Neuer Ärger Kirchs Hinterlassenschaft bei der Deutschen Bank

Durch den Vergleich mit den Kirch-Erben ist der Fall nicht endgültig erledigt. Es droht Ärger mit Aktionären und Ex-Vorstandschef Rolf Breuer. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank AG, Rolf Breuer Quelle: dapd

Das offizielle Ende kommt am Donnerstag um 13.09 Uhr. In einer knappen Pressemitteilung erklärt die Deutsche Bank den längsten Gerichtsprozess ihrer Geschichte für beendet. Gegen eine Zahlung in Höhe von 775 Millionen Euro legt sie nach fast zwölf Jahren den Streit mit der 2002 in die Insolvenz gegangenen Kirch-Gruppe bei.

Den Vertrag unterschreiben die Anwälte der Deutschen Bank und Kirchs am Vormittag im Oberlandesgericht München unter Aufsicht des zuständigen Richters Guido Kotschy. Der Friedensschluss erfolgt genau in jenem Verhandlungssaal direkt unter dem Dach, in dem sich die beiden Parteien in den Jahren zuvor bis aufs Blut bekämpft haben. Noch am gleichen Tag überweist die Bank das Geld auf Kirchs Konto. Inklusive Zinsen und Kostenerstattungen bekommen die Kläger 925 Millionen Euro aus Frankfurt.

Das beispiellose Verfahren hatte 2002 mit einer ebenso sprachlich ungelenken wie inhaltlich brisanten Aussage des damaligen Vorstandschefs Rolf Breuer in einem TV-Interview begonnen. „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen“, ließ sich Breuer über den Kirch-Konzern aus. Für den Medienunternehmer war klar, dass der Bankchef sein Lebenswerk schlechtgeredet hatte, um an dessen Restrukturierung zu verdienen. Wenig später begann sein juristischer Rachefeldzug.

Mit der Einigung sind nun viele, aber längst nicht alle Fragen beantwortet. Die wichtigsten im Überblick:

Warum vergleicht sich die Bank ausgerechnet jetzt?

Anläufe zu Einigungen hat es immer wieder gegeben. Einen von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kurz vor Ende seiner Amtszeit Anfang 2012 ausgehandelten Vergleich über 812 Millionen Euro kippten die übrigen Vorstände in letzter Minute. Schon im vergangenen Jahr gab es dann erneut Gespräche. Und das auf neuer Grundlage: Ende 2012 hatte das Oberlandesgericht München gegen die Bank entschieden. Das Verfahren lief zwar seitdem noch weiter, es ging zuletzt aber nur noch um die Höhe des fälligen Schadensersatzes. Im Vorstand ist zuletzt der Wunsch gereift, den Schaden zu begrenzen und den endlosen Streit endlich zu beenden. Gerade Co-Chef Anshu Jain soll darauf gedrängt haben, diese Altlast endlich abzuarbeiten.

Die Position der Bank hatte sich inhaltlich zuletzt deutlich verschlechtert. Bei mehreren Durchsuchungen gefundene Unterlagen legten nahe, dass es entgegen allen Beteuerungen doch konkrete Pläne zur Zerschlagung von Kirchs Reich gab. Deshalb wollte die Bank wohl auch eine unmittelbar anstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht mehr abwarten. Denn selbst ein Erfolg dort hätte nur zu einer Fortsetzung des Verfahrens geführt – mit ungewissem Ausgang.

Wie stark belastet der Vergleich das Ergebnis?

Nach dem Münchner Urteil hatte die Bank bereits Rückstellungen gebildet. Der Vergleich belastet das Ergebnis nun zusätzlich mit 350 Millionen Euro. Diese fallen rückwirkend im vierten Quartal 2013 an. Für diesen Zeitraum muss die Bank nun insgesamt einen Verlust nach Steuern von fast 1,4 Milliarden Euro verbuchen.

Zukunft der Vorstände noch unklar

Wie finden das die Aktionäre der Deutschen Bank?

Über Jahre hatte die Bank ihren Eigentümern erklärt, dass sie sicher nicht zahlen müsse. Die Sorge vor Klagen der Aktionäre war in der Vergangenheit denn auch ein Grund, ausgehandelte Vereinbarungen platzen zu lassen. Ganz leicht wird die Argumentation auch jetzt nicht. Der Wunsch nach Ruhe reicht nicht aus, um eine derart hohe Zahlung zu rechtfertigen. Nach der Niederlage im Prozess kann die Bank aber einigermaßen glaubhaft behaupten, dass die nun getroffene Vereinbarung Schlimmeres verhindert.

Denn mit dem Vergleich sind etwa 25 weitere Klagen der Kirch-Seite erledigt. Darunter finden sich auch Schadensersatzforderungen wegen des Wertverlusts anderer ehemaliger Beteiligungen des verzweigten Kirch-Reichs, unter anderem am Axel-Springer-Verlag. Die Klagen hätten durchaus zu Zahlungen von mehr als fünf Milliarden Euro führen können. Dass einzelne Aktionäre dennoch gegen den Vergleich klagen, ist nicht ausgeschlossen. An der Börse spielte die Einigung am Donnerstag keine große Rolle. Die Aktie der Bank fiel bis zum Nachmittag um 1,7 Prozent, kaum mehr als der Dax.

Muss Breuer jetzt zahlen?

Schon um die Aktionäre zu besänftigen wird die Bank kaum darum herumkommen, gegen ihren Ex-Chef vorzugehen. Die Fürsorglichkeit gegenüber dem auskunftsfreudigen Breuer soll intern zuletzt deutlich nachgelassen haben. Die endgültige Entscheidung über einen möglichen Regress muss der Aufsichtsrat treffen, sie ist wohl noch nicht gefallen. Die Tendenz geht jedoch gegen Breuer. Unklar ist, ob seine Managerhaftpflicht einspringt. Sie zahlt nicht bei vorsätzlichen Verfehlungen.

Was machen die Kläger mit dem Geld?

Gegen die Deutsche Bank ist eine Klagegemeinschaft ins Feld gezogen. Die Hälfte des Geldes geht an den Insolvenzverwalter und damit an die Gläubigerbanken des 2002 pleitegegangenen Kirch-Konzerns. Von der anderen Hälfte gehen wiederum etwa 50 Prozent an Kirchs Familie. Dass die hochbetagte Witwe Ruth die späte Genugtuung anders als ihr 2011 verstorbener Mann noch erleben kann, gilt auf Kirch-Seite als wesentlicher Grund für die Zustimmung zur Einigung. Auch Kirch-Manager Dieter Hahn wird über einen größeren Batzen verfügen können. Er wird ihn vermutlich in den weiteren Aufbau eines neuen Mediengeschäfts stecken.

Welche Folgen hat der Vergleich für die laufenden Strafverfahren?

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Prozessbetrugs gegen Breuer, die früheren Vorstände Josef Ackermann, Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck sowie den amtierenden Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen. Sie alle hatten mehr oder weniger deutlich behauptet, dass die Bank nicht mit Kirch ins Geschäft kommen wollte. Doch in den angeblich rund 30.000 Seiten umfassenden beschlagnahmten Unterlagen finden sich Dokumente, die das Gegenteil nahelegen. Deshalb sollen die übrigen Vorstände bei ihren Vernehmungen von Breuer abgerückt sein und ihn als Hauptverantwortlichen dargestellt haben. Ob ihnen das eine Anklage erspart, ist unklar. Die Staatsanwälte dürften darüber in den kommenden Tagen entscheiden. Die Einigung könnte aber zumindest dafür sorgen, dass die Strafe bei einer Verurteilung milder ausfällt.

Kirch-Anwälte profitieren vom Prozess

Was bedeutet der Vergleich für die Anwälte der Deutschen Bank?

Die Kanzlei Hengeler Mueller hatte über Jahre darauf beharrt, dass der Prozess nicht zu verlieren sei und von Vergleichen abgeraten. Dass sie für diese Einschätzung haften muss, ist nahezu ausgeschlossen. Dafür reicht es, dass ihre Auffassung juristisch vertretbar war. Bei der Unterzeichnung des Vergleichs assistierten die Konkurrenten von Linklaters. Das lag zwar vor allem daran, dass Hengeler an Breuers Seite bleibt und die Interessen des Ex-Chefs und der Bank spätestens jetzt nicht mehr identisch sind. Dennoch hat das Image der ehrwürdigen Sozietät gelitten.

Haben die Kirch-Anwälte von dem Prozess profitiert?

Ja. Die Münchner Kanzlei Bub Gauweiler war vor dem Verfahren regional bekannt. Ausdauer und Fintenreichtum haben ihr zwar immer mal wieder den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs eingebracht, sie aber auch als erste Adresse für besonders harte Fälle etabliert. So hat Metro sie im Streit mit Media-Markt-Gründer Erich Kellerhals mandatiert, und auch Eugen Münch, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender von Rhön-Klinikum, setzte in der Auseinandersetzung mit den Gesellschaftern Asklepios und B. Braun auf ihre Unterstützung.

Was wird uns mit dem Kirch-Verfahren fehlen?

Der äußerst emotional geführte Streit war eine Mixtur aus Drama und Schmierentheater, selbst die beteiligten Pressesprecher haben sich gegenseitig verklagt. Die Bank soll unter anderem versucht haben, einen Spitzel in die Kirch-Kanzlei einzuschleusen. Die an Polizeiverhöre erinnernden Befragungen von Richter Kotschy sorgten für ungewollt tiefe Einblicke in die abgehobene Welt mancher Deutsche-Bank-Granden. Kotschys Verdienst bleibt, dass das fast schon abgehakte Verfahren noch einmal Fahrt aufnahm. Und auch wenn die Aktionäre die Zeche zahlen, hat das Ende für sie ein Gutes: Ihnen bleiben künftig die Auftritte der Kirch-Anwälte erspart, die die Hauptversammlung der Deutschen Bank mit einer endlosen Kette von Anträgen in die Länge zogen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%