Herr Fischer, Anfang des Jahres hat die von Ihnen geführte Beteiligungsgesellschaft RHJI die kleine BHF Bank übernommen. Was wollen Sie beweisen?
Seit 30 Jahren heißt es, dass Banken nur ab einer gewissen Größe erfolgreich sein können. Die Logik sehe ich nicht. Ich zweifle das Modell der Großbank nicht an, aber daneben gibt es Spielraum für bewusst nicht skalengetriebene Geschäftsmodelle. Große Banken standardisieren und technisieren immer mehr Prozesse. Das schafft eine Lücke, in der Spezialisten überschaubarer Größe mit maßgeschneiderten Angeboten Erfolg haben können.
Selbst Aufseher beklagen, dass Banken zu wenig verdienen. Warum sind Sie optimistisch für die BHF?
Wir konzentrieren uns auf ausgesuchte Dienstleistungen und Produkte für vermögende Privatleute, Unternehmer und ihre Unternehmen. Wir beschränken uns auf die Verwaltung ihres Vermögens und die Finanzierung ihrer Geschäfte aus dem eigenen Haus oder über den Kapitalmarkt. Dabei setzen wir nicht auf globale Präsenz, aber auf internationale Expertise. Das ist unsere Nische.
Zur Person
Leonhard Fischer, 51, wurde 1999 Vorstand der Dresdner Bank und leitete deren Investmentbanking. Nach der Übernahme durch die Allianz verließ er die Bank 2002 und war bis 2007 Chef der Schweizer Versicherung Winterthur. Nach deren Verkauf wechselte Fischer, der einst mit dem heutigen „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann eine Schülerzeitung herausgab, zur Beteiligungsgesellschaft RHJI. Die kaufte erst die britische Kleinwort Benson und nach langen Verhandlungen mit der Finanzaufsicht BaFin 2014 die Frankfurter BHF Bank. Die verwaltet mit 1000 Mitarbeitern rund 40 Milliarden Euro.
Diese Geschäfte machen andere auch.
Es gibt viele, die in die Nische wollen, aber nur wenige, die wie wir in ihr leben. Es macht einen Unterschied, ob die Vermögensverwaltung eins von 100 Produkten ist oder eins von drei. Ein Spezialist wie wir ist fokussierter. Für eine Bank unserer Größe ist jeder Kunde relevant. Und er profitiert von kurzen Entscheidungswegen. Bei uns muss eine Finanzierung nicht von einer Zentrale abgesegnet werden, die womöglich in einem anderen Land sitzt.
Sehr revolutionär klingt das nicht.
Das soll es auch gar nicht. Wir haben die BHF nicht gekauft, um eine komplett neue Idee umzusetzen. Wir haben sie gekauft, weil ihre Struktur und Geschichte genau die Fokussierung repräsentieren, mit der eine Bank Erfolg haben kann. Außerdem passt sie perfekt zu unseren bisherigen Aktivitäten mit Kleinwort Benson. Wir setzen bewusst auf die klassischen Wertschöpfungsstufen. Wenn die BHF heute ein Vorbild hat, dann ist das die BHF vor 30 Jahren. Es geht um zentrale Fähigkeiten wie die Anlage von Geld zu vernünftigen Renditen. Das ist anspruchsvoll genug.
Es wirkt trotzdem altmodisch.
Sich an der Vergangenheit zu orientieren ist nicht altmodisch, sondern innovativ. Von den Neuerungen der vergangenen 20 Jahre haben wir viele total überschätzt. Viele Neuheiten sind nur Variationen derselben einfachen Grundideen. Wirklich neu war oft nur, dass die Finanzindustrie die Komplexität ihrer Produkte so lange erhöht hat, bis keiner mehr durchblickte...
...was 2008 zur großen Bankenkrise führte. Seitdem wollen Regulierer die Branche mit immer neuen Vorschriften sicherer machen. Was heißt das für die BHF?
Die Regulierung ist anspruchsvoll, der Aufwand ist enorm. Ich hatte erwartet, dass sich die Regulierer nach der Krise 2008 auf die großen, systemisch relevanten Banken konzentrieren und die kleineren entlasten. Da habe ich mich geirrt. Dabei hätte die Aufsicht den Kleineren mehr unternehmerische Freiheit lassen können, weil sie scheitern können, ohne das System zum Einsturz zu bringen. Von mehr Vielfalt und Wettbewerb können wir nur profitieren.
"Banken können nicht mehr überall auf der Welt dasselbe Produkt verkaufen"
Das deutsche Bankensystem leidet unter der Vielfalt. Der Wettbewerb ist ruinös.
Große Teile der Branche sind letztlich in staatlicher Hand, ihr Fokus liegt nicht auf einer Kapitalrendite. Das macht es Konkurrenten, die Geld verdienen müssen, schwierig. Andererseits versorgt unser dezentrales Bankensystem kleine, regionale Unternehmen besser als das in Großbritannien, wo sich das Geschäft auf wenige Großbanken konzentriert.
Um die Jahrtausendwende waren Sie der deutsche Prototyp des Investmentbankers, jetzt loben Sie das Traditionsgeschäft und verteidigen die Sparkassen. Sind Sie konvertiert?
Investmentbanking ist auch ein Teil des traditionellen Geschäfts. Gleichwohl ist meine Generation mit einigen Lehrsätzen groß geworden, von denen viele weiter gültig sind. Einige aber waren Illusion. Einer war der Glaube an die segensreiche Wirkung der unbegrenzten Verbriefung von Krediten. Genauso irrig war die Annahme, dass sich Risiken mit Modellen unbegrenzt messen und beherrschen lassen. Die spannendste Frage ist, ob wir auch den Glauben an die fortschreitende Globalisierung der Finanzmärkte korrigieren müssen.
Warum?
Als Banker haben wir an international vernetzte, hoch liquide Finanzmärkte geglaubt, die erforderliche Mittel effizient bereitstellen. Das System ist 2008 kollabiert. Die Globalisierung der Finanzströme entwickelt sich seitdem sogar zurück.
Ist das ein Fehler?
Politisch ist das nachvollziehbar. Eine wirklich globale Produktgruppe waren etwa US-Hypothekenpapiere. Die haben vor der Krise 2008 auch viele Investoren gekauft, die von dem Markt keine Ahnung hatten. In der Euro-Krise haben die Staaten zudem gelernt, dass sie sich besser nicht von Geldgebern aus dem Ausland abhängig machen. Da gibt es eine Renaissance der Nähe. Die Steuerzahler sind nicht global, die Regulierer sind nicht global. Sie achten mehr auf ihre Autonomie und lassen die unbegrenzten Ströme nicht mehr zu.
Was heißt das für globale Großbanken?
Das stellt Teile ihres Konzepts infrage. Sie können nicht mehr überall auf der Welt das gleiche Produkt verkaufen, sondern müssen es in jedem Land an immer mehr Gesetze und Vorschriften anpassen. Das ist schwer zu managen, vor allem wenn am Ende Geld übrig bleiben soll. Es wird auch künftig globale Banken geben, sie werden sich aber stärker spezialisieren.
Braucht Deutschland eine globale Bank?
Wir haben eine der am stärksten globalisierten Wirtschaften der Welt. Ich wäre überrascht, wenn wir irgendwann keine globale Bank mehr hätten.
Im Augenblick ziehen aber die amerikanischen Banken den Europäern davon.
Das ist in erster Linie ein Spiegel des gesamtwirtschaftlichen Erfolgs ihres Heimatlandes. Ein so schwaches Wachstum wie in Europa ist nicht gut für das Finanzsystem.
"Der Job des Bankers war nie spannender als heute"
Werden sich Großbanken jemals abwickeln lassen?
Sehr große Banken mit vielen Einlagen von Bürgern müssen immer besonders reguliert sein und besitzen dafür mehr oder weniger eine implizite Staatsgarantie. Das muss auch so sein, die Abhängigkeit lässt sich kaum lösen. Auch wenn ich ein hartes Trennbankensystem für schwer durchsetzbar halte, können die einzelnen Geschäftsbereiche einer Bank aber so organisiert werden, sodass zumindest große Teile in die Insolvenz gehen können.
Vor 15 Jahren galten Sie noch als Finanzstar, heute ist Investmentbanker ein Schimpfwort. Würden Sie den Job noch einmal machen?
Ich bin aus Leidenschaft Banker geworden und bin es heute noch. Für mich gibt es keinen Grund, das Geschäft zu verdammen. Die Branche sieht heute anders aus. Die Zeiten explodierenden Wachstums sind vorbei. Das klassische Investmentbanking in Form der Beratung von Kunden und Investoren sowie der Beschaffung von Kapital auf den Finanzmärkten ist aber eine Kernaufgabe der Banken und wird es bleiben. Der Job ist kaum je spannender gewesen als heute. Dazu tragen schon die enormen technischen Umbrüche bei.
Inwiefern?
Ich gehöre zur ersten Bankergeneration, die mit dem PC aufgewachsen ist. Das hat für enorme Veränderungen gesorgt. Heute ist es ähnlich mit dem Internet. Wir müssen davon ausgehen, dass innovative Unternehmen den klassischen Finanzdienstleistern Teile ihres Geschäfts abnehmen.
Was heißt das für die BHF Bank?
Für uns ist das nicht so relevant. Unser Geschäft ist es, Produkte und Ideen zu haben, die Kunden nicht googeln können.
Was sind die nächsten Schritte der Integration?
Wir haben die Strukturen schon sehr vereinfacht. Es gibt jetzt eine einfache Holding, unter der sich die Banken Kleinwort Benson in Großbritannien und BHF in Deutschland befinden. Alle Beteiligungen an Industrieunternehmen haben wir verkauft. RHJI ist keine Beteiligungsgesellschaft mehr, sondern eine Bankholding. Deshalb werden wir uns auch einen neuen Namen geben. n