Leithner selbst sagt dazu nichts. Ins Scheinwerferlicht hat er noch nie gestrebt. Dass es auf dieser Seite kein besseres Foto von ihm gibt, liegt daran, dass es überhaupt kein besseres Foto von ihm gibt. Und er keines von sich machen lassen will. Über sich selbst sprechen mag er genauso wenig. Wenn es denn sein muss, sollen das seine Kunden tun. Lobende Worte über Banker, Investmentbanker gar, fallen Industriemanagern schwer. Bei Leithner jedoch machen einige eine Ausnahme.
Leithner imponiert mit Integrität
Linde-Chef Wolfgang Reitzle etwa. Mit Leithners Hilfe zog er 2005 die Übernahme des britischen Industriegasherstellers BOC durch. Zusammen saßen sie oft bis spät in die Nacht an den Details des Deals, der aus dem Mischkonzern mit einem Schlag ein ganz anderes Unternehmen machte. Leithner hat Reitzle dabei schwer imponiert. Durch seinen Einsatz, seine intellektuelle Brillanz. Und sein klares Bewusstsein für die Grenzen des Zulässigen, sein penibles Einhalten aller Vorschriften. "Seine ethischen Grundsätze, seine persönliche Integrität sind beeindruckend", lobt Reitzle.
Auch Fresenius-Chef Ulf Schneider hörte bei Transaktionen bevorzugt auf Leithner. Mit ihm leitete er etwa die Milliardenübernahmen von Renal Care und APP ein. "Stephan Leithner ist stets verfügbar, stets bestens vorbereitet, stets sehr hilfreich", sagt Schneider. "Er verkörpert Solidität und Bescheidenheit mit weltoffener Einstellung und internationaler Erfahrung. Er selbst braucht keinen Kulturwandel, weil er keine Exzesse zu verantworten hat."
Keiner Bezweifelt, dass es ihm ernst ist
Nicht alle Kunden sind so voll des Lobes. Bei den abgebrochenen Anläufen von Evonik an die Börse etwa war der Chemiekonzern mit der Rolle der Deutschen Bank unter Führung Leithners alles andere als zufrieden. Und doch loben selbst Konkurrenten seine Integrität, seine tiefe Verwurzelung im Kundengeschäft. Dass es ihm ernst ist mit den Veränderungen, bezweifelt keiner. Seine Herkunft aus dem Investmentbanking soll ihm Glaubwürdigkeit und Autorität geben, um den Wandel auch dort durchzusetzen. Wie Leithner schon ist, so die Vorstellung, soll das ganze Investmentbanking der Bank einmal werden.
Wandel tut hier not. Längst ist bekannt, dass es in einigen Büros in Leithners Nachbarschaft in den Jahren vor 2008 hoch und nicht immer legal herging. "Da wurden Produkte entwickelt, bei denen man wusste, dass sie vermutlich implodieren würden, und für die man später den Aufräumdienst verkaufen wollte", erzählt ein Insider. Es boomten die Verbriefungen amerikanischer Ramschhypotheken, und eine Spezial-Verkaufstruppe zog los, um Kommunen und Mittelständlern Produkte zu verkaufen, mit denen die ihre Zinsrisiken absichern sollten. Schon weil diese Kunden keine Ahnung von Marktpreisen hatten, gingen die Gewinne der Bank steil nach oben. Kurzfristig jedenfalls.
Nun verlangen viele Geschädigte Genugtuung. Leithner hat den undankbaren Job, den von den Kollegen angerichteten Schlamassel aufzuarbeiten. Wie hoch der Schaden letztlich ist und für wie viel die Bank geradestehen muss, ist noch nicht absehbar. Drei Milliarden Euro hat sie für Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt. Aber ob das reicht? "Da wird noch einiges hochkommen", fürchtet ein Top-Manager der Bank. Schon bei der Vorlage der Quartalszahlen an diesem Dienstag muss wohl noch mal kräftig aufgestockt werden.
Wann hört das auf? Zumindest das Verfahren um die Manipulationen des Referenzzinses Libor wird wohl Anfang nächsten Jahres beendet sein. Aber wer sagt, dass die Banker des Instituts nicht auch an den Kursen von Devisen, Rohstoffen oder Gold herumgespielt haben? Und was kommt bei den diversen Hypothekenklagen in den USA am Ende heraus?