher und schneller sein muss, in den Banken an ihre Grenzen gestoßen ist“.

Als Dirk Notheis, Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, kürzlich an der Privatuni WHU in Vallendar bei Koblenz vor Studenten einen Vortrag über die Perspektiven seiner Branche hielt, war der Saal voll. „Aber das besondere Leuchten in den Augen war nur vereinzelt zu sehen“, erzählt Notheis. Zu sehr hat das Image der Branche unter den Zocker- und Abkassiererdebatten gelitten.

Erst in der vergangenen Woche verzichtete Stephen Hester, Chef der angeschlagenen Royal Bank of Scotland, nach politischem und öffentlichem Druck auf seinen Bonus. Seinem Vorgänger Sir Fred Goodwin wurde sogar der Adelstitel aberkannt. Notheis selbst ist wegen der umstrittenen Übernahme des Energieversorgers EnBW durch Baden-Württemberg in die Kritik geraten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%