Lebensmittel-Spekulation UN-Ernährungsexperte rügt Deutsche Bank

Das Kreditinstitut steht wegen seiner Spekulationen mit Lebensmitteln in der Kritik. Der UN-Beauftragte Olivier de Schutter macht die Bank für steigende Preise verantwortlich - und indirekt für den Hunger in der Welt.

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Ein Feld mit Weizen: Spekulationen mit Lebensmitteln treiben die Preise nach oben. Quelle: dpa

Osnabrück Der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Ernährung, Olivier de Schutter, fordert eine stärkere Regulierung von Spekulationen mit Lebensmitteln und rügt die Rolle der Deutschen Bank. „Die Rolle von Investmentbanken wie der Deutschen Bank hat stark zugenommen. Der Preis von Lebensmitteln wird immer stärker von Finanzakteuren bestimmt“, sagte de Schutter der Nachrichtenagentur dapd am Rande eines Besuchs der Universität Osnabrück.

Der 43-jährige Belgier, der seit vier Jahren Sonderbeauftragter bei den Vereinten Nationen ist, sieht in den Spekulationen einen wichtigen Grund für die steigenden Nahrungsmittelpreise. „Die extremen Preisschwankungen auf dem Markt mit Nahrungsmitteln haben nur wenig mit Angebot und Nachfrage zu tun“, sagte der Professor an der Katholischen Universität Leuven (Löwen).

Die Hedge Fonds und Banken hätten verstanden, dass die Spannungen zwischen Angebot und Nachfrage größere Preise versprechen. „Deshalb setzen sie auf höhere Preise. Die Wetten auf höhere Preise führen zu einem sich selbst erfüllenden Versprechen“, erklärte de Schutter. Wenn Deutsche Bank oder Goldman Sachs auf höhere Preise setzten, würden Agrarrohstoffe auch zu höheren Preisen verkauft. „Wenn die Preise steigen, dann wollen die Leute mehr und schneller kaufen. Das ist eine künstlich erzeugte Panik“, erklärte de Schutter.

Die Europäische Union sei gefordert, die Geschäfte der Finanzinvestoren zu regulieren. „Mich besorgt diese Entwicklung sehr“, sagte Schutter und sprach von „perversen Konsequenzen“. Die Spekulationen von Finanzinvestoren mit Agrarrohstoffen trügen dazu bei, dass die Menschen in Entwicklungsländern sich ihre Nahrung nicht mehr leisten können. Zurzeit hätten 925 Millionen Menschen nicht genügend Nahrung. Damit hungere fast jeder siebte Mensch.

Auch das Ergebnis des G-20-Gipfels frustrierte de Schutter. Zum schwachen Abschlusskommuniqué der führenden Industrie- und Schwellenländer im mexikanischen Los Cabos sagte er: „Die Feststellung, dass die Produktion von Nahrungsmitteln bis 2050 um 50 bis 70 Prozent anwachsen muss, ist eine Pauschalisierung der weltweiten Hungersnot und zeigt, dass das reale Problem nicht erkannt wurde.“

Die Mehrheit der Hungernden seien abhängig von den kleinen Agrarbetrieben. „Deshalb müssen wir die kleinen Nahrungsmittelhersteller vor Ort unterstützen, damit sie effizienter werden und wachsen können“, forderte de Schutter. Er fragte: „Was bringt es den armen Menschen in den Entwicklungsländern, dass bis 2050 50 Prozent mehr Nahrung produziert wird, wenn sie so arm sind, dass sie sich die Lebensmittel gar nicht leisten können?“

Die Nahrungsmittelrechnung der ärmsten Länder sei zwischen 1992 und 2008 um das Fünf- bis Sechsfache angestiegen. Deshalb dürften die armen Konsumenten in diesen Ländern nicht länger auf Importe angewiesen sein. Die einzige Lösung sei, in ihre Art der bäuerlichen Landwirtschaft zu investieren. De Schutter resümierte: „Nur wenn die Armen arbeiten, ihre Gehälter steigen, die Landwirtschaft unabhängiger und effizienter wird, kann auch die weltweite Hungersnot bekämpft werden.“

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