Nach dem Brexit BaFin pocht bei Auslandsbanken auf Komplett-Umzug

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin fordert von den Brexit-Flüchtlingen unter den Banken, bei einem Umzug auch wesentliche Teile ihres Managements von Großbritannien nach Deutschland zu verlagern.

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Bankenstandort Frankfurt Quelle: dpa

"Ausländische Banken sind willkommen. Wir erwarten aber auch, dass sie tatsächlich hierher kommen", sagte der stellvertretende Chef der Bankenaufsicht bei der Behörde, Peter Lutz, am Montag nach einem Treffen mit Vertretern von rund 25 Instituten aus aller Welt in Frankfurt.

Zumindest der Vorstand und wichtige Teile des Risikomanagements müssten dann in Deutschland angesiedelt sein. "Es reicht nicht, hier nur einen Briefkasten zu unterhalten und einen Vertrieb aufzubauen", sagte Lutz.

Unter den Teilnehmern an der Informationsveranstaltung seien Banken aus Großbritannien selbst, aus den USA, aus Australien und Japan gewesen, etwa die Hälfte davon Investmentbanken. Sie machten sich ernsthaft Gedanken über einen Umzug nach Frankfurt oder andere deutsche Städte, sagte Lutz. Einen formellen Antrag habe aber noch kein Haus gestellt. Die BaFin wolle Instituten, die ihr Geschäft nach Deutschland verlagern wollen, eine verlässliche Grundlage geben, müsse aber auch dafür sorgen, dass daraus keine Gefahren für den deutschen Finanzsektor entstünden.

Banken, die bisher Einlagen- und Kreditgeschäft mit einer britischen Lizenz in der gesamten Europäischen Union agieren konnten, brauchen dafür nach einem EU-Austritt Großbritanniens aller Voraussicht nach eine neue Lizenz in einem EU-Land. Um in Deutschland einen solchen "EU-Pass" zu erhalten, sei die Gründung einer Tochtergesellschaft nötig. In Deutschland wirbt vor allem die Finanzmetropole Frankfurt um internationale Banken, die einen neuen Standort suchen.

Konkurrenz hat Deutschland unter anderem aus Paris, Dublin und Luxemburg. "Viele haben offen darüber gesprochen, dass sie auch in anderen Ländern gewesen sind", sagte Lutz. Die Banken versuchten den Umzug möglichst kostengünstig zu gestalten. Ein langsamer Aufbau des Geschäfts in Deutschland sei denkbar. "Aber wir werden keine Erlaubnis erteilen auf das Versprechen hin, dass irgendwann alle Systeme vorhanden sind", sagte Lutz.

Diese Städte wollen das nächste London sein
Die irische Hauptstadt lockt vor allem mit niedrigen Steuersätzen für Unternehmen. Damit hat Irland bereits große US-Konzerne überzeugt – und zugleich Kritik auf sich gezogen. Der IT-Riese Google zum Beispiel muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er deutschen Fiskus austrickst. Quelle: imago images
Um sich dem Zugriff des Staates zu entziehen, verschieben einige Unternehmen über ihre Niederlassungen in Irland Gewinne in andere Steueroasen. Punkten kann Dublin natürlich auch damit, dass Englisch gesprochen wird. Gegen den Standort spricht aber, dass er nicht gerade zentral in der EU liegt und auch nicht gerade viele Banker unbedingt dort hinziehen werden. Quelle: imago images
Der französische Staatschef François Hollande hat gleich Paris als Alternative zu London ins Spiel gebracht – und Banken Hoffnungen auf Steuererleichterungen gemacht. Die Regierung müsse daher „unsere Regeln, darunter die fiskalischen, anpassen, um den Finanzplatz Paris attraktiver zu machen“, sagte Holland. Paris hat als Bankenstadt bereits eine Bedeutung – allein schon, weil die großen französischen Banken dort ihren Hauptsitz haben. Quelle: REUTERS
Und wenn es um Kultur, Lifestyle und Nachtleben geht, hängt Paris sowieso alle anderen Städte ab. Die Attraktivität Paris‘ ist zugleich ein Manko. Die Stadt ist extrem teuer, die Wege sind weit.   Quelle: imago images
Dass Luxemburg ein wichtiger Finanzplatz in der EU ist, ist unbestritten. Viele Banken, Fondsgesellschaften und Dienstleister haben dort große Büros. Der Großteil der Fonds, die in Deutschland verkauft werden, wurde nach den Luxemburger Regeln gestartet. Quelle: dpa
Und ähnlich wie Dublin hat auch das Großherzogtum Unternehmen mit geringen Steuersätzen angelockt. Diese Praxis ist aber mehr denn je hochumstritten. Zudem ist die Stadt mit rund 110.000 Einwohnern alles andere als groß. Fraglich wäre, ob dort einfach tausende weiterer Banker hinziehen könnten. Quelle: imago images
New York ist das globale Finanzzentrum. Entsprechen viele Banken aus aller Welt haben ohnehin einen großen Standort dort. Deshalb dürfte in einigen Fällen – wenn es nicht um Europageschäft geht – naheliegend sein, Jobs von London nach New York zu verlagern. In einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group nannten Topbanker von sich aus New York  als beste Alternative zu London. Quelle: AP

Die meisten Entscheidungen über einen Umzug erwartet die BaFin Ende des ersten oder Anfang des zweiten Quartals. Die Banken gingen davon aus, dass der Brexit im April 2019 - zwei Jahre nach dem offiziellen Antrag - vollzogen werde. Bis dahin müssten Immobilien gemietet, Mitarbeiter angeheuert und die IT installiert sein. "Da sind zwei Jahre schon recht knapp", sagte Lutz.

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