Negativzins Das übertriebene Klagen der Banker

Jammern über Niedrigzins und harte Regulierung gehören bei Bankern mittlerweile zum guten Ton. Neue Kapitalregeln könnten das verschärfen. Aber die Institute dürfen sich nicht hinter der Klagemauer verstecken.

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Deutsche Bank-Chef John Cryan Quelle: dpa

Mit Mario Draghi in den Ring steigen? Das möchte Deutsche Bank-Chef John Cryan dann doch lieber nicht. Gleich zu Beginn seines Vortrags auf dem Branchentreffen „Banken im Umbruch“ in Frankfurt betont Cryan, dass er den Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Draghi nicht persönlich angreifen wolle. Es gehe ihm lediglich um Sachfragen, die der Bankchef dann doch etwas anders sieht als der Notenbanker.

Mit Deutschbanker John Cryan reiht sich nun auch der wichtigste deutsche Bankchef in die Reihe der Klagenden ein. Von Sparkassen-Vorsprecher Georg Fahrenschon sind wir Beschwerden über die Politik der EZB und das niedrige Zinsniveau längst gewöhnt. Auch der Verband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) lamentiert regelmäßig darüber, wie die Banken unter Europas Geldpolitik leiden.

Zwar haben die Geldhäuser Recht, die Politik der Negativzinsen schadet mehr, als sie hilft und belastet die Bilanzen der Institute massiv. Allerdings verkennen sie dabei oft, dass sie mit ihren eigenen Exzessen vor der Finanzkrise erst dafür gesorgt haben, dass es soweit kommen konnte.

Die Problemfälle der Deutschen Bank
Mai 2016Der italienische Staatsanwalt Michele Ruggiero ermittelt wegen Marktmanipulation gegen die Deutsche Bank und fünf aktuelle und ehemalige Top-Manager. Es geht um den Verkauf von italienischen Staatsanleihen im Wert von sieben Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2011. Die Deutsche Bank soll öffentlich versichert haben, dass die italienischen Staatsschulden stabil seien, gleichzeitig aber den Märkten und dem Finanzministerium in Rom verschwiegen haben, dass sie ihre eigenen Bestände drastisch abbauen werde. Quelle: REUTERS
Mai 2016Die Deutsche Bank legt ein Verfahren in den USA außergerichtlich bei. Sie zahlt 50 Millionen Dollar wegen des Vorwurfs der Manipulation des Marktindexes Isdafix. Mehrere Pensionsfonds und Kommunen hatten insgesamt 14 Banken vorgeworfen, den Wettbewerb auf dem Markt für sogenannte Zinsswaps behindert zu haben. Quelle: REUTERS
Mai 2016Die britische Finanzaufsicht FCA wirft der Deutschen Bank grobe Versäumnisse bei ihren Kontrollsystemen vor. Die Aufsicht kritisiert die Vorkehrungen des Instituts gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsverstöße. Diese wiesen "systematische Mängel" auf. Führungskräfte seien nicht ausreichend im Kampf gegen Finanzkriminalität engagiert. Quelle: REUTERS
28. April 2016Dieser Ärger ist hausgemacht: Georg Thoma, Leiter des Integritätsausschusses im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, legt sein Amt nach massivem Druck seiner Kollegen nieder. Da Thoma vor allem die Aufklärung von Skandalen vorantreiben sollte, verunsichert sein Rückzug die Investoren.    Quelle: dpa
25. April 2016Ausnahmsweise mal ein juristischer Erfolg für die Bank. Das Münchner Landgericht spricht Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen und vier Ex-Spitzenbanker vom Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs frei. Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, im Zivilprozess um die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch gelogen zu haben. Quelle: dpa
22. April 2016Aktionärin Marita Lampatz verlangt eine umfangreiche Sonderprüfung bei der Deutschen Bank. Neben vergangenen Jahresabschlüssen soll ein externer Experte auch Schadenersatzansprüche gegen Aufsichtsratschef Paul Achleitner und andere Topmanager wegen des Libor-Zinsskandals prüfen. Über den Antrag entscheidet die Hauptversammlung am 19. Mai. Quelle: dpa
April 2016Die Veröffentlichung der „Panama Papers“ zeigt, dass rund 30 deutsche Banken in den vergangenen Jahren die Dienste der Kanzlei Mossack Fonseca genutzt und mit ihrer Hilfe Briefkastenfirmen aufgesetzt haben. Auch die Deutsche Bank ist dabei. Quelle: REUTERS

„Die Notenbanken müssen handeln“, überschreibt Cryan einen seiner Aspekte, die er zur Frankfurter Bankentagung als Fünf-Punkte-Plan für Europas Banken mitgebracht hat. Die Geldpolitik wirke inzwischen ihren Zielen entgegen. Die Wirtschaft könne nicht mit Hilfe der Banken gestärkt werden, wenn diese weiterhin so einen starken geldpolitischen Gegenwind erfahren.

Riskante Fehlallokation

Schon einige Tage vor der Tagung sorgte Cryan mit einem Gastbeitrag im „Handelsblatt“ dafür, dass das Thema auf jeden Fall auf der Agenda steht. „Nicht nur die Banken leiden, auch für die Sparer und deren Altersvorsorge sind die Folgen fatal“, kritisiert der Deutsche Bank-Chef schon fast in Sparkassen-Manier die Politik der niedrigen Zinsen.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Es ist nicht das erste Mal, dass die Deutsche Bank Position gegen Europas Geldpolitik bezieht. Schon im Juni nahm sich der Chefvolkswirt der Bank, David Folkerts-Landau, extra lange Zeit, um in einem Gespräch mit Frankfurter Journalisten zu erläutern, warum die derzeitige EZB-Politik riskant ist und warum Mario Draghi seinen Kurs dringend ändern muss. „Die Politik der EZB führt zu Fehlallokationen in der Realwirtschaft. Die Verlierer sind die Sparer, während sich Aktien- und Immobilienbesitzer die Hände reiben“, sagte Folkerts-Landau, der normalerweise nur einmal im Jahr zu solchen Gesprächen einlädt. Diesmal wollte er aber etwas loswerden.

Aus Sicht der Banken liegt die Argumentation auf der Hand. Der von der EZB eingeführte negative Einlagezins lastet schwer auf ihren Bilanzen. Stephan Engels, der Finanzchef der Commerzbank, musste bei seiner jüngsten Ergebnispräsentation Anfang August beispielsweise einräumen, dass das Zinsergebnis der Bank auch im kommenden Jahr wohl noch mal um 100 Millionen Euro geringer ausfallen dürfte. Bei anderen Instituten sieht es nicht besser aus.

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