Postbank Deutsche Bank kehrt mit eisernem Besen

Zwei Unternehmenskulturen prallen aufeinander, Sparpläne treiben die Beschäftigten zu Warnstreiks: was die Deutsche Bank nach der Übernahme mit dem Bonner Geldinstitut Postbank vorhat.

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Die Deutsche Bank will ihren Anteil an der Postbank auf 90 Prozent aufstocken Quelle: dpa

Vorweihnachtliches Halbdunkel herrscht in der Postbank-Filiale gegenüber dem Wiesbadener Hauptbahnhof das ganze Jahr über, aber nun hat das Institut auch passende Produkte im Angebot. Im Restpostenregal liegen Weihnachtsservietten und Bücher zum „Superpreis“, daneben stapeln sich Grußkarten und Schreibwaren. Dass in der Ramschladenatmosphäre auch Bankangebote über den Tisch gehen sollen, ist wie bei vielen Zweigstellen vor allem an den Geldautomaten im schmuddeligen Eingangsbereich erkennbar. Die für Finanzberatungen reservierte finstere Glaskabine an der Seite des Raumes ist jedenfalls unbesetzt.

Ein „Powerhouse“ sieht anders aus. Genau das aber soll aus dem dämmrigen Filialnetz werden, wenn es nach dem Mehrheitseigentümer Deutsche Bank geht. „Schnell, unkompliziert, effizient“, gibt Christian Ricken, Organisationsvorstand des Deutsche-Bank-Privatkundengeschäfts, als Leitlinie vor. Mit ihrer neuen Tochter will das Institut auf dem schwierigen deutschen Privatkundenmarkt groß auftrumpfen. Doch die Integration, die bisher lautlos vonstatten ging, wird immer schwieriger. Vor allem die kulturellen Unterschiede beider Banken sind enorm.

Seit die Deutsche Bank im Sommer 2008 einen Teil der Postbank kaufte und sich die Komplettübernahme sicherte, befindet sich das Institut im Schwebezustand. Einzelne Produkte wurden schon gemeinsam entwickelt, der Deutsche-Bank-Privatkundenvorstand Rainer Neske übernahm den Vorsitz im Aufsichtsrat, andere Manager wechselten in das Kontrollgremium und den Vorstand. Ansonsten merkten die Postbank-Angestellten nicht viel.

Im Februar wird sich das ändern. Die Deutsche Bank wird vermutlich rund 40 Prozent der Postbankaktien von der Deutschen Post übernehmen und ihre Beteiligung auf rund 90 Prozent aufstocken. Dann kann sie schalten, wie sie will, dann ist der Dämmerschlaf zu Ende. Viele Beschäftigte fühlen sich schon jetzt nicht wachgeküsst, sondern aus der Hängematte geschubst. Mit Warnstreiks reagierten sie vergangene Woche auf die Pläne aus Frankfurt.

Knapp sechs Milliarden

Knapp sechs Milliarden Euro kostet die komplette Übernahme den Branchenprimus. Kaum jemand zweifelt daran, dass das Geld im Grunde sinnvoll angelegt ist. Mit der Postbank macht sich die Deutsche Bank unabhängiger von den schwankenden Gewinnen im Investmentbanking. Ist das Bonner Institut einmal voll integriert, soll das mit ihm gestärkte stabile Privatkundengeschäft jährlich rund drei Milliarden Euro verdienen und damit rund 40 Prozent zum Gesamtgewinn beitragen.

Mehr als 2000 Filialen mit 24 Millionen Kunden sollen das Geschäft mit Sparbüchern und Krediten in hierzulande bisher unbekannte Dimensionen der Effizienz führen. Mit rund 100 Milliarden Euro Kundeneinlagen bei der Postbank stellt die Deutsche Bank zudem ihre Finanzierung auf eine stabilere Basis und koppelt sie stärker von den Kapitalmärkten ab. Daher dürfte die künftige Doppelspitze aus dem Investmentbanker Anshu Jain und dem bisherigen Deutschland-Chef Jürgen Fitschen keinen Kurswechsel einläuten.

Theorie und Umsetzung

Mitarbeiter der Postbank streiken Quelle: dapd

In der Theorie klingen die Pläne gut. Aber die Umsetzung sieht anders aus.

So wie zum Beispiel Ende September vor der Postbank-Zentrale in Bonn. Erstmals tritt der Unmut der Angestellten nach außen. Rund 300 Betriebsräte aus ganz Deutschland sind angereist, über ihren Anzügen tragen sie rote Verdi-Plastikwesten, sie recken Plakate in die Höhe mit Aufschriften wie „Personalabbau aus Leidenschaft“. Verdi-Chef Frank Bsirske, im Nebenjob Aufsichtsrats-Vize der Postbank, erklimmt eine Bühne und donnert los: gegen den „Generalangriff auf die Arbeitsbedingungen“, gegen die „Gewalt des Eigentums“, gegen die „Hardliner im Vorstand, die den Hals nicht voll kriegen“.

Ähnlich ging es bei den Warnstreiks vergangene Woche zu. Grund sind angekündigte Einschnitte, von denen sich das weiterhin zuständige Management der Postbank nicht abbringen ließ. So sollen zunächst 1600 Angestellte in eine Servicegesellschaft zur Kreditabwicklung ausgelagert werden, weitere im Zahlungsverkehr und in den Callcentern dürften folgen. Beschäftigte sollen dort künftig 42 und damit drei Stunden in der Woche mehr arbeiten und drei Tage weniger Urlaub bekommen. Auch wenn die Bedingungen in ähnlichen Gesellschaften der Deutschen Bank üblich sind, sehen Arbeitnehmervertreter darin eine „Blaupause für die gesamte Postbank“. Nach Berechnungen von Verdi fallen durch das Sparprogramm bis Ende 2012 1500 Stellen weg.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen sind die Einsparungen bereits Grundlage der Jahresplanung 2012. „Die Deutsche Bank haut mit der Axt in den Tisch und glaubt, dass sie einfach durchregieren kann“, schimpft ein Arbeitnehmervertreter aus dem Postbank-Aufsichtsrat. „Sie ist dabei, die kollegiale Kultur zu zerstören.“

Effizienter

Die Unterschiede sind enorm. Auf der einen Seite steht das frühere Staatsinstitut, das Tausende Beamte beschäftigt und dessen Angestellte zu mehr als 60 Prozent in der Gewerkschaft organisiert sind. Auf der anderen Seite die global erfolgreiche Investmentbank, bei der die Gewerkschafter nur wenig Rückhalt haben und selbst viele Filialmitarbeiter so aussehen, als wären sie gerade von der Wall Street eingeflogen.

Schon die ersten Sondierungsgespräche der Top-Manager machten die Differenzen deutlich. „Beide Seiten dachten, dass sie sehr kulant sind und möglichst weit auf den anderen zugehen“, sagt ein hochrangiger Deutsche-Bank-Manager. „Und beide Seiten sind nach dem Gespräch vermutlich aufgestanden und haben sich gewundert, mit welchen Hardlinern sie da gerade zusammengesessen haben.“

Umbau bei Postbank und Deutscher Bank

Um ihre Ziele zu erreichen, muss die Deutsche Bank an dem Kurs festhalten. „Wir wollen die Lücke zu den besten Wettbewerbern schließen“, sagt Manager Ricken. Von denen ist das Institut weit entfernt. So geht aus Präsentationen der Deutschen Bank hervor, dass Angestellte bei Konkurrenzinstituten doppelt so viel Zeit für die Beratung von Kunden haben und deutlich effizienter arbeiten. Das Verhältnis von Kosten zu Erträgen soll bei Deutscher Bank und Postbank deshalb von mehr als 70 auf etwa 60 Prozent sinken.

Der Umbau findet nicht nur bei der Postbank statt. So hat die Deutsche Bank auch ihr eigenes Privatkundengeschäft umstrukturiert. Die bisher für alle Geschäfte in größerem Umkreis zuständigen rund 20 Regionalleiter werden entmachtet. Stattdessen wird das Geschäft zentral nach Sparten organisiert. Die Struktur zieht sich vom Vorstand bis hinunter in die Filialen.

Auch bei der Deutschen Bank wird der Zusammenschluss für einen Stellenabbau sorgen. Ein großer Teil der geplanten Einsparungen stammt aus der Informationstechnik. In beiden Banken laufen derzeit rund 600 Programme, künftig sollen es deutlich weniger sein. Dass die Bank ein einheitliches SAP-System einführt, gilt in der Branche als wegweisendes Projekt. 2013 sollen die Konten umgestellt werden, 2014 folgen das Kredit- und Wertpapiergeschäft, 2015 soll der Transfer abgeschlossen sein. Knapp 1000 Beschäftigte beider Banken arbeiten schon jetzt ausschließlich an der Zusammenführung beider Institute.

Deutlich entschlacken will die Deutsche Bank auch ihr Angebot. Derzeit haben beide Institute zusammen rund 500 Produkte auf Lager. Künftig sollen es nur noch um die 60 sein, die im Prinzip gleich funktionieren und lediglich im Marketing einen individuellen Zuschnitt bekommen.

Zweigstellen hübscher machen

Auch die oft schäbig wirkenden Zweigstellen der Postbank will der neue Eigentümer auf Vordermann bringen. Dabei soll der „Bankcharakter“ in den Vordergrund treten, heißt es in den Planungen. Postdienstleistungen sollen eher nebenbei und schneller abgewickelt werden. Denkbar sind dazu etwa neue „Expressschalter“. Um den Plan umzusetzen, wird die Deutsche Bank investieren: Ein dreistelliger Millionenbetrag scheint vorstellbar.

Der Umbau soll die Postbank auf den Vertrieb einfacher Finanzprodukte an durchschnittliche Privatkunden reduzieren. Das betrifft auch den 2005 übernommenen Baufinanzierer BHW. Was aus den unabhängigen Finanzberatern wird, die dem BHW angeschlossen sind, immer wieder durch Beratungsskandale auf sich aufmerksam machten und deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielen, ist offen. Die Finanzberatereinheit könnte verkauft oder auch zugemacht werden.

Einlagenüberschuss

BHW zählt zu den Käufen „von zweifelhafter Passung und Wert“, von denen in einer Analyse der Citigroup die Rede ist. Die größere Altlast sind die sogenannten „Finanzanlagen“. Da die Postbank einen deutlichen Überschuss von Einlagen hat, investierte sie in großem Stil in alles, was der Wertpapiermarkt so hergab. Hierzu zählen Staatsanleihen aus Krisenländern und strukturierte Kredite. Noch immer sitzt sie auf verbrieften Immobiliendarlehen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro.

Den Berg hatte vor allem der bis 2007 amtierende Kapitalmarktvorstand Loukas Rizos aufgehäuft. Er ist nicht die einzige Ex-Spitzenkraft, die bei den neuen Herren nicht gut gelitten ist. Wolfgang Klein, der die Bank von 2007 bis 2009 führte, gilt dort als leicht größenwahnsinnig. Klein stilisierte sich bei seinem Abgang zum wackeren Unabhängigkeitskämpfer. Grund für sein Ausscheiden dürfte aber sein rasanter Expansionskurs gewesen sein, mit dem er das Institut etwa in die riskante Finanzierung von Gewerbeimmobilien rund um die Welt trieb.

Postbank als Vertriebseinheit

Demnächst stehen im Postbank-Vorstand erneut Veränderungen an. Der Vertrag des 65-jährigen Vorsitzenden Stefan Jütte läuft im Sommer aus und wird nicht verlängert. Als möglicher Nachfolger gilt der Deutsche-Bank-Manager Frank Strauß, der im Sommer zur Postbank gewechselt ist. Insider rechnen damit, dass das mit neun Mitgliedern üppig besetzte Gremium zusammengestutzt wird. Weitere Top-Manager werden in den kommenden Monaten wohl gehen.

Die Deutsche Bank will sich zu all dem nicht äußern. Klar ist aber, dass Funktionen überflüssig werden. Die Postbank braucht unter der neuen Herrschaft keinen Vorstand fürs Personal mehr und auch keinen für das Kapitalmarktgeschäft. Dass sich drei Vorstände um Privatkunden und Vertrieb kümmern, scheint ebenfalls überflüssig. Mit dem Kürzungskurs auf allen Ebenen wird klar, wie die Zukunft in Bonn aussieht und was Deutsche-Bank-Manager als „Realität, die akzeptiert werden muss“, bezeichnen: Die Postbank wird nach der Übernahme keine vollständige Bank mehr sein. Sondern eine große Vertriebseinheit des großen Bruders in Frankfurt.

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