Investmentbanken Wie US-Banken Europa überrollen

Die Deutsche Bank und andere europäische Institute geben Geschäfte auf, bauen Stellen ab, kürzen Boni. Starke US-Banken stoßen in die Lücke. Droht eine amerikanische Hegemonie auf den Kapitalmärkten?

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Investmentbanken aus Europa geben Geschäfte auf, bauen Stellen ab, kürzen Boni und US-Banken stoßen in die Lücke. Quelle: dpa Picture-Alliance

Andrea Orcel ist so etwas wie das Abziehbild des Investmentbankers. Der 52-jährige Italiener ist immer in Eile, immer gehetzt, redet schnell und viel und ohne Pausen, und wenn er über seine Branche spricht, zieht er am liebsten Vergleiche zum Motorsport, zur Formel 1, zu Ferrari. Orcel ist einer der wenigen Überlebenden aus der Ära der Finanz-Superstars, er hat ein gewaltiges Ego und gewaltige Boni kassiert, im Krisenjahr 2008 waren es 30 Millionen Euro, und als er 2012 von der Bank of America zur UBS wechselte, war das dem Schweizer Institut rund 20 Millionen Euro wert. Im vergangenen Jahr sorgte er für Irritationen, als er öffentlich erklärte, dass er Diskussionen um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in seiner Branche für ziemlichen Mumpitz hält.

Ausgerechnet der Klischee-Banker Orcel ist für Europas Investmentbanker derzeit das große Vorbild. Denn die UBS ist heute schon dort, wo die meisten anderen erst hinwollen. Das von der Finanzkrise und etlichen Skandalen besonders heftig erschütterte Institut hat ab dem Jahr 2012 als erste europäische Bank einen grundlegenden Umbau vollzogen. Angetrieben vom deutschen Verwaltungsratschef Axel Weber, warf Orcel nicht einfach nur Tausende Mitarbeiter raus.

Er verabschiedete sich auch weitgehend von ohnehin schwachen Disziplinen wie dem Handel mit festverzinslichen Wertpapieren und stärkte dafür das Aktiengeschäft und die Beratung bei Fusionen und Übernahmen. Was Konkurrenten erst als Zeichen der Schwäche verspotteten, erkennen sie heute als visionär an. Der UBS ist es gelungen, trotz eingeschränktem Angebot profitabel zu sein. „Es geht darum, klar und fokussiert zu sein und entschlossen zu handeln“, sagt Orcel selbst.

Diese Banken sind in die Panama-Affäre verwickelt
Ein internationales Recherchenetzwerk hat Daten der Kanzlei „Mossack Fonseca“ aus Panama ausgewertet, die sogenannten Offshore-Firmen in Steueroasen registriert. Im Auftrag von Banken hat die Kanzlei für viele Kunden solche Konstrukte angelegt, die oftmals der Steueroptimierung dienen. Laut Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung seien auch deutsche Banken in die Geschäfte verwickelt. Er sagte am Sonntagabend: „Wenn Sie mich fragen würden, welche der deutschen Banken eigentlich nicht dabei gewesen ist, Kunden zu helfen, zu „Mossack Fonseca“ zu gehen, müsste ich lange nachdenken, ob mir überhaupt eine einfällt. “ Die Commerzbank hatte beispielsweise im vergangenen Jahr bereits 17 Millionen Euro Bußgeld wegen umstrittener Geschäfte in Panama und Luxemburg gezahlt. Quelle: dpa
Die Funktionsweise von Mossack Fonsecas Geschäft: Für nur wenige Tausend Dollar bekommt der Kunde eine anonyme Firma. Die Kanzlei stattet die Firma mit Scheindirektoren aus und verschleiert damit den wahren Eigentümer. Dieses Geschäftsmodell ist moralisch zweifelhaft, sie sind aber nicht per se illegal. Der ausgewertete Datensatz zeigt, welche Institute über die Kanzlei in Panama die meisten Schattenfirmen registrierten. Auf Platz 10 landet die Investmentbank Rothschild, eine Tochtergesellschaft des Unternehmens registrierte für seine Kunden 378 Offshore-Unternehmen. Quelle: ICIJ Quelle: dpa
Die Landsbanki Luxembourg ließe den Daten zufolge 404 Schattenfirmen registrieren. Quelle: dpa
Die Luxemburg-Tochter der französischen Großbank Société Générale hat 465 Offshore-Unternehmen für seine Kunden registriert. Quelle: REUTERS
Die britische Privatbank kommt auf eine Zahl von 487 Schattenfirmen, die für ihre Kunden registriert wurden. Quelle: REUTERS
Die Schweizer Großbank UBS ließ im Auftrag seiner Kunden 579 Schattenfirmen registrieren. Quelle: REUTERS
Die Schweiz-Tochter der britischen Großbank HSBC wickelte Deals mit 733 Schattenfirmen ab. Fasst man alle HSBC-Töchter zusammen, landet die britische Bank sogar auf Rang 1 der Geschäftspartner von Mossack Fonseca – mit mehr als 2.300 registrierten Firmen. Quelle: dpa

Das wollen, das müssen nun vor allem jene europäischen Banken, die einst große und globale Ambitionen hatten. Die Deutsche Bank, die britische Barclays und die Schweizer Credit Suisse bauen Tausende Stellen ab, streichen Boni, trennen sich von Kunden, ziehen sich aus Ländern zurück. Der Rückbau mag vielen wie eine gerechte Strafe für die Verfehlungen der Krise erscheinen. Doch er reißt Lücken, die vor allem amerikanische Banken nur zu gerne füllen. Sie haben ihre Altlasten längst abgearbeitet und in den vergangenen Jahren ihren Marktanteil in Europa um zehn Prozentpunkte ausgebaut. Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank und selbst viele Jahre Investmentbanker, warnt schon lange vor den angeblichen Gefahren einer amerikanischen Dominanz auf den Kapitalmärkten. Mittlerweile werden bei Unternehmen und in der Politik ähnliche Stimmen laut.

Was Analysten für das Anlagejahr 2016 erwarten
Deutsche Bank Quelle: REUTERS
Deka BankDie Fondsspezialisten der Sparkassen erwarten, dass der Goldpreis im kommenden Jahr deutlich unter die kritische Marke von 1000 Dollar fallen wird. S&P 500: 2000 Punkte Nikkei: 17000 Punkte Gold: 960 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre: 1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,9 Prozent Quelle: dpa
PostbankIm Gegensatz zur Deka Bank ist die Postbank beim Goldpreis etwas optimistischer. Ein möglicher Impuls kommt von der Schmucknachfrage, da die Konjunktur in Indien zuletzt deutlich besser lief als erwartet. S&P 500: 2250 Punkte Nikkei: 21750 Punkte Gold: 1100 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10 Jahre: 1,0 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,75 Prozent Quelle: dpa
Berenberg BankDeutschlands älteste Privatbank ist im Vergleich zur Konkurrenz vergleichsweise optimistisch, was den Euro angeht. S&P 500: 2200 Punkte Gold: 1150 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1,15 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre Rendite: 1,1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,8 Prozent Quelle: obs
SantanderS&P 500: 2250 Punkte Gold: 1050 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10-jährige: 0,9 Prozent US-Treasury Rendite 10-jährige: 2,75 Prozent Quelle: AP
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Commerzbank Quelle: dpa

Anfang März erst forderte der Brüsseler Thinktank Bruegel die EU-Kommission auf, Banken künftig als „strategische Industrie“ zu sehen. In absehbarer Zeit werde auch der europäische Finanzmarkt weitgehend von den großen US-Banken beherrscht, heißt es in der Analyse. Die könnten sich in einer Krise auf den Heimatmarkt zurückziehen und ihre ausländischen Kunden im Stich lassen, zudem führe die höhere Konzentration zu steigenden Kosten für Unternehmen. Vor allem aber werde ein großer Teil des EU-Finanzsystems dann nicht mehr von EU-Behörden kontrolliert.

Kampfansage aus Amerika

Der Taunusturm ist Frankfurts neuestes und schickstes Hochhaus, die Wände im 22. Stockwerk schmücken Werke von Gerhard Richter und anderen Größen der neuesten Moderne. Die deutsche Niederlassung der US-Bank JP Morgan ist vor eineinhalb Jahren hier eingezogen, das alte Gebäude war nicht mehr standesgemäß und auch schlicht zu klein.

Von hier aus leitet Dorothee Blessing seit 2014 das deutsche Investmentbanking des US-Branchenriesen, vorher war sie mehr als 20 Jahre bei Goldman Sachs. Die Frau des scheidenden Commerzbank-Chefs ist Deutschlands wichtigste Bankerin, dabei tut sie alles dafür, im Hintergrund zu bleiben. Sie mag keine Fotos, keine großen Interviews, keine markigen Sprüche, sie will mit Leistung überzeugen. „Wir denken grundsätzlich langfristig und setzen auf Kontinuität. Deshalb investieren wir nachhaltig in den Aufbau starker Teams, in unsere Infrastruktur und in Produkte“, sagt Blessing.

Marktanteile im Investmentbanking 2015

Das soll gerade die international besonders aktiven deutschen Großkunden überzeugen. „Wir sind eine globale Bank mit starker regionaler Verwurzelung, die ihre Produktpalette weltweit anbieten kann. Das ist kein Selbstzweck. Unsere Kunden schätzen es, wenn sie alle für sie relevanten finanziellen Dienstleistungen global aus einer Hand erhalten.“

Was sich unspektakulär anhört, ist im aktuellen Marktumfeld eine Kampfansage. Blessing spricht aus einer Position der Stärke, JP Morgan verdiente im vergangenen Jahr umgerechnet rund 22 Milliarden Euro, das ist etwa so viel wie der aktuelle Börsenwert der Deutschen Bank. Das Geld steckt das Institut in die Zukunft, so will es in diesem Jahr allein rund acht Milliarden Euro für neue Technologien ausgeben. Solche Summen dürften dem Deutsche-Bank-Chef John Cryan noch ein paar Falten mehr in die Stirn graben.

Exbanker Leonhard Fischer Quelle: REUTERS

Zumal es bei den anderen US-Instituten ähnlich gut läuft. Nach Berechnungen der „Financial Times“ waren die Erträge der fünf größten amerikanischen Banken im Investmentbanking im Jahr 2015 mit umgerechnet 90 Milliarden Euro doppelt so hoch wie die der fünf größten europäischen, mit rund 30 Milliarden Euro übertrafen ihre Gewinne vor Steuern die der Europäer um das Achtfache. Zwar litten auch die US-Geldhäuser Ende 2015 unter einem rückläufigen Handel. Trotzdem verdiente Goldman Sachs knapp sechs Milliarden Euro. Morgan Stanley steigerte seinen Gewinn um 77 Prozent auf ebenfalls knapp sechs Milliarden. Die Deutsche Bank machte im gleichen Zeitraum einen Verlust von fast sieben Milliarden Euro.

Die amerikanischen Banken haben nach der Finanzkrise schnell gehandelt. Sie sind besser kapitalisiert und profitabler, zahlen üppige Dividenden und kaufen eigene Aktien zurück. Sie haben es aber auch leichter: 60 Prozent aller Transaktionen auf den globalen Kapitalmärkten finden vor ihrer Haustür statt. Zwar war auch der US-Markt 2015 leicht rückläufig, Fusionen und Übernahmen erreichten jedoch ein Allzeithoch.

Heftiger Gegenwind

„Europäische Banken haben einen strukturellen Nachteil, weil es in der Euro-Zone keinen wirklich funktionierenden gemeinsamen Finanzmarkt gibt und ein großer Teil der Finanzierung über die Zentralbank stattfindet“, sagt Leonhard Fischer. Um die Jahrtausendwende war der heute 53-Jährige Deutschlands bekanntester Investmentbanker. Das ist lange her, er ist seit mehr als zehn Jahren raus aus der Branche, hat danach die Schweizer Versicherung Winterthur geführt und 2014 die Frankfurter BHF Bank übernommen, die nach einem Bieterkampf nun allerdings dem französischen Institut Oddo gehört.

Die günstigsten Konten bei bundesweiten Banken

„Die europäischen Banken müssen sich wegen der Knappheit an Kapital fokussieren, jede neue Strategie läuft auf eine Konzentration hinaus“, sagt Fischer. Für besorgniserregend hält er das nicht. „Europäische Unternehmen werden auch künftig keine Probleme haben, Exporte zu finanzieren und Kapital aufzunehmen“, meint der Banker. Allerdings sieht auch er eine Zeitenwende in seiner alten Branche: „Die amerikanischen Investmentbanken profitieren weiter von dem Oligopol auf ihrem deutlich attraktiveren Heimatmarkt. Trotz enormer Investitionen ist es keiner europäischen Bank wirklich gelungen, hier zu einer ernsthaften Konkurrenz zu werden.“

Tatsächlich haben sie Milliarden dafür ausgegeben, in den USA Fuß zu fassen. Die Credit Suisse übernahm 1990 das Institut First Boston, die Deutsche Bank kaufte 1998 Bankers Trust, Barclays schluckte die US-Insolvenzmasse von Lehman Brothers. Zwar halten die Europäer an ihrer Präsenz in den USA fest, teilweise wollen sie die fast schon trotzig weiter ausbauen, aber für die erste Liga fehlt ihnen die Kraft.

Daran sind sie teilweise selbst schuld. Ihre mittlerweile durchweg geschassten Führungskräfte wollten so weitermachen wie vor der Krise. So warteten sie etwa darauf, dass der weitgehend daniederliegende Anleihehandel wieder Fahrt aufnehmen würde. Sie warteten vergeblich. Vor allem aber haben sie den Eifer der Regulierer unterschätzt.

So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell

Dass die Bankenwächter die Leine lockern, ist nicht absehbar, im Gegenteil: Vermögenswerte wie einen Kredit oder ein Wertpapier müssen die Institute nicht immer mit dem gleichen Sicherheitspuffer unterlegen. Je weniger riskant eine Position in der Bilanz ist, desto weniger Kapital muss eine Bank dafür vorhalten. Nun ziehen die Regulierer die Schrauben an. Bis 2020 dürften die so ermittelten Risikoaktiva durch ihre verschärften Vorgaben um 25 Prozent steigen, die Deutsche Bank kalkuliert mit einem Plus von 100 Milliarden Euro zu ihren aktuell knapp 400 Milliarden Euro. Das macht es für sie schwerer, die vorgegebenen Kapitalquoten zu erreichen. Sie muss Ballast abwerfen, Kosten reduzieren, Geschäfte aufgeben.

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In den kommenden vier Jahren will die Deutsche Bank ihre Vermögenswerte in der Investmentbank um 40 Milliarden Euro reduzieren. Dafür zieht sie sich aus Randaktivitäten zurück, fährt andere herunter, halbiert die Zahl der Kunden. Der Umbau hinterlässt aber auch im Kerngeschäft Spuren: Die Erträge sind überdurchschnittlich stark gefallen, in wichtigen Disziplinen und Regionen hat sie mehr Marktanteil eingebüßt als jeder Wettbewerber. Um gegenzusteuern, will die Bank nun in ausgewählten Segmenten wie dem Aktiengeschäft wieder Personal einstellen.

Dabei weht ihr der Wind heftig ins Gesicht. Der Jahresauftakt war weltweit miserabel, das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen ging im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent zurück, mit Anleihen um 13 Prozent, mit Börsengängen sogar um 75 Prozent. Gerade erst hat die Credit Suisse angekündigt, zusätzlich zu den bereits vorgesehenen 4000 nochmals 2000 Stellen abzubauen.

Einmal draußen, immer draußen?

In London geht das meistens ruckzuck, oft müssen Banker noch am Tag ihrer Kündigung den Arbeitsplatz räumen. In Frankfurt läuft es etwas humaner ab, trotzdem ist der persönliche Umbruch nicht weniger gravierend. „Erst mal viel Sport machen und die Zukunft mit der Familie besprechen“, sagt ein Frankfurter Banker, dessen Abteilung gerade einer Umstrukturierung zum Opfer fällt. Immerhin hat er schon aussichtsreiche Gespräche mit einem Finanzinvestor geführt.

Damit ist er eine Ausnahme: Wer draußen ist, findet derzeit nur schwer wieder hinein. „Die Aufnahmekapazität ist begrenzt, die Banken fahren auf Sicht. Es gibt in der Branche immer noch massive Überkapazitäten“, sagt der Frankfurter Personalberater Andreas Halin. Zwar würden US-Institute durchaus einstellen, das gelte aber nur für besonders profilierte Finanzfachkräfte. Die gingen derzeit auch dann, wenn der Verdienst nicht signifikant steigt. „Der Wechsel zu einem stabileren Institut ist ein wichtiges qualitatives Upgrade“, sagt Halin. Da es an Alternativen fehlt, nehmen die Banker auch Kürzungen hin. Bei der Deutschen gingen die Boni zuletzt um 17 Prozent zurück.

Exinvestmentbanker Storonsky Quelle: Chris Gloag für WirtschaftsWoche

Angesichts der allgemeinen Trübsal suchen sich selbst erfahrene Banker neue Aufgaben außerhalb ihrer Branche. Manche fangen bei Neugründungen an. Anshu Jain berät ein Finanz-Start-up im Silicon Valley, und mit 52 Jahren startet auch Richard Ricci noch einmal durch. Der Amerikaner, der im April 2013 die Leitung der Investmentbank der britischen Großbank Barclays abgab, hat in ein Fintech namens freemarketFX investiert und die Rolle des Aufsichtsratschefs übernommen. Vollzeitjobs sind das nicht. Ricci hat viel Zeit für seine große Leidenschaft Pferderennen, beim Festival von Cheltenham in der vorvergangenen Woche trat der Besitzer edler Vollblüter selbstbewusst im dreiteiligen Tweed-Anzug auf.

Letzte Ausfahrt Fintech

Im 42. Stock des Wolkenkratzers One Canada Square mitten in Londons Finanzviertel Canary Wharf schlägt Nikolay Storonsky die Beine in den am Knie modisch zerfetzten Jeans lässig übereinander und streicht die dunkelblonden, kinnlangen Haare hinters Ohr. Der 31-Jährige kommt gerade von Verhandlungen mit potenziellen Investoren, doch angespannt wirkt der Chef des Fintech-Start-ups Revolut nicht. „Unsere Vision ist es, ein Zahlungssystem aufzubauen, das so groß ist wie PayPal“, sagt der Russe. Aktuell beschäftigt Revolut 30 Mitarbeiter und bietet in 90 verschiedenen Währungen Wechselkurstransaktionen inklusive Umtausch zu offiziellen Interbankkursen an – ohne Gebühr. Geld verdient das Unternehmen, indem es bei Händlern und Restaurants abkassiert – in Europa etwa 0,2 Prozent des Transaktionswerts.

Das sind die besten Fin-Tech-Start-ups
Das Münchener Start-up Gini wurde zum besten FinTech-Start-up 2015 gewählt. Quelle: Presse
Platz 2: WeltsparenDas 2012 gegründete Portal Weltsparen.de der Saving Global GmbH ist der erste Online-Marktplatz für europäische Festgelder. Bei ausgewählten Partnerbanken aus ganz Europa können Kunden online ihr Geld anlegen – mit deutlich attraktiveren Zinsen bis zu 2,5 Prozent. Auf dem Bild sind die Gründer Michael Stephan, Frank Freund und Tamaz Georgadze (von links) zu sehen. Quelle: Presse
Platz 3: Numbers 26Die moderne Banking-App von Maximilian Tayenthal (links im Bild) und Valentin Stalf soll das herkömmliche Girokonto ersetzen. Ihr Konto ist komplett kostenlos, kann per Smartphone und in Echtzeit bedient werden – und eine Mastercard gibt es noch dazu. Mit ihrem Angebot treten die beiden Unternehmer in direkte Konkurrenz zu den bestehenden Direktbanken – und werben mit der Einfachheit ihrer Produkte. Für den Firmennamen ist übrigens der berühmte bunte Zauberwürfel verantwortlich, der aus 26 einzelnen Würfeln besteht. „Das ist unsere Inspiration dafür, dass man auch das komplexe Bankensystem mit der richtigen Strategie einfach lösen kann“, erklären Tayenthal und Stalf ihre Firmenphilosophie. Quelle: Presse
Fairr.deDas Berliner Start-up Fairr.de gehört zu den übrigen Finalisten und hat sich auf Altersvorsorge spezialisiert. Fairr.de will sich in diesem Segment gegen die großen Banken behaupten. Die Kunden können online verschiedene Rentenprodukte abschließen – beispielsweise den „fairriester“, einen Riester-Fondssparplan mit ETFs und Anlageklassenfonds. Die Besonderheit dabei: Das Start-up verzichtet auf Abschlussprovisionen und wirbt mit niedrigen laufenden Kosten. Quelle: Presse
ExporoDas Crowdfunding-Portal Exporo ist eine Plattform für Immobilien und Immobilienprojekte. Das Hamburger Start-up vermittelt dabei Kapital zwischen Projektentwicklern und Anlegern – und ist mit einem Kapitalvolumen von mehr als 10 Millionen Euro in diesem Segment deutschlandweit führend. Im Dezember 2014 startete Exporo sein erstes Projekt in der Hamburger Feldbrunnenstraße (Foto). Mehr als 440 private Geldgeber haben sich mit Summen ab 500 Euro beteiligt – so konnte diese Immobilien-Schwarmfinanzierung innerhalb von nur 14 Wochen realisiert werden. Quelle: Presse
FinoBei Fino Digital können Kunden innerhalb von acht Minuten ihr Konto wechseln – per Mausklick, ganz ohne Schreibaufwand. Seit Herbst 2015 ist das Portal von Fino-Gründer Florian Christ (Bild) im Netz zu finden – und rund 15 Banken kooperieren mittlerweile mit dem jungen Kasseler Unternehmer. Quelle: Presse
VaamoDie Vaamo Finanz AG bietet individuelle Online-Investment-Lösungen für Privatpersonen an. Dazu können Nutzer ein eigenes Vaamo-Konto eröffnen. Das Besondere dabei: Die persönlichen Sparziele der Kunden stehen im Vordergrund. Ein technisches Kontrollsystem hilft dabei, dass die Nutzer ihre Ziele auch tatsächlich erreichen. Bei Vaamo gibt es weder einen Mindestanlagebetrag noch eine Mindestlaufzeit; die Kunden zahlen einen Pauschalpreis. Das Frankfurter Start-up kooperiert zur Depotführung und Transaktionsabwicklung mit der FFB. Quelle: Presse

2006 hatte Storonsky bei Lehman Brothers angefangen, bei der Credit Suisse stieg er als Händler für Aktienderivate auf. „Nach der Krise wurden die Banken, wie andere Großunternehmen, sehr hierarchisch und unfair zu jungen Leuten wie mir, die schließlich das ganze Geld machten“, erläutert er seinen Abschied von der Branche. „Plötzlich ging es hauptsächlich um Regeln, viel zu viele Manager unterdrückten mein kreatives Potenzial.“

Storonsky hat große Träume, in Europas Banken gibt es keinen Platz dafür, dort werden Sparzwang und immer neue Vorgaben den Alltag prägen. Es ist ein langer Weg in eine bescheidenere Zukunft, es geht weniger um das, was kommt, und mehr um das, was bleibt. Dass überhaupt etwas bleibt.

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