Michael Hausfeld hat eine samtweiche Stimme und ein Gespür für spektakuläre Prozesse. Jetzt knöpft sich der US-Staranwalt mit einem Faible für die Schwachen und Entrechteten dieser Welt die Banken vor. „Die Anzahl der Finanzskandale der vergangenen fünf bis zehn Jahre zeigt, dass hier ein Kulturwandel stattfand, der bewirkte, dass die Rechte von Kunden vernachlässigt wurden“, sagt der Experte für Sammelklagen.
Die Kanzlei des 67-Jährigen liegt auf der K-Street in Washington, wo sich die berühmtesten Lobbyisten der amerikanischen Hauptstadt befinden. Hausfeld ist zusammen mit einer kalifornischen Anwaltsfirma federführend bei der Sammelklage gegen rund 20 Institute, denen die Manipulation der beiden Leitzinssätze Libor und Euribor zur Last gelegt wird – darunter die Deutsche Bank, WestLB, HSBC, UBS und Credit Suisse.
Welche Anlagen vom Libor-Skandal betroffen sind
Unternehmen haben eher zu niedrige Zinsen für Kredite bezahlt, Aktionäre also über höhere Gewinne ihrer Firmen profitiert.
Variabel verzinste Papiere sind in der Regel an den Euribor oder Libor gekoppelt, Anleger haben deshalb bei diesen Papieren zu wenig Zins kassiert.
Insbesondere Geldmarkt- und Rentenfonds haben weniger eingebracht.
Betroffen sind Papiere, die sich direkt auf Euribor/Libor beziehen, sowie weitere Papiere über Rückkoppelungseffekte.
Hausfeld wirft den Instituten vor, sich in wettbewerbsschädlicher Art abgesprochen zu haben, um den Libor zu beeinflussen und damit institutionelle Anleger und die Stadt Baltimore mit geschädigt zu haben. Dabei hätten die Banken gegen Rohstoffbörsengesetze und das US-Kartellgesetz verstoßen. „Wenn wir nachweisen können, dass es eine Verschwörung gegeben hat, dann müssen wir nicht einmal jede einzelne der 20 Banken überführen“, sagt er.
Hausfeld zählt zu den berühmtesten Anwälten Amerikas. Er ist jüdischer Abstammung, seine Eltern überlebten den Holocaust. Das hat ihn geprägt. Er ist seit Ende der Neunzigerjahre in Deutschland gefürchtet, weil er der Bundesregierung und der deutschen Industrie gemeinsam mit anderen Anwälten einen Entschädigungsfonds in Höhe von umgerechnet rund fünf Milliarden Euro für jüdische Zwangsarbeiter während der Nazizeit abtrotzte.
In einem zweiten spektakulären Fall verklagte er Schweizer Banken, die im Zweiten Weltkrieg das Vermögen jüdischer Flüchtlinge unterschlagen hatten. Dabei übte er so lange Druck auf die Institute aus, bis Credit Suisse und UBS schließlich mit den Holocaust-Sammelklägern einen Vergleich über 1,25 Milliarden Dollar schlossen.
Lange Erfolgsliste
Hausfelds Erfolgsliste ist lang. Er gewann gegen den Ölkonzern Texaco, den er wegen Rassendiskriminierung vor Gericht zerrte, er vertrat Opfer des südafrikanischen Apartheidregimes gegen Konzerne. Ebenso vertrat er die Ureinwohner Alaskas, die durch den verunglückten Öltanker Exxon Valdez 1989 geschädigt wurden.
Die wichtigsten Antworten zum Libor-Skandal
Der einmal täglich in London ermittelte Libor zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Der Zinssatz beruht allerdings auf den - von außen bislang kaum nachprüfbaren - Angaben der Institute.
Mehr als ein Dutzend Großbanken soll in den Jahren 2005 bis 2009 internationale Referenzzinssätze wie den Libor zu ihren Gunsten manipuliert haben. Die Ermittler vermuten, dass die Banken vor allem auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 viel zu niedrige Angaben zu den Zinsen gemacht haben, um ihre tatsächlichen Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreichen. Das wäre ein lukratives Geschäft, denn allein auf dem Libor beruhen weltweit Finanztransaktionen im Volumen von über 500 Billionen Euro.
Seit Monaten werden Geldhäuser in den USA, Europa und Japan durchleuchtet. Auf der Liste stehen viele namhafte Banken - darunter Citi, JP Morgan, HSBC, Credit Suisse, UBS und RBS. Alle Institute haben erklärt, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Wer am Ende vom Kronzeugenstatus profitieren könnte, ist offen.
Die Deutsche Bank ist mit einer Sonderprüfung der deutschen Finanzaufsicht BaFin konfrontiert, deren Ergebnisse noch ausstehen. Deutschlands größtes Geldhaus verneint nach einer internen Untersuchung jegliche Mitverantwortung der Führungsspitze beim Libor-Skandal. Sie erklärte, die Vergehen seien das Werk einzelner Mitarbeiter. Einige sind nach Angaben aus Bankkreisen bereits suspendiert.
Das lässt sich am Beispiel der britischen Großbank Barclays erahnen. Sie hatte als erste Bank Fehler eingeräumt und fast eine halbe Milliarde Dollar Strafe an die Regulierer abgedrückt. Damit ist das Kapitel aber nicht abgeschlossen, denn inzwischen läuft in Großbritannien gegen Barclays der erste Schadenersatzprozess von Investoren an, die sich getäuscht fühlen.
Solche Prozesse können sehr teuer werden und sind daher ein unberechenbares Risiko für die Banken, wie die Ratingagentur Moody's unlängst warnte. Sie droht den von den Ermittlungen betroffenen Banken mit baldigen Herabstufungen. Juristen weisen umgekehrt jedoch auch darauf hin, dass es für Anleger schwer sein dürfte, einen entstandenen Schaden nachzuweisen - erst recht, wenn die Referenzzinssätze nach unten manipuliert wurden.
Darüber, wie das Libor-System als Lehre aus dem Skandal reformiert werden könnte, wird noch intensiv diskutiert - das Ergebnis ist offen.
Ob es im Fall der Libor-Klagen zum Prozess kommt, ist unklar. Kurz vor Ostern entschied die New Yorker Richterin Naomi Reice Buchwald, dass sie einen großen Teil der Libor-Sammelklagen nicht zulassen will. Sie wies das Argument der Kläger, die Banken hätten ein Kartell gebildet und organisierte Kriminalität betrieben, ab. Die Beweislast, so Reice Buchwald, sei für private Kläger größer als für Aufsichtsbehörden, an die die betroffenen Banken schon Strafgelder in Milliardenhöhe zahlen mussten. Das ist zwar ein Teilerfolg für die Banken, aber nicht das Ende: Die Kläger können in die Berufung gehen und werden das wohl auch tun. Sammelklagen werden meist durch außergerichtliche Einigung beendet. „Vernünftige Leute suchen nach einer vernünftigen Lösung“, sagt Hausfeld, der genau weiß, wie er politische Drohkulissen aufbauen muss, um lukrative Vergleiche zu erzwingen.
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