Libor-Skandal und Co. Knallhart und gewieft - Bankenjäger räumen auf

Die juristische Aufarbeitung des Fehlverhaltens vieler Finanzinstitute läuft. An der Spitze der Ermittler stehen absolute Ausnahmeerscheinungen: aggressive Staatsanwälte, Aufseher und gewiefte Superanwälte. Ihre Methoden sind außergewöhnlich.

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Jetzt nimmt auch die Bundesbank die Deutsche Bank aufs Korn. Inspektoren der Aufsicht machen sich in dieser Woche auf den Weg nach New York, um schweren Anschuldigungen gegen das Institut nachzugehen. Bis zu zwölf Milliarden Dollar Verluste, so ehemalige Mitarbeiter, könnte die Bank durch Falschbewertungen von Derivaten während der Finanzkrise 2008 versteckt haben. Hätte sie diese korrekt bilanziert, hätte sie wohl Staatshilfen in Anspruch nehmen müssen.

Die Vorwürfe sind nicht neu, die Deutschbanker sind schon seit Monaten im Visier der US-Börsenaufsicht SEC. Die Bank hält die Anschuldigungen für „vollkommen unbegründet“ und stützt sich dabei auf die Überprüfung durch eine Anwaltskanzlei. Doch die Ermittler bleiben hartnäckig. Nachdem sie Entstehung und Zuspitzung der Finanzkrise 2007 verschlafen haben, wollen sie sich nicht noch einmal Fehlverhalten vorwerfen lassen.

Strafe und Wiedergutmachung

Nicht nur gegen das größte deutsche Geldinstitut wird ermittelt. Aufsichtsgremien und Kanzleien kämpfen an vielen Fronten darum, die Vergehen und Tricksereien der Banken zu bestrafen und Wiedergutmachung zu erreichen. Die führenden Köpfe sind außerhalb des Geldgewerbes kaum bekannt: Staatsanwälte, Behördenchefs und Star-Advokaten in New York, London, Frankfurt und München machen gemeinsam Jagd auf die Finanzelite.

Ihre Methoden unterscheiden sich extrem von denen ihrer Vorgänger vor 2008, als die Institute der Wall Street, der Londoner City oder des Frankfurter Bankenviertels die Welt in die größte Wirtschaftskrise seit dem Krieg stürzten. Ihr Antrieb, die Manipulateure, Verdunkler und Finanzbetrüger zur Verantwortung zu ziehen, hat ganz unterschiedliche Ursachen: Ein Top-US-Regulierer war früher selbst Star-Analyst und Verfechter eines deregulierten Finanzmarktes. Heute fordert er höhere Geldstrafen und Gefängnis für Finanzbetrüger.

Spektakuläre Urteile gegen Anlagebetrüger

Die Erfolge der Bankenjäger sind zwiespältig. Zu den Highlights zählen die elf Jahre Gefängnis für eine Wall-Street-Größe wegen notorischen Insiderhandels und die 74-Millionen-Dollar-Strafe gegen die Schweizer Privatbank Wegelin & Co wegen Steuerhinterziehung in den USA. Die Bank musste daraufhin schließen. Deutsche Anwälte verfolgen Finanzbetrüger eher leise, aber nicht weniger konsequent – wie es etwa die Deutsche Bank bei Zinswetten zu spüren bekam.

Umstritten dagegen sind die Deals, die die Verfolger mit Banken geschlossen haben. Die britische Bank HSBC etwa musste vor Kurzem 1,9 Milliarden Dollar Strafe wegen Geldwäsche bezahlen. Das entspricht nur neun Prozent des Gewinns für 2012. Dafür entgingen die Manager einer Strafverfolgung. „Too big to fail, too big to jail“, erklärte US-Generalbundesanwalt Holder den Deal. Europas größte Bank strafrechtlich zu verfolgen hätte negative Folgen für die gesamte Wirtschaft. Für die Bankenjäger ist dies kein Grund, aufzugeben. Wir stellen die wichtigsten Köpfe vor. Als erstes: Hedgefondsjäger Preetinder Singh Bharara.

Der Top-Cop: Preetinder Singh Bharara

Preetinder Singh Bharara, 44 - US-Staatsanwalt: Hedgefonds-Jäger und Kämpfer gegen Insiderhandel und Börsenbetrug Quelle: dpa

Diese Worte klingeln Preet Bharara heute noch in den Ohren. Mit gewohnt rauchig-kratziger Stimme kündigte der US-Rockstar Bruce Springsteen bei einem Konzert in der US-Stadt Hartford im vergangenen Herbst seinen nächsten Song mit den Worten an: „Dieses Lied ist für Preet Bharara.“

Preet, wer? Den Namen kennt kein Mensch in der amerikanischen Provinz. Der Text des Songs ließ die Ahnungslosen im Publikum aufhorchen und den Staatsanwalt, der mit seinem Sohn im Publikum saß, vor Stolz fast platzen. Welcher Rockstar widmet schon einem Staatsanwalt einen Song, um ihn für seine hartnäckige Jagd auf Betrüger an der Wall Street zu loben? „Schickt die Räuberbarone direkt in die Hölle, die gierigen Diebe, die sich in unserer Stadt herumtreiben, alles Fleisch auffressen, was sie finden können, deren Verbrechen unbestraft bleiben, die als freie Männer rumlaufen“, schmetterte der Alt-Rocker ins Mikrofon. „Zum ersten Mal fand mein Sohn seinen Vater richtig cool“, freute sich Springsteen-Fan Bharara.

Bharara, in Indien geboren, als Kleinkind mit seinen Eltern in die USA ausgewandert, ist Staatsanwalt im südlichen Stadtbezirk von New York City und damit nicht nur für die Verfolgung gemeiner Krimineller in Manhattan zuständig. Er jagt auch die, die an der Wall Street ihr Unwesen treiben: Banker, Hedgefonds, Broker. Als „Top-Cop der Wall Street“ gilt der 44-Jährige. Gefürchtet ist er wegen seiner knallharten Ermittlungsmethoden an der berühmten Straße im Finanzdistrikt von Manhattan. Um Beweise zu sammeln, wies er seine 230 Ermittler an, Telefone abzuhören und Gespräche von Verdächtigen mitzuschneiden. Das sind Methoden, die sonst nur bei Mafiabanden oder Drogenschmugglern zum Einsatz kommen.

Zwölf prominente "Verzocker"
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Nelson Bunker Hunt; Herbert William Hunt
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Hedgefondsmillionär Raj Rajaratnam überführte er so des Insiderhandels. Der Börsenstar landete 2011 für elf Jahre hinter Gitter. Im selben Fall klagte er Ex-Goldman-Sachs-Manager Rajat Gupta an, der 2012 für zwei Jahre ins Gefängnis kam. Er hoffe, sagte Bharara nach der Urteilsverkündung voller Genugtuung, diese Strafen seien eine Warnung an Wall Street.

Unglaublich dreist

Die Finanzkrise 2008 ist für Bharara längst noch kein abgeschlossenes Kapitel. Im Herbst 2012 verklagte der 44-Jährige die Bank of America, weil sie wissentlich faule Kredite an die Hypotheken-Vergeber Fannie Mae und Freddie Mac verkauft und damit dort einen Verlust in Höhe von einer Milliarde Dollar verursacht habe. „Das betrügerische Verhalten, das wir in der heutigen Klage aufführen, war in seinem Ausmaß unglaublich dreist“, sagt Bharara.

Mit ähnlich harschen Worten zog er auch die Deutsche Bank wegen ihres Geschäftsgebarens vor der Finanzkrise vor den Kadi. Er bezichtigte die Banker der „Lüge, des Betruges und der Rücksichtslosigkeit“, weil sie sich über ihre US-Tochter Mortgage IT Garantien der US-Regierung für Hypothekenkredite erschlichen haben sollen. Von der Deutschen Bank kassierte er in einem Vergleich 500 Millionen Dollar.

Was Bharara antreibt, ist sein unerschütterliche Glaube ans Gesetz. Es sei ein außerordentliches Privileg, diesen Job ausführen zu dürfen, sagte der Harvard-Absolvent, als ihn US-Präsident Obama im August 2009 für den Job auswählte. Bharara gilt als aggressiv und hartnäckig. Über 60 Festnahmen wegen Insiderhandels und Aktienbetrugs gehen auf sein Konto. Seine Jagd auf Banker brachte drei Milliarden Dollar an Strafgeldern in 2012 ein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Eric Schneiderman, Generalstaatsanwalt von New York.

Der Hartnäckige: Eric Schneiderman

Eric Schneiderman, 58 (links) - Generalstaatsanwalt von New York: Klagt gegen Banken und Ratingagenturen Quelle: Creative Commons-Lizenz

Doug Peterson spricht mit ernster, gedämpfter Stimme. Die positive Bewertung von Anleihen kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 habe auf Marktdaten beruht, die allen anderen auch vorlagen, sagte der Präsident der Ratingagentur Standard & Poor’s in einer Videobotschaft vor wenigen Wochen. „Diese Ratings waren falsch, und das bedauere ich zutiefst“, gab er reumütig zu. Bewusst falsch bewertet habe Standard & Poor’s die Papiere aber nicht. Niemand könne das nachweisen.

Wenn sich der Chef der amerikanischen Top-Ratingagentur per Video an die Öffentlichkeit wendet, dann ist die Lage ernst. Eric Schneiderman, der mächtige Generalstaatsanwalt des Bundesstaates New York, hat sich die Bonitätskontrolleure vorgeknöpft. Anfang Februar rollte Schneiderman ein altes Verfahren gegen die zwei Ratingagenturen Standard & Poor’s und Fitch neu auf.

Die hatten sich in einem Vergleich mit US-Aufsichtsbehörden im Jahr 2008 geeinigt. Die Behörden verzichteten auf eine Klage gegen die Bonitätskontrolleure, die noch kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise Bestnoten für Anleihen auf minderwertige Hypotheken vergeben hatten, die sich dann als Schrottpapiere herausstellten. Im Gegenzug sollten die Unternehmen ihre internen Kontrollen verbessern und Einblicke in die Bewertungsmethoden gewähren.

Glossar Rating-Deutsch

Genau das sei nicht geschehen, wirft Schneiderman den Ratingagenturen nun knallhart vor. Hartnäckig wie kaum ein anderer Staatsanwalt in den USA, ist der 58-Jährige hinter denjenigen her, die aus seiner Sicht mit ihrem Geschäftsgebaren am Ausbruch der Finanzkrise mitverantwortlich sind.

Schneiderman leitet eine von US-Präsident Barack Obama 2012 eingesetzte Arbeitsgruppe aus Vertretern verschiedener US-Aufsichtsbehörden, die die Geschäftsmethoden der Banken bei hypothekenbesicherten Anleihen untersuchen. Gegen zig Institute hat er Anklage erhoben, unter anderem JP Morgan Chase, Bank of America und Wells Fargo.

Auf JP Morgan hat es der drahtige New Yorker, aufgewachsen an der wohlhabenden Upper West Side in Manhattan, besonders abgesehen. Gegen den US-Giganten rollte er vor einigen Monaten ebenfalls ein neues Verfahren auf.

Schneiderman gegen JP Morgan

Obwohl es 2011 einen Vergleich wegen fauler Hypothekenanleihen mit der Bank über 92 Millionen Dollar gab, klagt nun Schneiderman erneut gegen JP Morgan. Irreführende Angaben beim Verkauf von Hypothekenanleihen wirft er dem Institut vor. In derselben Sache klagte Schneiderman im November 2012 auch die Schweizer Bank Credit Suisse an.

Seit Ende 2010 wacht der Harvard-Absolvent und Ex-Senator für den Bundesstaat New York über Banker und Broker. Nachdem sich der Demokrat im Sommer 2011 weigerte, einem Kompromiss im Skandal um Zwangsräumungen von Häusern überschuldeter Eigentümer zwischen US-Aufsichtsbehörden und Banken zuzustimmen, ist er im ganzen Land berühmt. Schneiderman hatte Bedenken, dass in dem 25-Milliarden-Dollar-Vergleich mit Bank of America, JP Morgan Chase, Wells Fargo, Citi Group und Ally Financial der Schutz der Banken vor weiterer Strafverfolgung zu weit gehen könnte. Letztlich entschieden die Aufsichtsbehörden ohne ihn über den Kompromiss.

Seitdem gilt Schneiderman als unerschrockener Kämpfer für Recht und Ordnung an der Wall Street. Er kämpfe dafür, das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen, sagt der Yoga-Enthusiast. „Wir müssen dafür sorgen, dass Kleinanleger wieder sicher sein können, dass der Aktienmarkt nicht ein Klüngelnetzwerk von Insidern ist. Anleger müssen einem Triple-A-Rating einer Ratingagentur trauen können“, fordert er.

Ein altes Gesetz, das nur im Bundesstaat New York gilt, gibt Schneiderman dazu mehr Macht als allen anderen Staatsanwälten in den USA: das Martin-Gesetz aus dem Jahr 1921. Danach muss in New York bei einer Klage nicht Vorsatz nachgewiesen werden, Fahrlässigkeit reicht als Klagegrund aus. „Es werden weitere Klagen kommen“, kündigte Schneiderman nach der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Ratingagentur Standard & Poor’s an.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Deborah Sturman, US-Anwältin und Expertin für Sammelklagen.

Die Sammelklagenspezialistin: Deborah Sturman

Deborah Sturman, 56 - US-Anwältin: Vertritt institutionelle Anleger bei Schadensersatz- und Aktionärsklagen Quelle: Privat

Der Kampf gegen Betrug und Unrecht zieht sich wie ein roter Faden durch die Anwaltskarriere von Deborah Sturman. „Ich vertrete immer diejenigen, die betrogen wurden, denen Schaden zugefügt wurde“, sagt die 56-jährige Amerikanerin. Diesem Prinzip bleibt sie auch bei ihrem jüngsten Projekt treu. Die Anwältin klagt für Klienten gegen die Banken, die im Verdacht stehen, Referenzzinssätze wie den Libor manipuliert zu haben. Einer der Kläger, die Sturman vertritt, ist die Metzler Investment GmbH – eine Fondsgesellschaft des Frankfurter Bankhauses Metzler. Die Anlagegesellschaft hat sich einer Sammelklage gegen die Deutsche Bank und andere Banken angeschlossen, weil ihre Fonds Produkte enthielten, die an den Libor gekoppelt waren.

Die US-Expertin für Sammelklagen, die fließend Deutsch, Flämisch und Französisch spricht, besetzt eine lukrative Nische: Sie hat sich auf Schadensersatz- und Aktionärsklagen spezialisiert. Anwälte können in den USA dafür Gebühren einstreichen, die bis zu 30 Prozent der Schadenssumme betragen, gehen allerdings leer aus, wenn sie den Fall nicht gewinnen oder einen Vergleich erzielen.

Die Amerikanerin vertritt überwiegend Klienten aus Europa. Ihre Kanzlei Sturman LLC mit Sitz in New York, die acht Anwälte beschäftigt, hat auch ein Büro in Wien.

Alpha-Tiere im Visier
Josef Ackermann, November 2006ehemals Vorstandschef Deutsche BankDer Fall: Bei der Mannesmann-Übernahme 2000 durch Vodafone segnete der Aufsichtsrat 60 Millionen Mark Extra-Prämien und Abfindungen für Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser und weitere Manager ab.Die Folgen: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhob Anklage wegen schwerer Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu. Nachdem der BGH die erstinstanzlichen Freisprüche kassiert hatte, stellte das Landgericht Düsseldorf 2006 gegen Geldauflagen die Verfahren ein. Ackermann zahlte 3,2 Millionen Euro, Esser 1,5 Millionen, Ex-Aufsichtsratschef Joachim Funk eine Million und Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel 60.000 Euro. Quelle: dpa
Klaus Zumwinkel, Januar 2009Ex-Vorstandschef Deutsche PostDer Fall: Steuerhinterziehung in Höhe von einer Million Euro.Die Folgen: Gegen Hinterlegung von vier Millionen Euro entging Zumwinkel der U-Haft. Das Landgericht Bochum verurteilte ihn 2009 zu zwei Jahren auf Bewährung und zu einer Geldauflage von einer Million Euro. Quelle: dpa
Heinrich von Pierer, März 2010Ehemals Siemens-VorstandschefDer Fall: Siemens hatte von 1999 bis 2006 rund 1,3 Milliarden Euro Schmiergeld für Auslandsgeschäfte gezahlt und heimlich die Betriebsräteorganisation AUB finanziert.Die Folgen: Von Pierer zahlte 2010 ohne Schuldeingeständnis 250.000 Euro Geldauflage, weil er laut Staatsanwaltschaft München seine Aufsichtspflicht fahrlässig verletzt hatte. Andere Manager erhielten Bewährungsstrafen, zahlten Millionenbußgelder und saßen in U-Haft – Ex-AUB-Chef Wilhelm Schelky zwei Jahre und vier Monate. Quelle: dapd
Stefan Ortseifen, Januar 2010Ehemaliger Vorstandschef der IKB-BankDer Fall: Die Bank machte mit US-Subprime- Papieren desaströse Verluste.Ortseifen hatte behauptet, sie sei kaum betroffen.Die Folgen: Das Landgericht Düsseldorf verurteilte Ortseifen 2010 wegen vorsätzlicher Marktmanipulation zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und zu 100.000 Euro Geldbuße. Quelle: dpa
Johann-Friedrich Haun (mitte), Dezember 2011 (Archivbild)Ehemals Vorstand bei FerrostaalDer Fall: Ferrostaal hatte bei U-Boot-Deals im Ausland mit rund 62 Millionen Euro geschmiert.Die Folgen: Rüstungsmanager Haun saß mehrere Monate in U-Haft. Im Dezember 2011 verurteilte das Landgericht München ihn wegen Bestechung zu je zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu Geldauflagen. Ferrostaal zahlte 140 Millionen Euro Geldbuße. Gegen Ex-Vorstandschef Matthias Mitscherlich, der die Vorwürfe zurückweist, laufen Ermittlungen. Quelle: dpa
Gerhard Gribkowsky, Juni 2012Ehemals Risikovorstand der BayernLBDer Fall: Als die BayernLB 2005 ihre Formel-1-Anteile für 840 Millionen Dollar an den von Bernie Ecclestone präferierten Investmentfond CVC Capital Partners verkaufte, kassierte Gribkowsky verdeckt 44 Millionen Euro.Die Folgen: Wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung verurteilte das Landgericht München Gribkowsky im Juni zu achteinhalb Jahren Haft. Sein Vermögen von geschätzt 25 Millionen Euro wird als Schadensersatz verwertet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Ecclestone, der die Vorwürfe bestreitet, wegen Bestechung. Von ihm fordert die BayernLB gut 300 Millionen Euro, weil sie laut Gribkowsky für die Formel-1-Anteile deutlich mehr hätte erlösen können. Quelle: REUTERS
Anton Weinmann, September 2012Ehemals Vorstandschef MAN-NutzfahrzeugeDer Fall: MAN zahlte von 2002 bis 2009 im Vertrieb Millionenschmiergelder.Die Folgen: Zehn Monate Haft auf Bewährung und 100.000 Euro Geldauflage für Weinmann. Gegen Ex-MAN-Chef Håkan Samuelsson und Ex-Finanzchef Karlheinz Hornung, die eine Schuld bestreiten, wird wegen Beihilfe zur Bestechung ermittelt. Quelle: dpa

Besondere Beziehung zu Deutschland

Denn Sturman ist eine Wanderin zwischen vielen Welten, beruflich und privat, mit einer ganz besonderen Beziehung zu Deutschland und zur klassischen Musik. Nach Europa kam die damals 17-Jährige in den Siebzigerjahren der Musik wegen: Die Waldhornspielerin ließ sich in Brüssel ausbilden, wurde später Solistin in Antwerpen, zog 1979 zum WDR-Rundfunkorchester nach Köln und heiratete einen deutschen Juden.

Sie lebte mehrere Jahre in Deutschland, wo die Musikerin nebenbei begann, sich für Menschen zu engagieren, die in der DDR enteignet worden waren.

Sie entschloss sich nach der Geburt ihrer Tochter zur Rückkehr in die USA. Sie studierte Jura an der School of Law der University of California und war in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre wie ihr Kollege Michael Hausfeld an den Sammelklagen der NS-Zwangsarbeiter gegen die deutsche Wirtschaft sowie gegen die Schweizer Banken beteiligt. Später vertrat sie Aktionäre – etwa gegen den holländischen Einzelhandelskonzern Ahold wegen einer Bilanzfälschungsaffäre. Die Sammelklage endete mit einem Vergleich, der Ahold über eine Milliarde Dollar kostete.

Als Bankenjägerin erlitt Sturman auch Niederlagen – etwa bei einer Klage gegen Goldman Sachs, in der es um Missmanagement bei CDOs ging. Die Klage wurde aus prozessrechtlichen Gründen nicht zugelassen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Mary Jo White, designierte SEC-Chefin.

Die Terroristenjägerin: Mary Jo White

Mary Jo White, 65 - Designierte SEC-Chefin: Verteidigte als Anwältin Banker, soll jetzt die Wall Street reformieren Quelle: REUTERS

Mary Jo White hat ihren neuen Job noch nicht angetreten, da geht das Gemaule schon los. Die designierte Chefin der US-Börsenaufsicht SEC verfüge nicht über das notwendige Detailwissen im Finanzmarkt, behaupten Wall-Street-Vertreter. Bankenkritiker wie die demokratische Senatorin Elizabeth Warren wiederum bezweifeln, ob White genug Härte bei der Regulierung der Märkte an den Tag legen könne. Immerhin hatte sie in den vergangenen Jahren bei der New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton gearbeitet und Wall-Street-Größen wie den früheren Chef der Bank of America, Kenneth Lewis, oder Vorstandsmitglieder des US-Finanzgiganten JP Morgan vertreten.

Dass US-Präsident Barack Obama die 65-Jährige als neue Chefin der US-Börsenaufsicht benannte, ist ungewöhnlich. Top-Regulierer werden in den USA üblicherweise von renommierten Universitäten rekrutiert, wo sich diese als Finanzmarktexperten einen Namen gemacht haben. Häufig kommen Raj Rajaratnamsie auch direkt von der Wall Street. White ist studierte Psychologin und Juristin. Jahrzehntelang arbeitete sie als Strafverfolgerin und Verteidigerin. Als erste Staatsanwältin in Manhattan war sie die leitende Anklägerin im Prozess gegen die Bombenattentäter auf das World Trade Center in den Neunzigerjahren und führte die Ermittlungen gegen Terroristenführer Osama bin Laden.

US-Haushaltsstreit: Darauf haben sich die Parteien geeinigt
Amerikaner mit einem Jahreseinkommen von mehr als 400.000 Dollar (302.000 Euro) und Paare mit mehr als 450.000 Dollar Einkommen müssen künftig mehr Steuern zahlen. Der Spitzensatz steigt von 35 auf 39,6 Prozent. Auf Kapitalerträge und Dividenden müssen Großverdiener künftig 20 statt 15 Prozent abführen. US-Präsident Barack Obama wollte eigentlich Haushaltseinkommen von mehr als 250.000 Dollar höher besteuern, die Republikaner wollten gar keine Anhebungen. Quelle: dapd
Für alle anderen Einkommensgruppen werden die vor einem Jahrzehnt befristet gesenkten Steuersätze dauerhaft festgeschrieben. Dies war das erklärte Ziel beider Parteien, beide wollen Steuererhöhungen für die Mittelschicht vermeiden. Quelle: REUTERS
Allerdings fällt die vor zwei Jahren eingeführte temporäre Senkung der Sozialabgaben um zwei Prozentpunkte weg. Damit fehlen einer Durchschnittsfamilie rund 1000 Dollar pro Jahr. Quelle: rtr
Großverdiener wie oben definiert müssen auf eine Erbschaft von über 5 Millionen Dollar künftig 40 Prozent Steuern zahlen. Bislang lag der Satz bei 35 Prozent. Obama wollte, dass Erbschaften mit einem Wert von über 3,5 Millionen Dollar mit 45 Prozent besteuert werden. Quelle: dpa
Die zum Jahreswechsel gesetzlich vorgesehenen automatischen Haushaltskürzungen nach dem Rasenmäherprinzip, die niemand wirklich wollte, werden um zwei Monate verschoben. Als Ausgleich muss aber für diese Zeit zielgerichtet gespart werden. Höhere Steuereinnahmen dürfen dabei aufgerechnet werden, um die Kürzungen kleiner zu halten. Quelle: dpa
Alle Bundesbeamte und Kongressangehörigen müssen wie schon in den vergangenen Jahren auf Gehaltserhöhungen verzichten. Obama hatte diese Einkommenssperre gerade erst aufgehoben. Quelle: rtr
Arbeitslose erhalten weiterhin für einen verlängerten Zeitraum staatliche Zahlungen. Damit werden zwei Millionen Amerikaner ohne Job davor bewahrt, mit dem Neujahrstag die Unterstützung zu verlieren. Quelle: dpa

Als Chefaufseherin über die Börse muss White nun die Finanzmarktreform vorantreiben, die Obama nach der Finanzkrise beschlossen hatte. Wichtige Teile des Mammutgesetzes, wie etwa die Volcker-Regel, die Banken das Zocken auf eigene Rechnung verbietet, sind immer noch nicht umgesetzt. Immer wieder grätschte die Finanzlobby dazwischen, forderte bis heute Änderungen.

Der Finanzlobby Paroli bieten

White scheint über die richtigen Charaktereigenschaften zu verfügen, um der Finanzlobby Paroli bieten zu können. Sie gilt als aggressive, unabhängige Anwältin, die von sich selbst sagt, sie lasse sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Obama wählte sie vor allem wegen dieser Eigenschaften als neue Chefaufseherin über die Wall Street. „Es reicht nicht, die Gesetze zur Kontrolle der Wall Street zu ändern“, sagte Obama, als er White Mitte Januar vorstellte. „Wir brauchen Polizisten, die das Gesetz auch durchsetzen.“ Der US-Senat muss der Nominierung von White noch zustimmen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Gary Gensler, CFTC-Chef, der Barclays wegen Zinsmanipulationen im Libor-Skandal überführte.

Der Ex-Investmentbanker: Gary Gensler

Gary Gensler, 55 - CFTC-Chef: Überführte Barclays wegen Zinsmanipulationen im Libor-Skandal Quelle: REUTERS

Kritisiert ein Amerikaner die „City“, das Herz der britischen Finanzindustrie, dann kommt das einer Kriegserklärung gleich. Voller regulatorischer Schlupflöcher sei das britische Finanzsystem, polterte der Amerikaner Gary Gensler vor mehr als zwei Jahren. Die Risiken, die britische Banken eingingen, landeten früher oder später auch an der Wall Street, schimpfte Gensler, Chef der amerikanischen Aufsichtsbehörde für börsengehandelte Termingeschäfte über London.

The City was not amused. John Mann, Finanzexperte der britischen Labour-Partei, sprach von einer konzertierten Aktion der US-Regierung, die versuche, den Handel von London nach New York zu holen. Dabei kursierten schon seit Jahren Gerüchte im Finanzmarkt, am Referenzzinssatz Libor, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen, werde manipuliert. Nur die amerikanische Aufsichtsbehörde nahm Untersuchungen auf. Genslers Team in Washington quälte sich durch Tausende E-Mails, hörte mitgeschnittene Telefonate jenseits und diesseits des Atlantiks ab.

Was den Libor so wichtig macht

Dann der Triumph im Juni 2012: Gensler verkündet im US-Fernsehen, seine amerikanische Behörde habe die britische Großbank Barclays bei der Manipulation des Libor überführt, deshalb müsse sie jetzt fast eine halbe Milliarde Dollar Strafe zahlen. „Wir sind alle Opfer“, sagte Gensler in die Kameras. „Diese Zinssätze sind das Herz unseres globalen Finanzsystems. Sind die manipuliert, dann bedroht das die Integrität des Marktes.“

Gegen ein Dutzend Banken ermitteln inzwischen US-Behörden, die britische Finanzaufsicht FSA und EU-Regulierer gemeinsam in dieser Sache. Außer Barclays zahlte die Royal Bank of Scotland eine Millionenstrafe, die UBS musste 1,5 Milliarden Dollar zahlen. Da werde noch mehr kommen, kündigte Gensler an.

US-Präsident Barack Obama holte den Amerikaner 2009 an die Spitze der Behörde in Washington. Seitdem Gensler die Aufsichtsbehörde leite, sei sie aus dem Dornröschenschlaf erwacht, heißt es in Washington. „Die CFTC war ein zahnloser Regulierer“, sagt der demokratische US-Politiker Barney Frank. „Seit Gensler dort ist, geht er aggressiv gegen Verstöße am Finanzmarkt vor.“ Knapp 300 Millionen Dollar an Strafgeldern sammelte die Behörde in 2012 ein – mehr als je zuvor.

Der schlanke Langstreckenläufer will offenbar die Sünden seiner Vergangenheit wiedergutmachen. Denn ein eiserner Verfechter eines regulierten Finanzmarktes war Gensler nicht immer. Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen als Sohn eines Verkaufsautomatenverkäufers, galt Gensler schon als Kind als Mathematik-Ass. Er studierte Wirtschaft an der renommierten Wharton School of Business an der Universität von Pennsylvania und heuerte bei der Investmentbank Goldman Sachs an. Die ernannte den jungen Mann mit gerade einmal 30 Jahren zum Partner. Gensler war über 18 Jahre lang einer der Star-Investmentbanker des Finanzinstitutes.

Peinliche Pleite

Danach, Ende der Neunzigerjahre, wechselte der heute 55-Jährige in die Politik. Unter Ex-US-Präsident Bill Clinton war Gensler stellvertretender Finanzminister und setzte damals noch eine umfassende Deregulierung des Derivatemarktes durch. Ein Fehler, wie er heute bekennt. Besonders peinlich war für Gensler die Pleite des Brokers MF Global in 2011, den Ex-Goldman-Sachs-Chef Jon Corzine in den Abgrund geführt hatte. Genslers Behörde hatte nicht gemerkt, dass etwas schieflief bei dem Broker, der Millionen an Investorengeldern abgezweigt haben soll, um den eigenen Handel zu stützen, als die Geschäfte schon sehr schlecht liefen. Gensler zog sich wegen der gemeinsamen Zeit mit Corzine bei Goldman aus den Ermittlungen zurück.

Die Aufsicht über Broker, vor allem wie diese mit Kundengeldern umgehen, hat er seitdem verstärkt. Seine Behörde setzte im vergangenen Jahr 74 Prozent mehr neue Vorschriften für die Derivatemärkte um als im Jahr davor. Auch den Hochfrequenzhandel will Gensler stärker überwachen.

In London ist Gensler erneut auf Jagd. Dort hatte ein Händler der US-Großbank JP Morgan Chase mit einem hochspekulativen Geschäft im vergangenen Jahr Milliarden verzockt. JP-Morgan-Investment-Chefin Ina Drew musste gehen, nun gerät auch JP-Morgan-Chef Jamie Dimon ins Visier von Gensler. In Washington heißt es, die Schlinge um den sonst so gefeierten Star-Banker Dimon zöge sich zu. Der Bankenausschuss im US-Senat wirft Dimon grobe Aufsichtsfehler vor.

Genslers erste Amtszeit an der Spitze der US-Aufsichtsbehörde läuft im August 2014 ab. Noch hat sich der alleinerziehende Vater dreier Töchter im Teenageralter – seine Frau verstarb im Jahr 2006 – nicht entschieden, ob er weitermachen will. US-Präsident Obama soll ihn allerdings schon darum gebeten haben. Üblicherweise schlägt niemand eine solche Bitte des Präsidenten aus.

Lesen Sie weiter: Michael Hausfeld, im Libor- und Euribor-Skandal Kläger gegen 20 Banken.

Der Rächer der Entrechteten: Michael Hausfeld

Michael Hausfeld, 67 - US-Anwalt: Klagt wegen Libor- und Euribor-Manipulationen gegen 20 Banken Quelle: REUTERS

Michael Hausfeld hat eine samtweiche Stimme und ein Gespür für spektakuläre Prozesse. Jetzt knöpft sich der US-Staranwalt mit einem Faible für die Schwachen und Entrechteten dieser Welt die Banken vor. „Die Anzahl der Finanzskandale der vergangenen fünf bis zehn Jahre zeigt, dass hier ein Kulturwandel stattfand, der bewirkte, dass die Rechte von Kunden vernachlässigt wurden“, sagt der Experte für Sammelklagen.

Die Kanzlei des 67-Jährigen liegt auf der K-Street in Washington, wo sich die berühmtesten Lobbyisten der amerikanischen Hauptstadt befinden. Hausfeld ist zusammen mit einer kalifornischen Anwaltsfirma federführend bei der Sammelklage gegen rund 20 Institute, denen die Manipulation der beiden Leitzinssätze Libor und Euribor zur Last gelegt wird – darunter die Deutsche Bank, WestLB, HSBC, UBS und Credit Suisse.

Welche Anlagen vom Libor-Skandal betroffen sind

Hausfeld wirft den Instituten vor, sich in wettbewerbsschädlicher Art abgesprochen zu haben, um den Libor zu beeinflussen und damit institutionelle Anleger und die Stadt Baltimore mit geschädigt zu haben. Dabei hätten die Banken gegen Rohstoffbörsengesetze und das US-Kartellgesetz verstoßen. „Wenn wir nachweisen können, dass es eine Verschwörung gegeben hat, dann müssen wir nicht einmal jede einzelne der 20 Banken überführen“, sagt er.

Hausfeld zählt zu den berühmtesten Anwälten Amerikas. Er ist jüdischer Abstammung, seine Eltern überlebten den Holocaust. Das hat ihn geprägt. Er ist seit Ende der Neunzigerjahre in Deutschland gefürchtet, weil er der Bundesregierung und der deutschen Industrie gemeinsam mit anderen Anwälten einen Entschädigungsfonds in Höhe von umgerechnet rund fünf Milliarden Euro für jüdische Zwangsarbeiter während der Nazizeit abtrotzte.

In einem zweiten spektakulären Fall verklagte er Schweizer Banken, die im Zweiten Weltkrieg das Vermögen jüdischer Flüchtlinge unterschlagen hatten. Dabei übte er so lange Druck auf die Institute aus, bis Credit Suisse und UBS schließlich mit den Holocaust-Sammelklägern einen Vergleich über 1,25 Milliarden Dollar schlossen.

Lange Erfolgsliste

Hausfelds Erfolgsliste ist lang. Er gewann gegen den Ölkonzern Texaco, den er wegen Rassendiskriminierung vor Gericht zerrte, er vertrat Opfer des südafrikanischen Apartheidregimes gegen Konzerne. Ebenso vertrat er die Ureinwohner Alaskas, die durch den verunglückten Öltanker Exxon Valdez 1989 geschädigt wurden.

Die wichtigsten Antworten zum Libor-Skandal

Ob es im Fall der Libor-Klagen zum Prozess kommt, ist unklar. Kurz vor Ostern entschied die New Yorker Richterin Naomi Reice Buchwald, dass sie einen großen Teil der Libor-Sammelklagen nicht zulassen will. Sie wies das Argument der Kläger, die Banken hätten ein Kartell gebildet und organisierte Kriminalität betrieben, ab. Die Beweislast, so Reice Buchwald, sei für private Kläger größer als für Aufsichtsbehörden, an die die betroffenen Banken schon Strafgelder in Milliardenhöhe zahlen mussten. Das ist zwar ein Teilerfolg für die Banken, aber nicht das Ende: Die Kläger können in die Berufung gehen und werden das wohl auch tun. Sammelklagen werden meist durch außergerichtliche Einigung beendet. „Vernünftige Leute suchen nach einer vernünftigen Lösung“, sagt Hausfeld, der genau weiß, wie er politische Drohkulissen aufbauen muss, um lukrative Vergleiche zu erzwingen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Tracey McDermott, FCA-Chefermittlerin.

Die Unterschätzte: Tracey McDermott

Tracey McDermott, 44 - FCA-Chefermittlerin: Sorgte dafür, dass Barclays und Royal Bank of Scotland bluten mussten Quelle: Getty Images

Bis zum letzten Sommer war Bob Diamond, Chef der britischen Barclays Bank, einer der mächtigsten Banker in der Londoner City. Dass ausgerechnet Tracey McDermott, die unauffällige Chefermittlerin der britischen Finanzaufsicht, ihn zu Fall bringen würde, hätte sich der Amerikaner wohl nie träumen lassen. Sommersprossen, Brille, schulterlange Haare – McDermott sieht aus wie eine typische englische Hausfrau.

Doch der arrogante Multimillionär, der gerade erst zum Vorstandsvorsitzenden von Barclays ernannt worden war, verlor wegen der 44-Jährigen auf dem Zenit seiner Karriere seinen Job, nachdem McDermott seiner Bank jahrelange Manipulationen des Libor-Referenzzinses nachgewiesen hatte.

Auch Barclays-Aufsichtsratschef Marcus Agius und der Chef der Investmentbank, Jerry del Missier, mussten ihren Hut nehmen. Die Bank selbst wurde zu 450 Millionen Dollar Strafe an die britische Finanzaufsicht und die US-Terminmarktaufsicht verdonnert. Bluten musste auch die Royal Bank of Scotland mit 610 Millionen Dollar. Gegen ein Dutzend weiterer Banken ermittelt McDermott wegen Libor noch, darunter auch die Deutsche Bank.

So bedrohlich sind die größten Banken der Welt
Klasse 1 – UBS, Santander, Royal Bank of Scotland Quelle: AP
Klasse 1 – Morgan Stanley Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Standard Chartered Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Unicredit Quelle: dpa
Klasse 2 – Barclays Quelle: dpa
Klasse 2 – Wells Fargo Quelle: REUTERS
Klasse 2 – Industrial and Commercial Bank of China Quelle: REUTERS

McDermott ist heute Leiterin der Sanktionsabteilung bei der Behörde Financial Conduct Authority (FCA), die seit dem 1. April in Großbritannien für die Überwachung von Finanzprodukten zuständig ist – die bisherige Finanzaufsicht FSA (Financial Services Authority) wurde aufgelöst und in zwei Einheiten aufgespalten. Die Juristin leitete bei der FSA seit August 2012 die Abteilung für Finanzverbrechen.

"Ich streite mich ganz gerne"

Die Juristin hatte sich in der FSA von ganz unten nach oben gearbeitet, nachdem sie 2001 bei einer renommierten Anwaltskanzlei gekündigt hatte. Ihre Abteilung gehört mit 400 Mitarbeitern zu den größten in der Behörde. Hier tummeln sich Ex-Polizisten und ehemalige Banker, IT-Spezialisten und Anwälte. „Ich streite mich ganz gerne“, antwortete McDermott einmal, als sie gefragt wurde, warum sie die Konfrontation mit der Macho-Kultur in der Londoner City sucht. Eine Branche, die in der Lage sei, einer 94-Jährigen ein Finanzprodukt mit fünfjähriger Laufzeit aufzuschwatzen, müsse gebändigt werden. Und sie nennt die Vergehen beim Namen. „Was sich Barclays bei den Libor-Verstößen erlaubt hat, war mit das Schlimmste, das wir je gesehen haben“, sagt McDermott. Die Manipulationen seien angesichts der Relevanz des Referenzzinses alles andere als ein Kavaliersdelikt.

Wo McDermott hinlangt, greift sie hart durch. Mittlerweile sind wegen Insider-Verstößen aufgrund ihrer Ermittlungen 23 Männer und Frauen zu Gefängnis- oder hohen Geldstrafen verurteilt worden. Den prominenten US-Hedgefondsmanager David Einhorn und seinen Hedgefonds Greenlight Capital verdonnerte sie zu einer Strafe von umgerechnet 8,6 Millionen Euro, das war das zweithöchste Bußgeld, das die britische Finanzaufsicht jemals gegen eine Privatperson verhängte.

Die unerbittliche Aufseherin hat auch weiche Seiten. Ihre liebste Freizeitbeschäftigung sei es, mit ihren zwei Töchtern auf dem Spielplatz schaukeln zu gehen. Ein Mitglied des britischen Establishments war sie nie. Sie besuchte eine katholische Gesamtschule, bevor sie Jura studierte und sich auf Wirtschaftsrecht spezialisierte. „Mir tun die Bösewichte leid“, sagt ein ehemaliger Anwaltskollege über sie, „Tracey ist eine harte Nuss.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Jochen Weck, der für zinswettengeschädigte Mittelständler und Kommunen Schadensersatz erstreitet.

Der kühle Rechner: Jochen Weck

Diese Bosse schimpfen auf die Banker
Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG"Die Politik muss die Großbanken in kleine Teile, in Einzelteilen organisieren, deren mögliches Scheitern gefahrlos für die Volkswirtschaften wäre. Größe allein darf kein Freifahrtschein für einen unbekümmernden, rücksichtslosen Egoismus sein." Quelle: dpa
Frank Appel, Chef der Deutschen Post:„Ich halte es für falsch, dass bei der Regulierung der Finanzmärkte nur wenig passiert. Da werden noch immer Produkte angeboten und kreiert, die das Risiko erhöhen und die Stabilität gefährden, ohne einen wirklichen Mehrwert zu stiften.“ Quelle: dpa
Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI):„Banken sind kein Selbstzweck. Sie müssen sich wieder mehr als Dienstleister der Realwirtschaft verstehen. Auf keinen Fall darf das Kurzfristdenken wieder Oberwasser bekommen. Maßstab des Bankenhandelns sollten die langfristigen Wachstumsperspektiven der deutschen Volkswirtschaft sein.“ Quelle: dapd
Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm:„Die Bank muss der Diener der Realwirtschaft sein. Banken sind dazu da, die regionale Realwirtschaft zu unterstützen. Und nicht dazu, um mit einer Tochtergesellschaft in Irland mit Zertifikaten zu handeln.“ Quelle: dpa
Jürgen Heraeus, Aufsichtsratschef der Heraeus Holding und Vorsitzender von Unicef Deutschland:„Schauen Sie, wie mit großen Summen gegen Währungen einzelner Staaten spekuliert wird, ohne dass hinter diesen Geschäften irgendetwas an realen Werten steckt. Das ist nicht nur unglaublich. Das ist vor allem schädlich.“ Quelle: dapd
Franz Fehrenbach, Aufsichtsratschef der Robert Bosch GmbH:„Ist eine Bank der Meinung, die Finanzierung von Boni sei Unternehmenszweck, dann machen wir mit ihr keine Geschäfte mehr.“ Quelle: dapd
Wolfgang Schmitt, Chef des Pumpenherstellers KSB:„Es wäre sehr ärgerlich, wenn durch Probleme in der Finanzbranche nun zum zweiten Mal nach 2008 eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst würde.“ Quelle: dapd

Jochen Weck bevorzugt den leisen, unauffälligen Auftritt – anders als die extrovertierten Protagonisten der angelsächsischen Juristenzunft, die ihre Gegner von der Wall Street oder aus der Londoner City gern unter Mediengetöse vor den Kadi zerren. Trotzdem ist der Münchner Anwalt mit den grauen Koteletten und der randlosen Brille nicht minder gefährlich für die Banken, die er ins Visier nimmt.

Weck gilt als juristischer Pionier im Dschungel der strukturierten Finanzprodukte. Er hat die viel zitierte Weisheit „Richter rechnen nicht“ um eine Erkenntnis ergänzt: „Anwälte aber schon“. Mit dieser Methode konnte Weck für deutsche Städte, Gemeinden und Unternehmen zahlreiche Vergleiche oder Schadensersatz erstreiten. Seine Mandanten wie der Maschinenbauer Teamtechnik oder der Hygieneartikelhersteller Ille aus der hessischen Wetterau haben mit Zinswetten der Deutschen Bank viel Geld verloren. „Banken verschleiern diese Produkte als Zinsoptimierung, tatsächlich sind es Spekulationsgeschäfte“, sagt Weck. Teamtechnik verlor durch einen Zinsabsicherungsvertrag binnen zwei Wochen eine Million Euro.

Die Brennpunkte der Deutschen Bank
BerlinDas Verhältnis der Deutschen Bank zur Politik war unter Ackermann zwiespältig. Das soll nun vor allem Co-Chef Fitschen pflegen. Quelle: Reuters
FrankfurtIn der Deutschen-Bank-Zentrale fürchten einige Manager zu viel Einfluss der Investmentbanker. Als Beleg sehen Skeptiker die Besetzung der Top-Position im Risikomanagement durch einen Getreuen von Co-Chef Jain. Quelle: Laif
BonnDer kommende Postbank-Chef Frank Strauß soll Ertragskraft und Effizienz des größten Zukaufs der Ära Ackermann stärken. Dafür muss er vor allem kulturelle Differenzen in den Griff bekommen. Quelle: dpa
LondonDie Zentrale der Investmentsparte der Deutschen Bank sitzt in London und beeindruckt Besucher mit moderner Kunst. Sie will von der Schwäche der Konkurrenz profitieren und weltweit unter die Top 3 vorstoßen. Quelle: Laif
New YorkWegen ihrer zweifelhaften Rolle in der Verbriefung minderwertiger Hypothekenkredite protestieren Hausbesitzer in den USA gegen die Deutsche Bank. Die Schadensersatzforderungen belasten das neue Duo an der Spitze. Quelle: Reuters
PekingDas Geschäft in Asien wird für die Deutsche Bank trotz staatlicher Beschränkungen immer wichtiger. Am größten sind die Wachstumsaussichten in China. Aber auch Indien erweist sich als unausgeschöpftes Finanzreservoir. Quelle: Laif

Erfolg motiviert

Für Ille-Gründer Wilhelm Blatz zog Weck bis vor den Bundesgerichtshof, der die Deutsche Bank im März 2011 zu 540.000 Euro Schadensersatz verurteilte. Auch für Kunden der untergegangenen WestLB und der Baden-Württembergischen Landesbank LBBW erstritt er Schadensersatz. Wecks Motivation ist nicht Jagdfieber, er will seine Kanzlei zur gefragtesten deutschen Adresse für Verfahren gegen Geldhäuser und andere Kapitalmarktakteure machen. Sein Motto: „Zufrieden sind wir erst, wenn uns die Anwälte der Gegenseite empfehlen.“ Geduld und Durchhaltevermögen sind Wecks Stärken, mit Akribie arbeitet der Jurist sich in komplizierte Finanzfragen ein, die die Gerichte unterer Instanzen überforderten. Erst bei höheren Instanzen drang er mit seinen Argumenten durch.

Nach dem Erfolg gegen die Deutsche Bank hat Weck nun die WestLB-Rechtsnachfolgerin Portigon im Visier. Er vertritt NRW-Kommunen wie Hückeswagen oder Kamen vor dem Landgericht Köln. Auch deren Kämmerer hatten sich Zinswetten andrehen lassen, weil sie glaubten, es handele sich um Absicherungsgeschäfte. Wecks nächster Mandant könnte Salzburg sein – die Stadt sucht Anwälte, die sie gegen die Deutsche Bank vertreten könnten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Elke König, die Präsidentin der Bafin, die im Libor-Skandal gegen die Deutsche Bank ermittelt.

Die Emotionslose: Elke König

Elke König, 59 - Präsidentin der BaFin: Ermittelt wegen der Libor-Affäre gegen die Deutsche Bank Quelle: dpa

Elke König trägt ein knallrotes Kostüm und ein buntes Halstuch, aber die zierliche Frau in der zweiten Stuhlreihe fällt dennoch nicht auf. Während Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain am Podium referiert, stützt sie nachdenklich den Kopf auf die Hand, dann wieder macht sie eifrig Notizen. Ihr eigener Vortrag später ist ruhig und nüchtern, aber nicht langweilig.

Der distanzierte, fast emotionslose Auftritt ist typisch für die BaFin-Chefin. Außenstehende könnten das mit Zahnlosigkeit verwechseln. Aber wer sie kennt, weiß, dass sie sehr wohl beißen kann und unerbittlich sein, wenn es denn nötig ist. König spricht mit Spitzenmanagern von Finanzunternehmen durchaus auf Augenhöhe. Bevor sie Anfang 2012 an die BaFin-Spitze rückte, hatte sie als eine von wenigen Frauen bereits Karriere in der Finanzwelt gemacht. Von der Wirtschaftsprüfung KPMG über die Münchener Rück führte ihr Weg bis in den Vorstand der Hannover Rück. Als dort Anfang 2009 der Vorstandsvorsitzende wechselte, schied sie aus dem Unternehmen aus. Als Mitglied des Bilanzgremiums IASB setzte sie später erstmals selbst Spielregeln.

Die Testamente der Banken
Logo von JP Morgan Chase Quelle: dpa
Bank of America Die Bank of America bleibt im öffentlichen Teil ihres Testaments ähnlich vage wie die übrigen Institute. Sie spricht unter anderem von unbestimmten Käufern (darunter „nationale, internationale und regionale Finanzinstitute“), die im Falle einer Pleite Teile der Bank übernehmen würden. Der Steuerzahler müsse nicht zur Hilfe kommen. Quelle: REUTERS
CitigroupDie Bank unter Firmenchef Vikram Pandit beteuert, im Fall einer Pleite abgewickelt werden zu können. Und zwar in einer Weise, die kein systemisches Risiko berge, die die Finanzmärkte nicht in Aufruhr bringe und keine Milliarden von den Steuerzahlern notwendig mache. Quelle: dpa
Goldman Sachs Laut dem Notfallplan würde die Investmentbank „rasch“ Geschäftsteile oder Vermögenswerte verkaufen und damit eine Liquidation vermeiden. Der Branchenprimus nutzt derweil sein Testament auch, um die ganze Übung indirekt als sinnlos zu bezeichnen. „Die Umstände, die zu einem Kollaps einer für das System wichtigen Institution führen, werden wahrscheinlich andere sein als in diesen Annahmen vorgegeben“. Quelle: REUTERS
Logo von Morgan Stanley Quelle: dpa
BarclaysDie britische Großbank kommt für das Szenario ihres Untergangs im öffentlichen Teil des Testaments mit einer halben Seite aus. Darin heißt es unter anderem, die Notfallpläne seien so ausgeklügelt, dass im Falle einer Pleite eine Katastrophe auf den Finanzmärkten nicht zu erwarten sei. Quelle: REUTERS
Deutsche BankDie Deutsche Bank deutet an, dass die US-Regulierer im Erstfall die deutsche Bankenaufsicht BaFin umgestört operieren lassen sollten. Dann sei die im Notfall zu gründende Überbrückungsbank in der Lage, die US-Firmenteile mit Liquidität zu versorgen. Quelle: dpa

Für König ist es einerseits von Vorteil, die Branche aus der Innenperspektive zu kennen, andererseits wird ihr aber manchmal zu viel Nähe unterstellt. Gleich bei ihrer ersten Rede setzte sich die BaFin- Chefin für „Regulierung mit Augenmaß“ ein. Ihre Arbeit begreift sie als Balanceakt: Es gehe darum, den Banken mehr Fesseln anzulegen, ohne ihnen die Luft zum Atmen zu nehmen: Sicherer könnten die Banken nur werden, wenn sie genug verdienen.

Anders als die Aufseher in den USA oder Großbritannien, kann die BaFin keine Strafen verhängen. Das gilt auch für Königs derzeit brisantestes Projekt: Mit einer Sonderprüfung untersucht ihre Behörde, wie tief die Deutsche Bank in die Manipulation der Referenzzinsen Libor und Euribor verstrickt ist. Neue Gesetze sollen der BaFin mehr Macht geben. Banken könnten dann auf Anordnung der Behörde umstrukturiert werden, wenn sie für zu komplex befunden wurden. Dichtmachen kann die BaFin Banken schon heute.

König wird der Behörde dann aber wohl nicht mehr angehören: Sie soll als deutsche Vertreterin ins Spitzengremium der geplanten europäischen Bankenaufsicht aufrücken.

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