Jetzt nimmt auch die Bundesbank die Deutsche Bank aufs Korn. Inspektoren der Aufsicht machen sich in dieser Woche auf den Weg nach New York, um schweren Anschuldigungen gegen das Institut nachzugehen. Bis zu zwölf Milliarden Dollar Verluste, so ehemalige Mitarbeiter, könnte die Bank durch Falschbewertungen von Derivaten während der Finanzkrise 2008 versteckt haben. Hätte sie diese korrekt bilanziert, hätte sie wohl Staatshilfen in Anspruch nehmen müssen.
Die Vorwürfe sind nicht neu, die Deutschbanker sind schon seit Monaten im Visier der US-Börsenaufsicht SEC. Die Bank hält die Anschuldigungen für „vollkommen unbegründet“ und stützt sich dabei auf die Überprüfung durch eine Anwaltskanzlei. Doch die Ermittler bleiben hartnäckig. Nachdem sie Entstehung und Zuspitzung der Finanzkrise 2007 verschlafen haben, wollen sie sich nicht noch einmal Fehlverhalten vorwerfen lassen.
Strafe und Wiedergutmachung
Nicht nur gegen das größte deutsche Geldinstitut wird ermittelt. Aufsichtsgremien und Kanzleien kämpfen an vielen Fronten darum, die Vergehen und Tricksereien der Banken zu bestrafen und Wiedergutmachung zu erreichen. Die führenden Köpfe sind außerhalb des Geldgewerbes kaum bekannt: Staatsanwälte, Behördenchefs und Star-Advokaten in New York, London, Frankfurt und München machen gemeinsam Jagd auf die Finanzelite.
Ihre Methoden unterscheiden sich extrem von denen ihrer Vorgänger vor 2008, als die Institute der Wall Street, der Londoner City oder des Frankfurter Bankenviertels die Welt in die größte Wirtschaftskrise seit dem Krieg stürzten. Ihr Antrieb, die Manipulateure, Verdunkler und Finanzbetrüger zur Verantwortung zu ziehen, hat ganz unterschiedliche Ursachen: Ein Top-US-Regulierer war früher selbst Star-Analyst und Verfechter eines deregulierten Finanzmarktes. Heute fordert er höhere Geldstrafen und Gefängnis für Finanzbetrüger.
Spektakuläre Urteile gegen Anlagebetrüger
Es ist ein Fall für die Geschichtsbücher: Dem Fondsmanager Bernie Madoff gelang es jahrzehntelang, ein höchst lukratives Schneeballsystem zu betreiben, bei dem die Einzahlungen der neuen Kunden für die Ausschüttungen anderer Kunden verwendet wurden. Mangel an Neukunden kannte Madoff offenbar nicht, denn es gelang im, seine oftmals prominenten und schwer reichen Kunden um insgesamt 65 Milliarden Dollar zu erleichtern. In der Finanzkrise flog der ganze Schwindel auf, weil einige Kunden große Summen abzogen. Im Jahr 2009 wurde Madoff zu 150 Jahren Haft verurteilt.
Im April 2011 sorgte das Urteil gegen den Börsen-Coach, Ex-N24-Moderator, Buchautor und Börsenjournalisten Markus Frick für Aufsehen. Er hatte ebenfalls Aktien öffentlich empfohlen, die er selbst besaß. Dadurch hat er dem Gericht zufolge 20.000 Anleger getäuscht und 42 Millionen Euro erlöst. Das Gericht brummte ihm ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung sowie 420.000 Euro Strafzahlung auf. 80 Millionen Euro wurden sichergestellt.
Er gilt als der deutsche Bernie Madoff: Helmut Kiener hat mit seinen Hedgefonds Anleger und Banken mit einem Schneeballsystem im Laufe der Jahre um mehr als 300 Millionen Euro betrogen. Das Urteil für Kiener im Juli 2011: zehn Jahre und acht Monate Gefängnis. Das Landgericht Würzburg verurteilte den 52-Jährigen wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung. Erst sehr spät im Gerichtsverfahren hatte Kiener ein umfassendes Geständnis abgelegt.
Es waren die ersten Urteile in der sogenannten SdK-Affäre, bei der vor allem - inzwischen ehemalige - Funktionäre der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger wegen Kursmanipulation angeklagt waren. Der geständige Börsenbrief-Herausgeber Stefan Fiebach ist zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, weil er vor allem die Aktien bejubelt hat, die er selbst besaß. Zuvor hatte er die Anschuldigungen gestanden und Kursmanipulation in Mittäterschaft eingeräumt. Nach dem Geständnis von Fiebach räumte auch der ehemalige Sprecher der (SdK), Christoph Öfele, über seinen Anwalt Insiderhandel in 92 Fällen ein und bestätigte damit die Vorwürfe der Anklage in vollem Umfang. Der geständige Öfele war früher neben seinen Börsengeschäften auch Aufsichtsratschef des Fußballclubs 1860 München. Als seine Verwicklung in den Aktienskandal bekannt wurde, legte er den Posten bei den Löwen nieder. Im Gegenzug für das Geständnis verurteilte das Gericht Öfele zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Neben einer Geldstrafe soll Öfele eine Nebenstrafe von rund 220.000 Euro zahlen - was fast dem kompletten Vermögen entspricht, das der 43-Jährige im Verfahren angegeben hat.
Der US-Hedgefondsmanager wurde im Oktober in einem Strafverfahren zur Zahlung von insgesamt 63,8 Millionen Dollar sowie zu elf Jahren Haft verurteilt. In einem weiteren Verfahren wurde ihm eine Strafzahlung von 92 Millionen Dollar aufgebrummt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft fuhr Rajaratnam bis zu 75 Millionen Dollar an illegalen Profiten durch Insiderhandel ein. Er soll auf Grundlage von geheimen Informationen gehandelt haben, die ihm von im Wertpapiergeschäft tätigen Freunden und Kollegen zugesteckt wurden. Rajaratnam galt bei seiner Verhaftung als Milliardär, sein Galleon-Fonds verwaltete zu Spitzenzeiten sieben Milliarden Dollar.
Dem Geschäftsmann aus Texas wird angelastet, tausende Anleger um ihre Ersparnisse im Gesamtwert von sieben Milliarden Dollar gebracht zu haben. Ein Geschworenengericht hat ihn bereits verurteilt, das Strafmaß wird im Juni verkündet. Stanford drohen bis zu 230 Jahre Haft. Die Geschworenen erklärten Stanford des Betruges, der Verschwörung, der Geldwäsche und der Behinderung der Justiz für schuldig. Auf jeden der Anklagepunkte stehen Höchststrafen von bis zu 20 Jahren Haft. Außerdem soll der US-Investor seinen Opfern 330 Millionen Dollar erstatten. Der Fall flog 2009 auf. Mit seiner auf der Karibikinsel Antigua angesiedelten Firma hat Stanford offenbar mehr als 30.000 Investoren aus über einhundert Ländern um ihr Geld gebracht hat. Vor Gericht plädierte er auf nicht schuldig. Wegen Fluchtgefahr verbrachte Stanford die vergangenen drei Jahre hinter Gittern.
Die Erfolge der Bankenjäger sind zwiespältig. Zu den Highlights zählen die elf Jahre Gefängnis für eine Wall-Street-Größe wegen notorischen Insiderhandels und die 74-Millionen-Dollar-Strafe gegen die Schweizer Privatbank Wegelin & Co wegen Steuerhinterziehung in den USA. Die Bank musste daraufhin schließen. Deutsche Anwälte verfolgen Finanzbetrüger eher leise, aber nicht weniger konsequent – wie es etwa die Deutsche Bank bei Zinswetten zu spüren bekam.
Umstritten dagegen sind die Deals, die die Verfolger mit Banken geschlossen haben. Die britische Bank HSBC etwa musste vor Kurzem 1,9 Milliarden Dollar Strafe wegen Geldwäsche bezahlen. Das entspricht nur neun Prozent des Gewinns für 2012. Dafür entgingen die Manager einer Strafverfolgung. „Too big to fail, too big to jail“, erklärte US-Generalbundesanwalt Holder den Deal. Europas größte Bank strafrechtlich zu verfolgen hätte negative Folgen für die gesamte Wirtschaft. Für die Bankenjäger ist dies kein Grund, aufzugeben. Wir stellen die wichtigsten Köpfe vor. Als erstes: Hedgefondsjäger Preetinder Singh Bharara.
Der Top-Cop: Preetinder Singh Bharara
Diese Worte klingeln Preet Bharara heute noch in den Ohren. Mit gewohnt rauchig-kratziger Stimme kündigte der US-Rockstar Bruce Springsteen bei einem Konzert in der US-Stadt Hartford im vergangenen Herbst seinen nächsten Song mit den Worten an: „Dieses Lied ist für Preet Bharara.“
Preet, wer? Den Namen kennt kein Mensch in der amerikanischen Provinz. Der Text des Songs ließ die Ahnungslosen im Publikum aufhorchen und den Staatsanwalt, der mit seinem Sohn im Publikum saß, vor Stolz fast platzen. Welcher Rockstar widmet schon einem Staatsanwalt einen Song, um ihn für seine hartnäckige Jagd auf Betrüger an der Wall Street zu loben? „Schickt die Räuberbarone direkt in die Hölle, die gierigen Diebe, die sich in unserer Stadt herumtreiben, alles Fleisch auffressen, was sie finden können, deren Verbrechen unbestraft bleiben, die als freie Männer rumlaufen“, schmetterte der Alt-Rocker ins Mikrofon. „Zum ersten Mal fand mein Sohn seinen Vater richtig cool“, freute sich Springsteen-Fan Bharara.
Bharara, in Indien geboren, als Kleinkind mit seinen Eltern in die USA ausgewandert, ist Staatsanwalt im südlichen Stadtbezirk von New York City und damit nicht nur für die Verfolgung gemeiner Krimineller in Manhattan zuständig. Er jagt auch die, die an der Wall Street ihr Unwesen treiben: Banker, Hedgefonds, Broker. Als „Top-Cop der Wall Street“ gilt der 44-Jährige. Gefürchtet ist er wegen seiner knallharten Ermittlungsmethoden an der berühmten Straße im Finanzdistrikt von Manhattan. Um Beweise zu sammeln, wies er seine 230 Ermittler an, Telefone abzuhören und Gespräche von Verdächtigen mitzuschneiden. Das sind Methoden, die sonst nur bei Mafiabanden oder Drogenschmugglern zum Einsatz kommen.
Hedgefondsmillionär Raj Rajaratnam überführte er so des Insiderhandels. Der Börsenstar landete 2011 für elf Jahre hinter Gitter. Im selben Fall klagte er Ex-Goldman-Sachs-Manager Rajat Gupta an, der 2012 für zwei Jahre ins Gefängnis kam. Er hoffe, sagte Bharara nach der Urteilsverkündung voller Genugtuung, diese Strafen seien eine Warnung an Wall Street.
Unglaublich dreist
Die Finanzkrise 2008 ist für Bharara längst noch kein abgeschlossenes Kapitel. Im Herbst 2012 verklagte der 44-Jährige die Bank of America, weil sie wissentlich faule Kredite an die Hypotheken-Vergeber Fannie Mae und Freddie Mac verkauft und damit dort einen Verlust in Höhe von einer Milliarde Dollar verursacht habe. „Das betrügerische Verhalten, das wir in der heutigen Klage aufführen, war in seinem Ausmaß unglaublich dreist“, sagt Bharara.
Mit ähnlich harschen Worten zog er auch die Deutsche Bank wegen ihres Geschäftsgebarens vor der Finanzkrise vor den Kadi. Er bezichtigte die Banker der „Lüge, des Betruges und der Rücksichtslosigkeit“, weil sie sich über ihre US-Tochter Mortgage IT Garantien der US-Regierung für Hypothekenkredite erschlichen haben sollen. Von der Deutschen Bank kassierte er in einem Vergleich 500 Millionen Dollar.
Was Bharara antreibt, ist sein unerschütterliche Glaube ans Gesetz. Es sei ein außerordentliches Privileg, diesen Job ausführen zu dürfen, sagte der Harvard-Absolvent, als ihn US-Präsident Obama im August 2009 für den Job auswählte. Bharara gilt als aggressiv und hartnäckig. Über 60 Festnahmen wegen Insiderhandels und Aktienbetrugs gehen auf sein Konto. Seine Jagd auf Banker brachte drei Milliarden Dollar an Strafgeldern in 2012 ein.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Eric Schneiderman, Generalstaatsanwalt von New York.
Der Hartnäckige: Eric Schneiderman
Doug Peterson spricht mit ernster, gedämpfter Stimme. Die positive Bewertung von Anleihen kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 habe auf Marktdaten beruht, die allen anderen auch vorlagen, sagte der Präsident der Ratingagentur Standard & Poor’s in einer Videobotschaft vor wenigen Wochen. „Diese Ratings waren falsch, und das bedauere ich zutiefst“, gab er reumütig zu. Bewusst falsch bewertet habe Standard & Poor’s die Papiere aber nicht. Niemand könne das nachweisen.
Wenn sich der Chef der amerikanischen Top-Ratingagentur per Video an die Öffentlichkeit wendet, dann ist die Lage ernst. Eric Schneiderman, der mächtige Generalstaatsanwalt des Bundesstaates New York, hat sich die Bonitätskontrolleure vorgeknöpft. Anfang Februar rollte Schneiderman ein altes Verfahren gegen die zwei Ratingagenturen Standard & Poor’s und Fitch neu auf.
Die hatten sich in einem Vergleich mit US-Aufsichtsbehörden im Jahr 2008 geeinigt. Die Behörden verzichteten auf eine Klage gegen die Bonitätskontrolleure, die noch kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise Bestnoten für Anleihen auf minderwertige Hypotheken vergeben hatten, die sich dann als Schrottpapiere herausstellten. Im Gegenzug sollten die Unternehmen ihre internen Kontrollen verbessern und Einblicke in die Bewertungsmethoden gewähren.
Glossar Rating-Deutsch
Beste Bonität, geringstes Insolvenzrisiko. Die statistische Ausfallsquote nach fünf Jahren beträgt 0,1 Prozent
Gute Bonität, geringes Insolvenzrisiko. Die statistische Ausfallquote nach fünf Jahren beträgt 0,5 Prozent
Stark befriedigende Bonität, geringes bis mittleres Insolvenzrisiko. Die statistische Ausfallquote nach fünf Jahren beträgt 2,0 Prozent
Befriedigende Bonität, mittleres Insolvenzrisiko. Die statistische Ausfallquote nach fünf Jahren beträgt 9 Prozent
Ausreichende Bonität, höheres Insolvenzrisiko. Nach fünf Jahren beträgt die statistische Ausfallquote 20 Prozent
Kaum ausreichende Bonität, hohes bis sehr hohes Insolvenzrisiko. Nach fünf Jahren beträgt die statistische Ausfallquote 40 Prozent
Genau das sei nicht geschehen, wirft Schneiderman den Ratingagenturen nun knallhart vor. Hartnäckig wie kaum ein anderer Staatsanwalt in den USA, ist der 58-Jährige hinter denjenigen her, die aus seiner Sicht mit ihrem Geschäftsgebaren am Ausbruch der Finanzkrise mitverantwortlich sind.
Schneiderman leitet eine von US-Präsident Barack Obama 2012 eingesetzte Arbeitsgruppe aus Vertretern verschiedener US-Aufsichtsbehörden, die die Geschäftsmethoden der Banken bei hypothekenbesicherten Anleihen untersuchen. Gegen zig Institute hat er Anklage erhoben, unter anderem JP Morgan Chase, Bank of America und Wells Fargo.
Auf JP Morgan hat es der drahtige New Yorker, aufgewachsen an der wohlhabenden Upper West Side in Manhattan, besonders abgesehen. Gegen den US-Giganten rollte er vor einigen Monaten ebenfalls ein neues Verfahren auf.
Schneiderman gegen JP Morgan
Obwohl es 2011 einen Vergleich wegen fauler Hypothekenanleihen mit der Bank über 92 Millionen Dollar gab, klagt nun Schneiderman erneut gegen JP Morgan. Irreführende Angaben beim Verkauf von Hypothekenanleihen wirft er dem Institut vor. In derselben Sache klagte Schneiderman im November 2012 auch die Schweizer Bank Credit Suisse an.
Seit Ende 2010 wacht der Harvard-Absolvent und Ex-Senator für den Bundesstaat New York über Banker und Broker. Nachdem sich der Demokrat im Sommer 2011 weigerte, einem Kompromiss im Skandal um Zwangsräumungen von Häusern überschuldeter Eigentümer zwischen US-Aufsichtsbehörden und Banken zuzustimmen, ist er im ganzen Land berühmt. Schneiderman hatte Bedenken, dass in dem 25-Milliarden-Dollar-Vergleich mit Bank of America, JP Morgan Chase, Wells Fargo, Citi Group und Ally Financial der Schutz der Banken vor weiterer Strafverfolgung zu weit gehen könnte. Letztlich entschieden die Aufsichtsbehörden ohne ihn über den Kompromiss.
Seitdem gilt Schneiderman als unerschrockener Kämpfer für Recht und Ordnung an der Wall Street. Er kämpfe dafür, das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen, sagt der Yoga-Enthusiast. „Wir müssen dafür sorgen, dass Kleinanleger wieder sicher sein können, dass der Aktienmarkt nicht ein Klüngelnetzwerk von Insidern ist. Anleger müssen einem Triple-A-Rating einer Ratingagentur trauen können“, fordert er.
Ein altes Gesetz, das nur im Bundesstaat New York gilt, gibt Schneiderman dazu mehr Macht als allen anderen Staatsanwälten in den USA: das Martin-Gesetz aus dem Jahr 1921. Danach muss in New York bei einer Klage nicht Vorsatz nachgewiesen werden, Fahrlässigkeit reicht als Klagegrund aus. „Es werden weitere Klagen kommen“, kündigte Schneiderman nach der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Ratingagentur Standard & Poor’s an.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Deborah Sturman, US-Anwältin und Expertin für Sammelklagen.
Die Sammelklagenspezialistin: Deborah Sturman
Der Kampf gegen Betrug und Unrecht zieht sich wie ein roter Faden durch die Anwaltskarriere von Deborah Sturman. „Ich vertrete immer diejenigen, die betrogen wurden, denen Schaden zugefügt wurde“, sagt die 56-jährige Amerikanerin. Diesem Prinzip bleibt sie auch bei ihrem jüngsten Projekt treu. Die Anwältin klagt für Klienten gegen die Banken, die im Verdacht stehen, Referenzzinssätze wie den Libor manipuliert zu haben. Einer der Kläger, die Sturman vertritt, ist die Metzler Investment GmbH – eine Fondsgesellschaft des Frankfurter Bankhauses Metzler. Die Anlagegesellschaft hat sich einer Sammelklage gegen die Deutsche Bank und andere Banken angeschlossen, weil ihre Fonds Produkte enthielten, die an den Libor gekoppelt waren.
Die US-Expertin für Sammelklagen, die fließend Deutsch, Flämisch und Französisch spricht, besetzt eine lukrative Nische: Sie hat sich auf Schadensersatz- und Aktionärsklagen spezialisiert. Anwälte können in den USA dafür Gebühren einstreichen, die bis zu 30 Prozent der Schadenssumme betragen, gehen allerdings leer aus, wenn sie den Fall nicht gewinnen oder einen Vergleich erzielen.
Die Amerikanerin vertritt überwiegend Klienten aus Europa. Ihre Kanzlei Sturman LLC mit Sitz in New York, die acht Anwälte beschäftigt, hat auch ein Büro in Wien.
Besondere Beziehung zu Deutschland
Denn Sturman ist eine Wanderin zwischen vielen Welten, beruflich und privat, mit einer ganz besonderen Beziehung zu Deutschland und zur klassischen Musik. Nach Europa kam die damals 17-Jährige in den Siebzigerjahren der Musik wegen: Die Waldhornspielerin ließ sich in Brüssel ausbilden, wurde später Solistin in Antwerpen, zog 1979 zum WDR-Rundfunkorchester nach Köln und heiratete einen deutschen Juden.
Sie lebte mehrere Jahre in Deutschland, wo die Musikerin nebenbei begann, sich für Menschen zu engagieren, die in der DDR enteignet worden waren.
Sie entschloss sich nach der Geburt ihrer Tochter zur Rückkehr in die USA. Sie studierte Jura an der School of Law der University of California und war in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre wie ihr Kollege Michael Hausfeld an den Sammelklagen der NS-Zwangsarbeiter gegen die deutsche Wirtschaft sowie gegen die Schweizer Banken beteiligt. Später vertrat sie Aktionäre – etwa gegen den holländischen Einzelhandelskonzern Ahold wegen einer Bilanzfälschungsaffäre. Die Sammelklage endete mit einem Vergleich, der Ahold über eine Milliarde Dollar kostete.
Als Bankenjägerin erlitt Sturman auch Niederlagen – etwa bei einer Klage gegen Goldman Sachs, in der es um Missmanagement bei CDOs ging. Die Klage wurde aus prozessrechtlichen Gründen nicht zugelassen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Mary Jo White, designierte SEC-Chefin.
Die Terroristenjägerin: Mary Jo White
Mary Jo White hat ihren neuen Job noch nicht angetreten, da geht das Gemaule schon los. Die designierte Chefin der US-Börsenaufsicht SEC verfüge nicht über das notwendige Detailwissen im Finanzmarkt, behaupten Wall-Street-Vertreter. Bankenkritiker wie die demokratische Senatorin Elizabeth Warren wiederum bezweifeln, ob White genug Härte bei der Regulierung der Märkte an den Tag legen könne. Immerhin hatte sie in den vergangenen Jahren bei der New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton gearbeitet und Wall-Street-Größen wie den früheren Chef der Bank of America, Kenneth Lewis, oder Vorstandsmitglieder des US-Finanzgiganten JP Morgan vertreten.
Dass US-Präsident Barack Obama die 65-Jährige als neue Chefin der US-Börsenaufsicht benannte, ist ungewöhnlich. Top-Regulierer werden in den USA üblicherweise von renommierten Universitäten rekrutiert, wo sich diese als Finanzmarktexperten einen Namen gemacht haben. Häufig kommen Raj Rajaratnamsie auch direkt von der Wall Street. White ist studierte Psychologin und Juristin. Jahrzehntelang arbeitete sie als Strafverfolgerin und Verteidigerin. Als erste Staatsanwältin in Manhattan war sie die leitende Anklägerin im Prozess gegen die Bombenattentäter auf das World Trade Center in den Neunzigerjahren und führte die Ermittlungen gegen Terroristenführer Osama bin Laden.
Als Chefaufseherin über die Börse muss White nun die Finanzmarktreform vorantreiben, die Obama nach der Finanzkrise beschlossen hatte. Wichtige Teile des Mammutgesetzes, wie etwa die Volcker-Regel, die Banken das Zocken auf eigene Rechnung verbietet, sind immer noch nicht umgesetzt. Immer wieder grätschte die Finanzlobby dazwischen, forderte bis heute Änderungen.
Der Finanzlobby Paroli bieten
White scheint über die richtigen Charaktereigenschaften zu verfügen, um der Finanzlobby Paroli bieten zu können. Sie gilt als aggressive, unabhängige Anwältin, die von sich selbst sagt, sie lasse sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Obama wählte sie vor allem wegen dieser Eigenschaften als neue Chefaufseherin über die Wall Street. „Es reicht nicht, die Gesetze zur Kontrolle der Wall Street zu ändern“, sagte Obama, als er White Mitte Januar vorstellte. „Wir brauchen Polizisten, die das Gesetz auch durchsetzen.“ Der US-Senat muss der Nominierung von White noch zustimmen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Gary Gensler, CFTC-Chef, der Barclays wegen Zinsmanipulationen im Libor-Skandal überführte.
Der Ex-Investmentbanker: Gary Gensler
Kritisiert ein Amerikaner die „City“, das Herz der britischen Finanzindustrie, dann kommt das einer Kriegserklärung gleich. Voller regulatorischer Schlupflöcher sei das britische Finanzsystem, polterte der Amerikaner Gary Gensler vor mehr als zwei Jahren. Die Risiken, die britische Banken eingingen, landeten früher oder später auch an der Wall Street, schimpfte Gensler, Chef der amerikanischen Aufsichtsbehörde für börsengehandelte Termingeschäfte über London.
The City was not amused. John Mann, Finanzexperte der britischen Labour-Partei, sprach von einer konzertierten Aktion der US-Regierung, die versuche, den Handel von London nach New York zu holen. Dabei kursierten schon seit Jahren Gerüchte im Finanzmarkt, am Referenzzinssatz Libor, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen, werde manipuliert. Nur die amerikanische Aufsichtsbehörde nahm Untersuchungen auf. Genslers Team in Washington quälte sich durch Tausende E-Mails, hörte mitgeschnittene Telefonate jenseits und diesseits des Atlantiks ab.
Was den Libor so wichtig macht
Grundsätzlich gilt der Libor für alle Kreditnehmer aus den folgenden Währungsräumen:
- Australischer Dollar
- Kanadischer Dollar
- Neuseeland-Dollar
- US-Dollar
- Schweizer Franken
- Dänische Krone
- Schwedische Krone
- Euro
- Pfund Sterling
- Yen
Der Libor ist ein Angebotszins, also der Satz, zu dem Banken Geld verleihen können. Grundsätzlich gilt der Libor nur für Kredite mit einer Laufzeit von einem Tag bis zu zwölf Monaten. Das heißt, er betrifft Optionen, Derivate und Termingeschäfte, aber auch den Kredit fürs neue Auto oder die Eigentumswohnung.
Grundsätzlich legt die British Banker's Association (BBA) den Libor (London Interbank Offered Rate) jeden Tag aufs Neue fest. Die BBA saugt sich den Satz allerdings nicht einfach so aus den Fingern, sondern ermittelt einen Durchschnittssatz aus den Angaben verschiedener Banken. 19 Institute melden der BBA täglich, zu welchem Zinssatz sie sich untereinander Geld leihen.
Grundsätzlich gibt es derzeit einen Verdacht gegen alle 19 Banken, die ihre Zinssätze der BBA mitteilen. Barclays hat die Manipulationen bereits zugegeben, ermittelt wird des Weiteren gegen die Royal Bank of Scotland, die Deutsche Bank, die HSBC, die UBS, Citigroup und Lloyds.
Dann der Triumph im Juni 2012: Gensler verkündet im US-Fernsehen, seine amerikanische Behörde habe die britische Großbank Barclays bei der Manipulation des Libor überführt, deshalb müsse sie jetzt fast eine halbe Milliarde Dollar Strafe zahlen. „Wir sind alle Opfer“, sagte Gensler in die Kameras. „Diese Zinssätze sind das Herz unseres globalen Finanzsystems. Sind die manipuliert, dann bedroht das die Integrität des Marktes.“
Gegen ein Dutzend Banken ermitteln inzwischen US-Behörden, die britische Finanzaufsicht FSA und EU-Regulierer gemeinsam in dieser Sache. Außer Barclays zahlte die Royal Bank of Scotland eine Millionenstrafe, die UBS musste 1,5 Milliarden Dollar zahlen. Da werde noch mehr kommen, kündigte Gensler an.
US-Präsident Barack Obama holte den Amerikaner 2009 an die Spitze der Behörde in Washington. Seitdem Gensler die Aufsichtsbehörde leite, sei sie aus dem Dornröschenschlaf erwacht, heißt es in Washington. „Die CFTC war ein zahnloser Regulierer“, sagt der demokratische US-Politiker Barney Frank. „Seit Gensler dort ist, geht er aggressiv gegen Verstöße am Finanzmarkt vor.“ Knapp 300 Millionen Dollar an Strafgeldern sammelte die Behörde in 2012 ein – mehr als je zuvor.
Der schlanke Langstreckenläufer will offenbar die Sünden seiner Vergangenheit wiedergutmachen. Denn ein eiserner Verfechter eines regulierten Finanzmarktes war Gensler nicht immer. Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen als Sohn eines Verkaufsautomatenverkäufers, galt Gensler schon als Kind als Mathematik-Ass. Er studierte Wirtschaft an der renommierten Wharton School of Business an der Universität von Pennsylvania und heuerte bei der Investmentbank Goldman Sachs an. Die ernannte den jungen Mann mit gerade einmal 30 Jahren zum Partner. Gensler war über 18 Jahre lang einer der Star-Investmentbanker des Finanzinstitutes.
Peinliche Pleite
Danach, Ende der Neunzigerjahre, wechselte der heute 55-Jährige in die Politik. Unter Ex-US-Präsident Bill Clinton war Gensler stellvertretender Finanzminister und setzte damals noch eine umfassende Deregulierung des Derivatemarktes durch. Ein Fehler, wie er heute bekennt. Besonders peinlich war für Gensler die Pleite des Brokers MF Global in 2011, den Ex-Goldman-Sachs-Chef Jon Corzine in den Abgrund geführt hatte. Genslers Behörde hatte nicht gemerkt, dass etwas schieflief bei dem Broker, der Millionen an Investorengeldern abgezweigt haben soll, um den eigenen Handel zu stützen, als die Geschäfte schon sehr schlecht liefen. Gensler zog sich wegen der gemeinsamen Zeit mit Corzine bei Goldman aus den Ermittlungen zurück.
Die Aufsicht über Broker, vor allem wie diese mit Kundengeldern umgehen, hat er seitdem verstärkt. Seine Behörde setzte im vergangenen Jahr 74 Prozent mehr neue Vorschriften für die Derivatemärkte um als im Jahr davor. Auch den Hochfrequenzhandel will Gensler stärker überwachen.
In London ist Gensler erneut auf Jagd. Dort hatte ein Händler der US-Großbank JP Morgan Chase mit einem hochspekulativen Geschäft im vergangenen Jahr Milliarden verzockt. JP-Morgan-Investment-Chefin Ina Drew musste gehen, nun gerät auch JP-Morgan-Chef Jamie Dimon ins Visier von Gensler. In Washington heißt es, die Schlinge um den sonst so gefeierten Star-Banker Dimon zöge sich zu. Der Bankenausschuss im US-Senat wirft Dimon grobe Aufsichtsfehler vor.
Genslers erste Amtszeit an der Spitze der US-Aufsichtsbehörde läuft im August 2014 ab. Noch hat sich der alleinerziehende Vater dreier Töchter im Teenageralter – seine Frau verstarb im Jahr 2006 – nicht entschieden, ob er weitermachen will. US-Präsident Obama soll ihn allerdings schon darum gebeten haben. Üblicherweise schlägt niemand eine solche Bitte des Präsidenten aus.
Lesen Sie weiter: Michael Hausfeld, im Libor- und Euribor-Skandal Kläger gegen 20 Banken.
Der Rächer der Entrechteten: Michael Hausfeld
Michael Hausfeld hat eine samtweiche Stimme und ein Gespür für spektakuläre Prozesse. Jetzt knöpft sich der US-Staranwalt mit einem Faible für die Schwachen und Entrechteten dieser Welt die Banken vor. „Die Anzahl der Finanzskandale der vergangenen fünf bis zehn Jahre zeigt, dass hier ein Kulturwandel stattfand, der bewirkte, dass die Rechte von Kunden vernachlässigt wurden“, sagt der Experte für Sammelklagen.
Die Kanzlei des 67-Jährigen liegt auf der K-Street in Washington, wo sich die berühmtesten Lobbyisten der amerikanischen Hauptstadt befinden. Hausfeld ist zusammen mit einer kalifornischen Anwaltsfirma federführend bei der Sammelklage gegen rund 20 Institute, denen die Manipulation der beiden Leitzinssätze Libor und Euribor zur Last gelegt wird – darunter die Deutsche Bank, WestLB, HSBC, UBS und Credit Suisse.
Welche Anlagen vom Libor-Skandal betroffen sind
Unternehmen haben eher zu niedrige Zinsen für Kredite bezahlt, Aktionäre also über höhere Gewinne ihrer Firmen profitiert.
Variabel verzinste Papiere sind in der Regel an den Euribor oder Libor gekoppelt, Anleger haben deshalb bei diesen Papieren zu wenig Zins kassiert.
Insbesondere Geldmarkt- und Rentenfonds haben weniger eingebracht.
Betroffen sind Papiere, die sich direkt auf Euribor/Libor beziehen, sowie weitere Papiere über Rückkoppelungseffekte.
Hausfeld wirft den Instituten vor, sich in wettbewerbsschädlicher Art abgesprochen zu haben, um den Libor zu beeinflussen und damit institutionelle Anleger und die Stadt Baltimore mit geschädigt zu haben. Dabei hätten die Banken gegen Rohstoffbörsengesetze und das US-Kartellgesetz verstoßen. „Wenn wir nachweisen können, dass es eine Verschwörung gegeben hat, dann müssen wir nicht einmal jede einzelne der 20 Banken überführen“, sagt er.
Hausfeld zählt zu den berühmtesten Anwälten Amerikas. Er ist jüdischer Abstammung, seine Eltern überlebten den Holocaust. Das hat ihn geprägt. Er ist seit Ende der Neunzigerjahre in Deutschland gefürchtet, weil er der Bundesregierung und der deutschen Industrie gemeinsam mit anderen Anwälten einen Entschädigungsfonds in Höhe von umgerechnet rund fünf Milliarden Euro für jüdische Zwangsarbeiter während der Nazizeit abtrotzte.
In einem zweiten spektakulären Fall verklagte er Schweizer Banken, die im Zweiten Weltkrieg das Vermögen jüdischer Flüchtlinge unterschlagen hatten. Dabei übte er so lange Druck auf die Institute aus, bis Credit Suisse und UBS schließlich mit den Holocaust-Sammelklägern einen Vergleich über 1,25 Milliarden Dollar schlossen.
Lange Erfolgsliste
Hausfelds Erfolgsliste ist lang. Er gewann gegen den Ölkonzern Texaco, den er wegen Rassendiskriminierung vor Gericht zerrte, er vertrat Opfer des südafrikanischen Apartheidregimes gegen Konzerne. Ebenso vertrat er die Ureinwohner Alaskas, die durch den verunglückten Öltanker Exxon Valdez 1989 geschädigt wurden.
Die wichtigsten Antworten zum Libor-Skandal
Der einmal täglich in London ermittelte Libor zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Der Zinssatz beruht allerdings auf den - von außen bislang kaum nachprüfbaren - Angaben der Institute.
Mehr als ein Dutzend Großbanken soll in den Jahren 2005 bis 2009 internationale Referenzzinssätze wie den Libor zu ihren Gunsten manipuliert haben. Die Ermittler vermuten, dass die Banken vor allem auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 viel zu niedrige Angaben zu den Zinsen gemacht haben, um ihre tatsächlichen Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreichen. Das wäre ein lukratives Geschäft, denn allein auf dem Libor beruhen weltweit Finanztransaktionen im Volumen von über 500 Billionen Euro.
Seit Monaten werden Geldhäuser in den USA, Europa und Japan durchleuchtet. Auf der Liste stehen viele namhafte Banken - darunter Citi, JP Morgan, HSBC, Credit Suisse, UBS und RBS. Alle Institute haben erklärt, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Wer am Ende vom Kronzeugenstatus profitieren könnte, ist offen.
Die Deutsche Bank ist mit einer Sonderprüfung der deutschen Finanzaufsicht BaFin konfrontiert, deren Ergebnisse noch ausstehen. Deutschlands größtes Geldhaus verneint nach einer internen Untersuchung jegliche Mitverantwortung der Führungsspitze beim Libor-Skandal. Sie erklärte, die Vergehen seien das Werk einzelner Mitarbeiter. Einige sind nach Angaben aus Bankkreisen bereits suspendiert.
Das lässt sich am Beispiel der britischen Großbank Barclays erahnen. Sie hatte als erste Bank Fehler eingeräumt und fast eine halbe Milliarde Dollar Strafe an die Regulierer abgedrückt. Damit ist das Kapitel aber nicht abgeschlossen, denn inzwischen läuft in Großbritannien gegen Barclays der erste Schadenersatzprozess von Investoren an, die sich getäuscht fühlen.
Solche Prozesse können sehr teuer werden und sind daher ein unberechenbares Risiko für die Banken, wie die Ratingagentur Moody's unlängst warnte. Sie droht den von den Ermittlungen betroffenen Banken mit baldigen Herabstufungen. Juristen weisen umgekehrt jedoch auch darauf hin, dass es für Anleger schwer sein dürfte, einen entstandenen Schaden nachzuweisen - erst recht, wenn die Referenzzinssätze nach unten manipuliert wurden.
Darüber, wie das Libor-System als Lehre aus dem Skandal reformiert werden könnte, wird noch intensiv diskutiert - das Ergebnis ist offen.
Ob es im Fall der Libor-Klagen zum Prozess kommt, ist unklar. Kurz vor Ostern entschied die New Yorker Richterin Naomi Reice Buchwald, dass sie einen großen Teil der Libor-Sammelklagen nicht zulassen will. Sie wies das Argument der Kläger, die Banken hätten ein Kartell gebildet und organisierte Kriminalität betrieben, ab. Die Beweislast, so Reice Buchwald, sei für private Kläger größer als für Aufsichtsbehörden, an die die betroffenen Banken schon Strafgelder in Milliardenhöhe zahlen mussten. Das ist zwar ein Teilerfolg für die Banken, aber nicht das Ende: Die Kläger können in die Berufung gehen und werden das wohl auch tun. Sammelklagen werden meist durch außergerichtliche Einigung beendet. „Vernünftige Leute suchen nach einer vernünftigen Lösung“, sagt Hausfeld, der genau weiß, wie er politische Drohkulissen aufbauen muss, um lukrative Vergleiche zu erzwingen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Tracey McDermott, FCA-Chefermittlerin.
Die Unterschätzte: Tracey McDermott
Bis zum letzten Sommer war Bob Diamond, Chef der britischen Barclays Bank, einer der mächtigsten Banker in der Londoner City. Dass ausgerechnet Tracey McDermott, die unauffällige Chefermittlerin der britischen Finanzaufsicht, ihn zu Fall bringen würde, hätte sich der Amerikaner wohl nie träumen lassen. Sommersprossen, Brille, schulterlange Haare – McDermott sieht aus wie eine typische englische Hausfrau.
Doch der arrogante Multimillionär, der gerade erst zum Vorstandsvorsitzenden von Barclays ernannt worden war, verlor wegen der 44-Jährigen auf dem Zenit seiner Karriere seinen Job, nachdem McDermott seiner Bank jahrelange Manipulationen des Libor-Referenzzinses nachgewiesen hatte.
Auch Barclays-Aufsichtsratschef Marcus Agius und der Chef der Investmentbank, Jerry del Missier, mussten ihren Hut nehmen. Die Bank selbst wurde zu 450 Millionen Dollar Strafe an die britische Finanzaufsicht und die US-Terminmarktaufsicht verdonnert. Bluten musste auch die Royal Bank of Scotland mit 610 Millionen Dollar. Gegen ein Dutzend weiterer Banken ermittelt McDermott wegen Libor noch, darunter auch die Deutsche Bank.
McDermott ist heute Leiterin der Sanktionsabteilung bei der Behörde Financial Conduct Authority (FCA), die seit dem 1. April in Großbritannien für die Überwachung von Finanzprodukten zuständig ist – die bisherige Finanzaufsicht FSA (Financial Services Authority) wurde aufgelöst und in zwei Einheiten aufgespalten. Die Juristin leitete bei der FSA seit August 2012 die Abteilung für Finanzverbrechen.
"Ich streite mich ganz gerne"
Die Juristin hatte sich in der FSA von ganz unten nach oben gearbeitet, nachdem sie 2001 bei einer renommierten Anwaltskanzlei gekündigt hatte. Ihre Abteilung gehört mit 400 Mitarbeitern zu den größten in der Behörde. Hier tummeln sich Ex-Polizisten und ehemalige Banker, IT-Spezialisten und Anwälte. „Ich streite mich ganz gerne“, antwortete McDermott einmal, als sie gefragt wurde, warum sie die Konfrontation mit der Macho-Kultur in der Londoner City sucht. Eine Branche, die in der Lage sei, einer 94-Jährigen ein Finanzprodukt mit fünfjähriger Laufzeit aufzuschwatzen, müsse gebändigt werden. Und sie nennt die Vergehen beim Namen. „Was sich Barclays bei den Libor-Verstößen erlaubt hat, war mit das Schlimmste, das wir je gesehen haben“, sagt McDermott. Die Manipulationen seien angesichts der Relevanz des Referenzzinses alles andere als ein Kavaliersdelikt.
Wo McDermott hinlangt, greift sie hart durch. Mittlerweile sind wegen Insider-Verstößen aufgrund ihrer Ermittlungen 23 Männer und Frauen zu Gefängnis- oder hohen Geldstrafen verurteilt worden. Den prominenten US-Hedgefondsmanager David Einhorn und seinen Hedgefonds Greenlight Capital verdonnerte sie zu einer Strafe von umgerechnet 8,6 Millionen Euro, das war das zweithöchste Bußgeld, das die britische Finanzaufsicht jemals gegen eine Privatperson verhängte.
Die unerbittliche Aufseherin hat auch weiche Seiten. Ihre liebste Freizeitbeschäftigung sei es, mit ihren zwei Töchtern auf dem Spielplatz schaukeln zu gehen. Ein Mitglied des britischen Establishments war sie nie. Sie besuchte eine katholische Gesamtschule, bevor sie Jura studierte und sich auf Wirtschaftsrecht spezialisierte. „Mir tun die Bösewichte leid“, sagt ein ehemaliger Anwaltskollege über sie, „Tracey ist eine harte Nuss.“
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Jochen Weck, der für zinswettengeschädigte Mittelständler und Kommunen Schadensersatz erstreitet.
Der kühle Rechner: Jochen Weck
Jochen Weck bevorzugt den leisen, unauffälligen Auftritt – anders als die extrovertierten Protagonisten der angelsächsischen Juristenzunft, die ihre Gegner von der Wall Street oder aus der Londoner City gern unter Mediengetöse vor den Kadi zerren. Trotzdem ist der Münchner Anwalt mit den grauen Koteletten und der randlosen Brille nicht minder gefährlich für die Banken, die er ins Visier nimmt.
Weck gilt als juristischer Pionier im Dschungel der strukturierten Finanzprodukte. Er hat die viel zitierte Weisheit „Richter rechnen nicht“ um eine Erkenntnis ergänzt: „Anwälte aber schon“. Mit dieser Methode konnte Weck für deutsche Städte, Gemeinden und Unternehmen zahlreiche Vergleiche oder Schadensersatz erstreiten. Seine Mandanten wie der Maschinenbauer Teamtechnik oder der Hygieneartikelhersteller Ille aus der hessischen Wetterau haben mit Zinswetten der Deutschen Bank viel Geld verloren. „Banken verschleiern diese Produkte als Zinsoptimierung, tatsächlich sind es Spekulationsgeschäfte“, sagt Weck. Teamtechnik verlor durch einen Zinsabsicherungsvertrag binnen zwei Wochen eine Million Euro.
Erfolg motiviert
Für Ille-Gründer Wilhelm Blatz zog Weck bis vor den Bundesgerichtshof, der die Deutsche Bank im März 2011 zu 540.000 Euro Schadensersatz verurteilte. Auch für Kunden der untergegangenen WestLB und der Baden-Württembergischen Landesbank LBBW erstritt er Schadensersatz. Wecks Motivation ist nicht Jagdfieber, er will seine Kanzlei zur gefragtesten deutschen Adresse für Verfahren gegen Geldhäuser und andere Kapitalmarktakteure machen. Sein Motto: „Zufrieden sind wir erst, wenn uns die Anwälte der Gegenseite empfehlen.“ Geduld und Durchhaltevermögen sind Wecks Stärken, mit Akribie arbeitet der Jurist sich in komplizierte Finanzfragen ein, die die Gerichte unterer Instanzen überforderten. Erst bei höheren Instanzen drang er mit seinen Argumenten durch.
Nach dem Erfolg gegen die Deutsche Bank hat Weck nun die WestLB-Rechtsnachfolgerin Portigon im Visier. Er vertritt NRW-Kommunen wie Hückeswagen oder Kamen vor dem Landgericht Köln. Auch deren Kämmerer hatten sich Zinswetten andrehen lassen, weil sie glaubten, es handele sich um Absicherungsgeschäfte. Wecks nächster Mandant könnte Salzburg sein – die Stadt sucht Anwälte, die sie gegen die Deutsche Bank vertreten könnten.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Elke König, die Präsidentin der Bafin, die im Libor-Skandal gegen die Deutsche Bank ermittelt.
Die Emotionslose: Elke König
Elke König trägt ein knallrotes Kostüm und ein buntes Halstuch, aber die zierliche Frau in der zweiten Stuhlreihe fällt dennoch nicht auf. Während Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain am Podium referiert, stützt sie nachdenklich den Kopf auf die Hand, dann wieder macht sie eifrig Notizen. Ihr eigener Vortrag später ist ruhig und nüchtern, aber nicht langweilig.
Der distanzierte, fast emotionslose Auftritt ist typisch für die BaFin-Chefin. Außenstehende könnten das mit Zahnlosigkeit verwechseln. Aber wer sie kennt, weiß, dass sie sehr wohl beißen kann und unerbittlich sein, wenn es denn nötig ist. König spricht mit Spitzenmanagern von Finanzunternehmen durchaus auf Augenhöhe. Bevor sie Anfang 2012 an die BaFin-Spitze rückte, hatte sie als eine von wenigen Frauen bereits Karriere in der Finanzwelt gemacht. Von der Wirtschaftsprüfung KPMG über die Münchener Rück führte ihr Weg bis in den Vorstand der Hannover Rück. Als dort Anfang 2009 der Vorstandsvorsitzende wechselte, schied sie aus dem Unternehmen aus. Als Mitglied des Bilanzgremiums IASB setzte sie später erstmals selbst Spielregeln.
Für König ist es einerseits von Vorteil, die Branche aus der Innenperspektive zu kennen, andererseits wird ihr aber manchmal zu viel Nähe unterstellt. Gleich bei ihrer ersten Rede setzte sich die BaFin- Chefin für „Regulierung mit Augenmaß“ ein. Ihre Arbeit begreift sie als Balanceakt: Es gehe darum, den Banken mehr Fesseln anzulegen, ohne ihnen die Luft zum Atmen zu nehmen: Sicherer könnten die Banken nur werden, wenn sie genug verdienen.
Anders als die Aufseher in den USA oder Großbritannien, kann die BaFin keine Strafen verhängen. Das gilt auch für Königs derzeit brisantestes Projekt: Mit einer Sonderprüfung untersucht ihre Behörde, wie tief die Deutsche Bank in die Manipulation der Referenzzinsen Libor und Euribor verstrickt ist. Neue Gesetze sollen der BaFin mehr Macht geben. Banken könnten dann auf Anordnung der Behörde umstrukturiert werden, wenn sie für zu komplex befunden wurden. Dichtmachen kann die BaFin Banken schon heute.
König wird der Behörde dann aber wohl nicht mehr angehören: Sie soll als deutsche Vertreterin ins Spitzengremium der geplanten europäischen Bankenaufsicht aufrücken.