Investmentbanken Kehraus im Banker-Paradies

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Verlagerungen nach Asien

Henrik Schliemann Quelle: J.P. Masclet für WirtschaftsWoche

Auch Chris Roebuck, Professor an der Londoner Cass Business School, erwartet, dass die global agierenden Investmentbanken den Strukturwandel besser überstehen als mittelgroße Häuser. Sie könnten regulatorische Unterschiede besser ausnutzen und riskante Geschäfte an weniger streng regulierte Finanzplätze in Asien verlagern.

Der Prozess ist in vollem Gange. Die Royal Bank of Scotland hat angekündigt, sich aus großen Teilen des Investmentbankings zu verabschieden. Auch die Mailänder UniCredit hat Teile des Aktiengeschäfts aufgegeben. An der Wall Street wird spekuliert, dass selbst Bank of America und Citibank mittelfristig aus dem Geschäft aussteigen könnten.

Als Wackelkandidat gilt auch die japanische Bank Nomura, die sich 2008 mit der Übernahme des europäischen Geschäfts von Lehman Brothers zur neuen Branchengröße aufschwingen wollte.

„Für alle Banken stellt sich die Frage, wie künftig ein profitables Geschäftsmodell aussehen kann“, sagt Martin Reitz, Deutschland-Chef der Investmentsparte von Rothschild. Ein großes Investmentbanking gehöre nicht mehr unbedingt dazu: „In diesem Geschäft waren viele Banken aktiv, die auf internationalem Niveau nie wirklich wettbewerbsfähig waren.“

Die höheren Refinanzierungskosten, der gestiegene Kapitalbedarf, der Druck auf die Umsätze und die zunehmende Bedeutung von Asien würden die Konsolidierung beschleunigen, sagt Reitz. Zudem werde der kontinuierlich gepflegte Kontakt zu den Kunden entscheidend sein. Viele von ihnen waren in der Vergangenheit unzufrieden, weil ihre Ansprechpartner in den Banken häufig wechselten.

Da Rothschild sich auf das Transaktionsgeschäft konzentriert und deshalb von der verschärften Regulierung kaum betroffen ist, rechnet Reitz sein Haus zu denen, die von den erwarteten Umbrüchen der Branche profitieren.

Vom Umbruch profitieren wollen auch Nischenanbieter wie die britische Hawkpoint. Die Boutique mit rund 170 Mitarbeitern berät Unternehmen vor allem bei Börsengängen sowie Fusionen und Übernahmen. Managing Director ist Henrik Schliemann.

Vermischung der Geschäftsmodelle bald vor dem Aus

Der gebürtige Hamburger, Nachfahre des berühmten Archäologen Heinrich Schliemann, hat sein Büro in einer der edelsten Adressen der Londoner City, im alten Hauptquartier der Natwest Bank. An den Wänden hängen goldgerahmte Stiche mit Jagdszenen. Die dort abgebildeten Gentlemen schießen Schnepfen, Fasanen und Rebhühner, statt dem schnellen Geld nachzujagen.

Starke werden stärker

Schliemann legt größten Wert darauf, nicht mit den Investmentbanken in einen Topf geworfen zu werden: „Wir machen nur Beratungsgeschäft und haben keine Banklizenz. Deshalb sind wir auch nicht betroffen von den neuen Regularien. Wir betreiben keinen Handel und werden ausschließlich von unseren Kunden bezahlt.“

Im Gegensatz dazu verdienten die großen Investmentbanken vor allem an dem Verkauf von Produkten und der Anlage ihres eigenen Geldes. Die Beratung mache nur einen minimalen Anteil ihres Umsatzes aus, sagt der 47-Jährige, und solle vor allem Kundenbeziehungen anknüpfen, um später lukrative Produkte zu verkaufen.

Schliemann erwartet, dass die Vermischung der Geschäftsmodelle aufgrund der neuen Regularien wieder zurückgedreht wird: „Die Investmentbanken müssen sich entscheiden: Wollen wir ein reines Handelshaus sein, oder wollen wir auch Kredit- und das normale Bankgeschäft betreiben?“ Diese Frage werde sich auch die Deutsche Bank stellen müssen.

Deren künftiger Co-Chef Anshu Jain setzt auf das Recht des Starken. „Es wird eine erhebliche Konsolidierung geben, und die, die überleben, werden langfristig expandieren“, sagte er am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Der Investmentbanker glaubt nach wie vor, dass Marktführer wie sein Institut vor goldenen Zeiten stehen. Wenigstens er.

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