Deutschlands Landesbanken-Welt könnte bald erneut um ein Institut schrumpfen. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters könnte die NordLB die Bremer Landesbank (BLB) vollständig übernehmen und damit deren Kapitalprobleme beheben. Drei mit dem Vorgang vertraute Personen sagten am Montag, die Hannoveraner strebten eine Verschmelzung mit der BLB an, an der sie bisher lediglich 55 Prozent halten. "Ökonomisch würde das Sinn machen", sagte einer der Insider.
In Bremen gebe es bisher jedoch Widerstand gegen eine Verschmelzung, weil das Land in der Folge an Einfluss verlieren würde. Es gebe deshalb auch andere Optionen, um den sich abzeichnenden Kapitalengpass bei der schwächelnden Tochter zu beheben, sagte der Insider. "Die NordLB kann die Probleme bei der Bremer Landesbank in jedem Fall lösen."
Die BLB ist zuletzt in akute Schieflage geraten, sie leidet darunter, dass sie viel Geld für ausfallgefährdete Schiffskredite zurücklegen muss. Die BLB hatte am Donnerstag erklärt, wegen der Flaute auf hoher See 2016 hohe Wertberichtigungen zu erwarten. Im laufenden Jahr werde deshalb vermutlich ein "Verlust in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags" anfallen.
Die wichtigsten Antworten zur Bremer Landesbank
Bei der Bremer Landesbank (BLB) ist eine Bombe hochgegangen: Für 2016 erwartet die Bank bei an die Schiffsbranche vergebenen Krediten unerwartete Abschreibungen massiver Art; es geht um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, also um weit mehr als eine halbe Milliarde Euro. Das Spezialgebiet Schiffsfinanzierung ist Teil der DNA bei der maritim geprägten BLB. Der Auslöser der Wertberichtigungen: „anhaltend schwierige Marktbedingungen“, wie die BLB kürzlich berichtete.
Die sind zwar noch nicht absehbar. Doch fest steht: Die BLB benötigt dringend frisches Geld, und das nicht zu knapp. Doch was sie selber wenig konkret als „Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals“ bezeichnet, wirft Fragen auf. Denn hinter dem Geldhaus steht das Land Bremen mit einem Anteil von 41 Prozent und vor allem die Landesbank NordLB mit 55 Prozent, die mehrheitlich Niedersachsen gehört. Das birgt Sprengstoff: Wer soll und darf bei der Misere einspringen und zu welchem Preis? Die BLB müsste womöglich Teile ihrer Eigenständigkeit aufgeben.
Für gewöhnlich müssten die Träger Geld nachschießen. Doch das hätte gleich mehrfach einen Haken: Bremen ist hoch verschuldet und Stützen aus der Hansestadt wären offensichtlich eine laut EU-Recht verbotene Beihilfe, die dem fairen Wettbewerb zuwiderliefe. Theoretisch könnte die NordLB die Sache übernehmen, die Stütze überweisen und das Geld bei sich abschreiben. Doch sie steckt selber in der Krise und hat nichts zu verschenken, zumal ihre Dividende zuletzt öfter ausfiel. Alternativen wären eine Komplettübernahme oder eine Fusion. Doch das benötigte nicht zuletzt auch den politischen Rückhalt beider Länder.
In den Schiffsfinanzierungen steckten bei der BLB Ende 2015 fast 8 Milliarden Euro Vermögen. Bei ihrer Bilanzsumme von insgesamt rund 30 Milliarden Euro ist das gut ein Viertel. Das Segment ist schon länger verlustbringend: 153 Millionen Euro Zinsgewinnen standen 2015 fast 390 Millionen Euro Risikovorsorge für Kreditausfälle entgegen. Auch 2014 war der Bereich dick im Minus, als es zwar 129 Millionen Euro Zinsgewinn gab, aber 216 Millionen Euro Risikopuffer. Zum Vergleich die weitaus größere Bilanzsumme der NordLB: 181 Milliarden Euro.
In einer Mitteilung an die Finanzmärkte schreibt das Geldhaus: „Damit reagiert die Bremer Landesbank auf ihre veränderte Einschätzung des Marktes für Schiffsfinanzierungen, der sich nach Erwartung der Bremer Landesbank mittelfristig nicht signifikant erholen wird.“ BLB-Chef Stephan-Andreas Kaulvers ließ erklären, dass die „Bereinigung und der Abbau des Schiffsportfolios mit hohen Wertberichtigungen verbunden sein werden (...) Das ist für uns herausfordernd, aber beherrschbar.“
Nein, die Schiffsbranche steckt seit Jahren tief in der Krise. Auch die große NordLB musste im Startquartal 2016 wegen maroder Kredite einen neuen Risikopuffer über 435 Millionen Euro bilden, was unterm Strich mit 84 Millionen Euro Verlust brachte. „Wir erwarten auch in den kommenden Quartalen keine Verbesserung der Lage an den Schiffsmärkten“, sagte NordLB-Chef Gunter Dunkel Mitte Mai. Das Jahr 2016 soll daher auch bei der NordLB mit einem Verlust enden.
Offensichtlich sah sie lange Hoffnung für Licht am Ende des Tunnels. Zwar schrieb sie in der Bilanz für 2015 von „weiterhin erheblichen Belastungen“ im Schiffssegment. Auch bestünden durch den Schwerpunkt in dem Segment generell „hohe Konzentrationsrisiken“ und „eine nachhaltige Erholung des Schifffahrtssektors ist aufgrund hoher Überkapazitäten weiter unsicher“. Doch für das Gesamtbild gelte: „Die grundlegende Ertragskraft der Bank wird weiter insgesamt als zufriedenstellend erachtet und bietet eine Grundlage, um den Herausforderungen im Schiffssegment (...) zu begegnen.“
Das entscheidet die BLB nicht alleine. Sie muss Vorschriften zufolge die Lage so gut wie möglich einschätzen. Dabei bedient sie sich nach eigener Aussage „externer Prognosen des Bewertungssachverständigen Weselmann sowie der führenden Marktforschungsinstitute Marsoft und MSI“. Das Ergebnis hielt den Wirtschaftsprüfern von KPMG stand, die der Bilanz 2015 attestierten, „keine Einwendungen“ zu haben.
Die CDU-Opposition in der Bremer Bürgerschaft wirft Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) Blauäugigkeit vor. Sie leitet bei der BLB den Aufsichtsrat. „Es sieht aus, als habe sie bei ihrer Kontrollfunktion versagt“, kritisierte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jens Eckhoff. Ebenso wie die Opposition in Niedersachsens Landtag will sie die Lage zum Thema im Parlament machen.
Ein Sprecher sagte am Montag: „Die BLB beobachtet rechtzeitig und fortlaufend die risikoorientierte Entwicklung sämtlicher Kreditportfolien.“ Auf der Schiffskrise liege dabei ein besonderer Fokus. Die nun bekanntgegebenen riesigen Abschreibungen begründete der Sprecher mit dem „Reifegrad der zugrundeliegenden Erkenntnisse“. Von einer zögerlichen Haltung könne keine Rede sein. „Über den Status des Portfolios und die Maßnahmen des Vorstandes wurde und wird in den Gremien der Bank seit Jahren regelmäßig berichtet.“ Der Sprecher sagte zudem, dass diese Woche Aufsichtsrat und Risikoausschuss tagen.
Diese Wertberichtigung dürfte zum Jahresende einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ Verlust bringen. Das würde die nötigen Risikopolster der Bank stark schwächen. Zu den Gegenbemühungen teilte die BLB bisher nur mit: „Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals der Bremer Landesbank sind eingeleitet.“ Nähere Angaben dazu gab es am Montag zunächst nicht – weder zur Höhe der nötigen Summe noch zu deren möglichen Quellen. Laut Informationen der Nachrichtenagentur dpa sei ein Betrag um die 500 Millionen Euro ein realistischer Kapitalbedarf.
Mehrere Varianten möglich
Nicht nur die NordLB kommt als Kapitalgeber in Frage. Das Land Bremen, das 41 Prozent an der Bremer Landebank hält, solle allerdings auf keinen Fall Geld in das Institut pumpen, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. Andernfalls drohe ein neues Verfahren der EU-Kommission wegen möglicher staatlicher Beihilfen. Laut dpa-Informationen ruft die Hansestadt nach Angaben aus Bremer Koalitionskreisen um Hilfen der NordLB.
Zum Thema Kapitalerhöhung liefen Gespräche, dazu könne aber noch nichts gesagt werden, teilte eine Sprecherin der Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (CDU) mit.
EZB fordert Kapitalstärkung
Laut Reuters gibt es bereits intensiven Kontakt zwischen der BLB und den Bankenaufsehern der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbank stehe in intensivem Kontakt mit der NordLB -Tochter und fordere von ihr Maßnahmen zur Stärkung ihres Kapitals, sagten drei mit dem Vorgang vertraute Personen am Samstag zu Reuters.
Die BLB teilte am Montag mit, dass 2015 das Schiffsportfolio „sukzessive und wertschonend“ auf 648 Schiffe (Stand 31.12.2015) reduziert worden sei. Ein Jahr zuvor waren es noch 749. Im vergangenen Jahr hat das Geldhaus bereits neuartige Anleihen (AT-1-Bonds) begeben und verbriefte Kreditrisiken an Investoren verkauft, um seine Kapitalquote zu stärken. Ende vergangenen Jahres kam es auf eine harte Kernkapitalquote von 10,8 Prozent. In dieser Woche ist eine Sitzung des Aufsichtsrates sowie des Risikoausschusses vorgesehen.
Die Risikovorsorge im Kreditgeschäft – also der Puffer für faule Darlehen – legte 2015 laut Bilanz gegenüber 2014 um gut ein Viertel zu auf minus 341 Millionen Euro. Unterm Strich schaffte es das Geldhaus nur knapp in die schwarzen Zahlen: 5 Millionen Euro Gewinn (2014: 31 Mio. Euro).