Investmentbanken Kehraus im Banker-Paradies

Einbrechende Gewinne statt üppige Boni, Massenentlassungen statt Champagner-Partys, verschärfte Regulierung statt totaler Freiheit zum Zocken – die goldenen Zeiten für Boni-Banker sind vorbei.

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Wenn am Samstag dieser Woche in Großbritannien die Skiferien beginnen, werden sich für eine Bevölkerungsgruppe ein paar Kleinigkeiten ändern: Um ihren Bonus besorgte Investmentbanker fliegen mit ihrer Familie nicht mehr Businessclass nach Frankreich oder in die Schweiz. Und sie buchen auch kein Fünf-Sterne-Hotel.

In der neuen Normalität angekommen ist auch Stefan Winter. Er war schon Investmentbanker, als es die Berufsbezeichnung noch gar nicht gab. Mehr als 30 Jahre ist er im Geschäft, als Vorstand verantwortet er für die Schweizer UBS das deutsche Investmentbanking.

Stefan Winter Quelle: Angelika Zinzow für WirtschaftsWoche

Der 56-Jährige hat die absurden Höhenflüge der Branche ebenso mitgemacht wie die Abstürze. Einen solchen durchlebt er auch derzeit: „Wir gehen durch eine längerfristige Delle mit sehr massiven Einschnitten“, sagt Winter. Soll heißen: Die UBS, deren Händler Kweku Adoboli 2011 rund zwei Milliarden Dollar verzockte, muss sparen – wie ein normales Unternehmen.

Jetzt müssen Banken an sich selbst exerzieren, was sie sonst nur ihrer Kundschaft vorgeschrieben haben: fokussieren, sparen, reorganisieren – willkommen in der Wirklichkeit.

Für die Branche ist der Höhenflug vorbei, den die Investmentbanker nach dem Absturz infolge der Finanzkrise wieder genossen hatten. Die einst gut geölten Geldmaschinen im Investmentbanking werden statt irrwitzigen 25 auf absehbare Zeit nur noch „zwischen 10 und 15 Prozent“ Eigenkapitalrendite bringen, sagt Winter.

Die Dürre trifft die UBS nicht allein. Fast fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise, ausgelöst durch den Wertverfall der von Investmentbankern zusammengestückelten Wertpapiere, basierend auf US-Hypotheken schwacher Schuldner, ist die Branche im Umbruch.

Rendite Ziel gekappt

Sah es zunächst so aus, als könne die Zockerei weitergehen, sich etwa Ferrari-Händler im Londoner Stadtteil Kensington wieder über gute Geschäfte freuten und die Immobilienpreise erneut kräftig anzogen, läuft nun der Kehraus – sowohl im Geschäft als auch im für Normalbürger unvorstellbaren Lebensstil der einstigen „Masters of the Universe“.

Fast täglich melden Banken rund um den Globus im einst hoch profitablen Investmentbanking Gewinneinbrüche, den Abbau Tausender Stellen und immer noch hohe, für ihre gewohnt gierigen Geldjongleure aber enttäuschend niedrige Bonuszahlungen.

So brach bei der Deutschen Bank 2011 der Vorsteuergewinn im Investmentbanking um rund 40 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro ein. Im vierten Quartal schrieb die Sparte sogar Verluste. Prompt fiel der Aktienkurs um zwei Prozent.

„Investmentbanken dürften selbst bei einem besseren Marktumfeld auf absehbare Zeit das hohe Ertragsniveau früherer Spitzenzeiten nicht mehr erreichen“, sagte der scheidende Vorstandschef Josef Ackermann vergangenen Donnerstag mit ernster Miene bei seiner letzten Bilanzvorstellung.

Er verabschiedete sich daher auch von seinem umstrittenen Ziel einer Eigenkapitalrendite vor Steuern von 25 Prozent: Mittelfristig seien eher 20 Prozent realistisch, kurzfristig gehe es sogar eher um 15 bis 18 Prozent. 2011 schaffte die Bank nur rund zehn Prozent.

Gute Zeiten für Boni-Banker sind vorbei

Männer bei Goldman Sachs Quelle: REUTERS

Viele Geldhäuser stellen sich nun die Frage, ob sich das Geschäft mit Anleihen, Aktien und Derivaten für sie überhaupt noch lohnt. Denn hinter den aktuellen Verwerfungen steckt mehr als ein zeitweiliger Ausschlag nach unten. Auch wenn schon wieder erste Börsengänge und Fusionen geplant werden, sorgt vor allem die lange als zu lax gescholtene schärfere Regulierung dafür, dass die besten Zeiten für Boni-Banker vorbei sind.

„Nach der Krise 2008 hat die Finanzbranche versucht, gegen Veränderungen der Geschäftsmodelle Widerstand zu leisten und darauf gehofft, dass es so weitergeht wie früher“, sagt die Frankfurter Personalberaterin Angela Hornberg, die selbst zehn Jahre als Bankerin gearbeitet hat. „Nun ist klar, dass es kein Zurück zu den alten Zeiten gibt. Die erforderlichen Anpassungen holen die Banken jetzt nach.“

Nach einem starken Beginn war 2011 ein schwaches Jahr für alle Investmentbanken. Vor allem die Euro-Krise hat die Kunden verunsichert. So fiel das Volumen von Börsengängen oder Kapitalerhöhungen in Europa auf 134 Milliarden Euro, den niedrigsten Wert seit 2002. Firmenübernahmen stagnierten bei einem Gesamtwert von 652 Milliarden Euro (Grafik unten). Selbst der Anleihemarkt brach Ende 2011 fast völlig ein.

Die Erträge im Investmentbanking schrumpften Ende 2011 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent, so eine Studie der US-Investmentbank JP Morgan.

Als Folge konnten die Häuser nur klägliche Zahlen vorlegen. Goldman Sachs erwirtschaftete im vierten Quartal 2011 nur noch eine Eigenkapitalrendite von 3,7 Prozent. Bei JP Morgan sackte der Gewinn im vierten Quartal um 23 Prozent auf 3,7 Milliarden Dollar.

Empörung über Sparwelle

Besserung ist nicht in Sicht. Denn als Konsequenz der neuen Vorschriften brauchen die Banken für ihre Aktivitäten im Handel etwa doppelt so viel Eigenkapital wie zuvor. Damit stehen ihnen Einschnitte ins Haus, die viele Industrieunternehmen schon lange hinter sich haben: „Um ausreichend profitabel zu sein, müssen sie 20 bis 25 Prozent der Kosten sparen“, sagt Robert Grübner von der Beratung Boston Consulting.

Banker halten sich für überbezahlt
Leute zünden Kerzen in der St. Paul's Cathedral an. Quelle: Reuters
Ein Mann steckt einen Umschlag mit Geld ein.
Himbeerbonbons auf einem Rost.
Börsenhändler stoßen miteinander an. Quelle: dpa
Dagobert Duck betrachtet eine Münze durch eine Lupe. Quelle: DPA
Menschen laufen die Stufen in der Londoner Börse hoch und runter Quelle: REUTERS
Ein Mann hält ein Blatt in der Hand. Quelle: dapd

Dafür setzen sie auch bei den umstrittenen Gehältern im Investmentbanking an. Mit Schlagzeilen wie „Eine weitere Bank ist dem Unglaublich-schrumpfender-Bonus-Club beigetreten“, empört sich der Londoner Banker-Newsletter „Here is the City“ über die Sparwelle.

Personalberater schätzen die Rückgänge weltweit auf bis zu 40 Prozent. In einer Umfrage der Vergütungsberatung Towers Watson unter deutschen Banken rechneten 70 Prozent mit sinkenden Boni.

Einige Banker müssen sich sogar auf eine Nullrunde einstellen. In London mit seinen immens hohen Lebenshaltungskosten sorgt das in der verwöhnten Bankerszene für ungewohnte Abstiegsängste. Mittelfristig auf dem Spiel steht der elitäre Lebensstil inklusive Golfclub und teurer Privatschulen.

Bei Pfandhäusern im Finanzdistrikt sollen Banker zum Ausgleich fehlender Boni in der Haushaltskasse sogar Diamanten auf den Tresen gelegt haben.

Selbst Branchenprimus Goldman Sachs, der seine Angestellten mit der Aussicht auf anstrengungsvollen, aber üppigsten Wohlstand zu Höchstleistungen motiviert, hat vergleichsweise tief ins Fleisch geschnitten. Die Boni der rund 400 Partner hat die Bank um die Hälfte gekürzt. Im Durchschnitt verdiente ein Beschäftigter im vergangenen Jahr 367 000 Dollar, 2010 waren es noch 430 700 Dollar.

Teilung zwischen Stars und Fußvolk

Der frühere Netwest-Banker David Birmingham Quelle: REUTERS

Angesichts dieser drohenden Verarmung, wie Bankenkritiker spotten, huschen Goldman-Angestellte mit langen Gesichtern aus den gelben New Yorker Taxis und verschwinden schnellen Schrittes im gläsernen Büroturm der Investmentbank. „Das Jahr fängt ja gut an, wenn es sogar bei uns abwärtsgeht“, sagt einer verbittert.

Die Sparwelle trifft nicht alle. Experten rechnen mit einer noch stärkeren Zweiteilung zwischen Stars und Fußvolk. Schon immer gilt in den Instituten die ungeschriebene Regel, dass 20 Prozent der Banker 80 Prozent der Gewinne erzielen. Bluten muss derzeit vor allem die breite Masse.

„Es lässt sich nicht mehr rechtfertigen, dass etwa der Leiter der Informatik in einer Investmentbank das Vielfache von dem verdient, was er in gleicher Position bei einem Industrieunternehmen bekäme“, sagt ein Insider. Die Gehälter dürften sich in den kommenden Jahren annähern.

Bombig verdienen dagegen immer noch Rohstoffhändler: „Ein leitender Trader für Kupfer kommt immer noch auf zwei bis drei Millionen Pfund im Jahr“, erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter der Citibank in London. Auch Spitzenberater im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) sind weiter gesucht, weil ihre Kontakte zu Top-Managern bei den Kunden schwer zu ersetzen sind.

„Bei den Spitzenkräften mühen sich viele Banken, die regulatorischen Umstellungen so zu gestalten, dass die Höhe der individuellen Vergütung möglichst konstant bleibt“, sagt Werner Klein von der Frankfurter Vergütungsberatung HKP. „Aber auch für sie wird es schwieriger, Boni zu erzielen, mit denen sie für den Rest ihres Lebens ausgesorgt haben.“

Zu hohe Vergütung für Angestellte

Denn nach den neuen Vorschriften werden Boni nun langfristiger ausgezahlt und zu geringeren Teilen in bar. Der Trend geht weg von der reinen Orientierung am kurzfristigen Gewinn, die Banker oft leichtfertig übergroße Risiken hat eingehen lassen.

Der ungenierten Selbstbereicherung haben die Eigentümer über Jahre klaglos zugeschaut. In den Boomjahren schütteten Investmentbanken teilweise mehr als die Hälfte ihrer Erträge an die Mitarbeiter aus, derzeit sind es immer noch um die 40 Prozent. Die Aktionäre werden mit kümmerlichen Dividenden bedacht und müssen mit extremen Kursausschlägen leben – in den vergangenen Jahren fast immer nach unten.

Das wollen nicht mehr alle hinnehmen. So schlägt Hans-Christoph Hirt von der Londoner Beratung Hermes Equity Ownership Services vor, dass künftig ein Richtwert von 30 Prozent gelten sollte. Institute, die mehr ausschütten, müssten das den Aktionären begründen. „Wir haben das Thema bei vielen der relevanten Banken angesprochen“, sagt Hirt.

Als einen ersten Erfolg verbucht er, dass ihm der scheidende Deutsche-Bank-Chefaufseher Clemens Börsig zugesichert hat, die Aktionäre bei der Hauptversammlung erstmals über die Vergütung des Vorstands abstimmen zu lassen.

Investmentbanker müssen sich nicht nur mit weniger Geld zufriedengeben, sondern sich auch um ihren Job sorgen. In seiner Abteilung seien einige Kollegen freiwillig gegangen, sagt ein Frankfurter Banker. Da die nicht ersetzt würden, werde sie wohl um weitere Einschnitte herumkommen. Aber sicher könne er sich nicht sein. Nicht in diesen Tagen, in denen fast jede Bank in ihren Handelssälen für freie Schreibtische sorgt.

"Die große Welle"

Eine Frau geht vor dem Logo der RBS Quelle: REUTERS

Bei vielen Instituten gehen die Rauswürfe in die zweite Runde. Die Royal Bank of Scotland baut nach 2000 weggefallenen Stellen nochmals 3500 ab, die UBS 2000, die Deutsche Bank setzt 500 Investmentbanker vor die Tür. „Da rollt eine große Welle auf uns zu“, sagt Geoff Fawcett vom Personaldienstleister Hays in London. „Viele Investmentbanker beten.“

Bis Ende dieses Jahres könnten allein an der Wall Street rund 10 000 Jobs wegfallen, schätzt John Liu, Kämmerer von New York. Für London schätzt das Centre for Economics and Business Research, dass 2011 in der Finanzbranche 27 000 Stellen gestrichen wurden.

„Von Juli 2011 an werden innerhalb eines Jahres 20 Prozent aller Arbeitsplätze im europäischen Investmentbanking verloren gegangen sein“, erwartet der Frankfurter Personalberater Andreas Halin. „Die Banken wollten bisher nicht wahrhaben, dass ein struktureller Rückbau erforderlich ist. Der wird nun brutal.“

Den unfreiwilligen Abschied hat der frühere Banker, der gerade locker in Tweedjacke und Leinenturnschuhen in das kleine Restaurant am Rande der Londoner City gekommen ist, schon ein paar Wochen hinter sich. „Die Stimmung in den Handelsräumen ist noch schlechter als nach dem Lehman-Kollaps, es gibt kaum Licht am Ende des Tunnels“, sagt er.

Er selbst ist weich gefallen, mit 35 Jahren ist er, wie er mit Stolz sagt, „Rentner und mehrfacher Millionär“. Erstmals seit Jahren fühlt er sich frei von dem immensen Druck, der auf den Bankern lastet und der auch UBS-Händler Adoboli, der den Banker einmal zur Geburtstagsparty eingeladen hatte, zu seinen Fehlspekulationen getrieben haben könnte.

Mit seinem Geld und seiner Erfahrung will er künftig Internet-Gründer finanzieren, eifrig knüpft er Kontakte in die Web-Welt.

Image der Branche hat gelitten

Ein solch entspanntes Verhältnis zur eigenen Zukunft haben nicht alle. Früher konnten gefeuerte Investmentbanker damit rechnen, rasch wieder unterzukommen. „Nun aber ist der Abbau flächendeckend“, sagt Berater Halin. Wer in der Branche bleiben wolle, müsse sich auf eine gewisse Sucharbeitslosigkeit einstellen und für den neuen, womöglich schlechter bezahlten Job eventuell sogar umziehen.

Frühere Handels-Junkies müssten weniger aufregende Bereiche in Betracht ziehen wie Immobilienfinanzierung oder Betreuung wohlhabender Privatkunden.

Durchschnittliche Eigenkapitalrendite der großen Investmentbanken:

Profit unter Druck

Aber auch Banker, die der Abbau nicht trifft, fragen sich angesichts der Lage, ob sich der aufreibende Einsatz noch lohnt. Halin erwartet, dass die „extreme Forderungskultur, das immer alles höher und schneller sein muss, in den Banken an ihre Grenzen gestoßen ist“.

Als Dirk Notheis, Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, kürzlich an der Privatuni WHU in Vallendar bei Koblenz vor Studenten einen Vortrag über die Perspektiven seiner Branche hielt, war der Saal voll. „Aber das besondere Leuchten in den Augen war nur vereinzelt zu sehen“, erzählt Notheis. Zu sehr hat das Image der Branche unter den Zocker- und Abkassiererdebatten gelitten.

Erst in der vergangenen Woche verzichtete Stephen Hester, Chef der angeschlagenen Royal Bank of Scotland, nach politischem und öffentlichem Druck auf seinen Bonus. Seinem Vorgänger Sir Fred Goodwin wurde sogar der Adelstitel aberkannt. Notheis selbst ist wegen der umstrittenen Übernahme des Energieversorgers EnBW durch Baden-Württemberg in die Kritik geraten.

Mittelfristige Aussichten sind nicht schlecht

Studenten in einem Hörsaal Quelle: dpa

Um die Studenten dennoch für seine Profession zu begeistern, erklärt Notheis dann, dass Investmentbanker durch kreative Finanzierungslösungen ganze Unternehmen retten können. Dass insbesondere US-Banken ihre Verschuldung abgebaut haben und deutlich konservativer und risikoärmer agieren als vor der Krise 2008. Und dass die mittelfristigen Perspektiven für die Branche gar nicht mal schlecht sind.

Denn die „elementare Funktion, weltweit Geldgeber und Kapitalsuchende zusammenzubringen“, werde durch die fortschreitende Globalisierung noch wichtiger. Und nur globale Investmentbanken hätten das Wissen, um auch die neuen Kapitalgeber in den Schwellenländern in den weltweiten Kapitalverkehr einzubinden. Ein wichtiger Teil der Geschäfte verlagert sich in die Wachstumsregion Asien.

Wie es kurzfristig weitergeht, kann auch Notheis nicht sagen: „Wir fahren auf Sicht. Das konjunkturelle Umfeld ist immer noch alles andere als stabil.“

Hinzu kommt der dauerhafte Wegfall von Gewinngaranten wie dem Leverage, der ständigen Minimierung des Einsatzes eigenen Kapitals. „Die Banken haben vom ständig zunehmenden Leverage und dem Geschäft mit verbrieften Produkten profitiert“, sagt BCG-Berater Grübner. Mit beidem ist es vorbei.

Welche Banken die Gehälter kürzen
Eingang der Credit Suisse Quelle: Reuters
Schriftzug Citigroup Quelle: dpa
Barclays-Gebäude Quelle: dpa
Morgan StanleyBei Morgan Stanley müssen wieder die Investmentbanker dran glauben: Auch bei der US-Bank gibt es für leitende Angestellte 20 bis 30 Prozent weniger. Die neue Obergrenze für Boni in Bar liegt bei 125.000 Dollar. Dafür werden später ausgezahlte Vergütungen auf einen Anteil von durchschnittlich 75 Prozent erhöht. Quelle: Reuters
Goldman Sachs Group Inc.Goldman Sachs schert alle Mitarbeiter über einen Kamm: Die 33.300 Angestellten müssen auf 26 Prozent ihrer Bezüge verzichten. An den Festgehältern ändert sich allerdings nichts. Quelle: Reuters
Bank of America Corp.Auch die Bank of America geht mit der Sense durch ihre Gehaltslisten: In einigen Fällen friert die Bank Gehälter ein, Investmentbanker müssen 25 prozentige Kürzungen hinnehmen. Barboni werden auf 150.000 Dollar begrenzt. Immer noch ziemlich lukrativ. Quelle: dapd
Deutsche Bank AGBei seinem letzten großen Auftritt verkündete der scheidende Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann nicht nur eine miese Bilanz, sondern auch Einsparungen: Das Budget für Boni werde um ein Sechstel zusammengestrichen. In der Konsequenz senkt die Deutsche Bank die Gesamtvergütung und Leistungen im Corporate- und Investmentbanking um 15 Prozent. Quelle: Reuters

Die Geschäfte mit anderen Banken jedenfalls werden deutlich abnehmen. Und auch dass Unternehmen sich bei der Finanzierung zunehmend vom Kredit ab- und dem Kapitalmarkt zuwenden, ist nicht in jedem Fall ein großer Profitbringer. Gerade große Konzerne brauchen künftig nicht mehr unbedingt eine Bank, wenn sie etwa eine Anleihe platzieren wollen.

Vor allem die lange als zu zahm gescholtene Regulierung bringt die Profitabilität großer Teile des Geschäfts dauerhaft unter Druck. So müssen Banken ihre Kapitalmarktgeschäfte künftig mit doppelt so viel Eigenkapital unterlegen wie bisher. Die USA verbieten Banken den Handel auf eigene Rechnung. In Europa könnte eine Finanztransaktionssteuer die Gewinne der Banken nochmals schmälern.

Banker auf der Flucht

Die Rendite der 13 weltweit größten Investmentbanken werde von durchschnittlich 20 auf um die 7 Prozent fallen, prophezeit die Beratung McKinsey. Selbst nach Umstrukturierungen und Preisanpassungen dürfte sie nur noch maximal 12 bis 14 Prozent erreichen.

Einige Banker haben daher die Flucht angetreten. Manche sind ins Schattenbankensystem der Hedgefonds gewechselt (siehe Seite 50). Auch alten Hasen wie Simon Lack ist die Lust aufs Geschäft vergangen. „Immer schärfere Kontrollen und Eingriffe der Aufsichtsbehörden ins Geschäft, sinkende Gehälter – das macht keinen Spaß mehr“, sagt der 49-Jährige, der 23 Jahre lang bei JP Morgan beschäftigt war.

Ende 2009 schied Lack im Rahmen eines Freiwilligen-Programms aus, kassierte eine millionenschwere Abfindung und gründete die Investmentberatung SL Advisors.

„Ich bin jetzt ein freier Mann und verwalte mein eigenes Geld“, sagt Lack. „Wall Street ist keine Ausnahmebranche mehr, all diese Vorschriften lähmen das Geschäft.“ Wer heute einen Job bei einer der großen Adressen ergattere, habe anders als früher nicht mehr automatisch ausgesorgt.

Dennoch bieten die großen Namen noch die besten Perspektiven. „Größe und Effizienz der Abwicklungsplattformen für Transaktionen sind künftig wichtiger als neue Produkte“, sagt Udo Bröskamp, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. „Der Marktdruck auf das Mittelfeld nimmt deutlich zu. Die Zahl der Wettbewerber wird sich ausdünnen.“

Verlagerungen nach Asien

Henrik Schliemann Quelle: J.P. Masclet für WirtschaftsWoche

Auch Chris Roebuck, Professor an der Londoner Cass Business School, erwartet, dass die global agierenden Investmentbanken den Strukturwandel besser überstehen als mittelgroße Häuser. Sie könnten regulatorische Unterschiede besser ausnutzen und riskante Geschäfte an weniger streng regulierte Finanzplätze in Asien verlagern.

Der Prozess ist in vollem Gange. Die Royal Bank of Scotland hat angekündigt, sich aus großen Teilen des Investmentbankings zu verabschieden. Auch die Mailänder UniCredit hat Teile des Aktiengeschäfts aufgegeben. An der Wall Street wird spekuliert, dass selbst Bank of America und Citibank mittelfristig aus dem Geschäft aussteigen könnten.

Als Wackelkandidat gilt auch die japanische Bank Nomura, die sich 2008 mit der Übernahme des europäischen Geschäfts von Lehman Brothers zur neuen Branchengröße aufschwingen wollte.

„Für alle Banken stellt sich die Frage, wie künftig ein profitables Geschäftsmodell aussehen kann“, sagt Martin Reitz, Deutschland-Chef der Investmentsparte von Rothschild. Ein großes Investmentbanking gehöre nicht mehr unbedingt dazu: „In diesem Geschäft waren viele Banken aktiv, die auf internationalem Niveau nie wirklich wettbewerbsfähig waren.“

Die höheren Refinanzierungskosten, der gestiegene Kapitalbedarf, der Druck auf die Umsätze und die zunehmende Bedeutung von Asien würden die Konsolidierung beschleunigen, sagt Reitz. Zudem werde der kontinuierlich gepflegte Kontakt zu den Kunden entscheidend sein. Viele von ihnen waren in der Vergangenheit unzufrieden, weil ihre Ansprechpartner in den Banken häufig wechselten.

Da Rothschild sich auf das Transaktionsgeschäft konzentriert und deshalb von der verschärften Regulierung kaum betroffen ist, rechnet Reitz sein Haus zu denen, die von den erwarteten Umbrüchen der Branche profitieren.

Vom Umbruch profitieren wollen auch Nischenanbieter wie die britische Hawkpoint. Die Boutique mit rund 170 Mitarbeitern berät Unternehmen vor allem bei Börsengängen sowie Fusionen und Übernahmen. Managing Director ist Henrik Schliemann.

Vermischung der Geschäftsmodelle bald vor dem Aus

Der gebürtige Hamburger, Nachfahre des berühmten Archäologen Heinrich Schliemann, hat sein Büro in einer der edelsten Adressen der Londoner City, im alten Hauptquartier der Natwest Bank. An den Wänden hängen goldgerahmte Stiche mit Jagdszenen. Die dort abgebildeten Gentlemen schießen Schnepfen, Fasanen und Rebhühner, statt dem schnellen Geld nachzujagen.

Starke werden stärker

Schliemann legt größten Wert darauf, nicht mit den Investmentbanken in einen Topf geworfen zu werden: „Wir machen nur Beratungsgeschäft und haben keine Banklizenz. Deshalb sind wir auch nicht betroffen von den neuen Regularien. Wir betreiben keinen Handel und werden ausschließlich von unseren Kunden bezahlt.“

Im Gegensatz dazu verdienten die großen Investmentbanken vor allem an dem Verkauf von Produkten und der Anlage ihres eigenen Geldes. Die Beratung mache nur einen minimalen Anteil ihres Umsatzes aus, sagt der 47-Jährige, und solle vor allem Kundenbeziehungen anknüpfen, um später lukrative Produkte zu verkaufen.

Schliemann erwartet, dass die Vermischung der Geschäftsmodelle aufgrund der neuen Regularien wieder zurückgedreht wird: „Die Investmentbanken müssen sich entscheiden: Wollen wir ein reines Handelshaus sein, oder wollen wir auch Kredit- und das normale Bankgeschäft betreiben?“ Diese Frage werde sich auch die Deutsche Bank stellen müssen.

Deren künftiger Co-Chef Anshu Jain setzt auf das Recht des Starken. „Es wird eine erhebliche Konsolidierung geben, und die, die überleben, werden langfristig expandieren“, sagte er am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Der Investmentbanker glaubt nach wie vor, dass Marktführer wie sein Institut vor goldenen Zeiten stehen. Wenigstens er.

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