Sal. Oppenheim Der tiefe Sturz der Oppenheims

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Der gute Ruf ist dahin

Sie hören aufmerksam zu, was all die Gutachter und Zeugen so über sie erzählen. In der Mittagspause sitzen sie auch mal auf Holzklappstühlen draußen in der Sonne, jeder mit seinen Anwälten an einem Tisch für sich. Miteinander reden sie kaum. Um sie herum liegt eine Wüstenei aus Behördenbeton, sie essen ein Würstchen vom „Snack-Mac“, und neben ihnen rauchen die Sacharbeiter des benachbarten Arbeitsamts.

Der Abstieg lässt jene, die ihn miterlebt haben, immer noch nicht kalt. Sie waren ja keine schlechten Chefs, keine bösen Menschen, sie haben ihre Angestellten gut behandelt und bestens bezahlt. Man hatte einen Ruf: dass man sich nicht dem Diktat der Quartalsberichte unterwerfe, sondern in Generationen denke.

Aufstieg und Niedergang von Sal. Oppenheim

Dass man den Kunden Anlagen bot, die sonst nirgendwo zu bekommen waren. „Wir empfehlen nichts, worin wir nicht auch selbst investieren“, warb Krockow und freute sich, wenn seine Kunden nicht nur von seinen Angeboten, sondern auch von den livrierten Etagenboten und den Urahnen in Öl an den Wänden des Kölner Stammhauses beeindruckt waren.

Die Ölbilder sind abgehängt, statt 4500 Mitarbeiter arbeiten heute knapp 500 für die Bank, die Mutter Deutsche Bank taxiert den Wert der Marke Oppenheim noch auf läppische 27 Millionen Euro, und der Ruf ist auch dahin. Was Gier und unterschätzte Risiken, zu viel Nähe, Druck, Erwartungen – das ganze Buddenbrooks-Zeug eben – halt so anrichten.

Deutschlands traditionsreichste Privatbanken
Mit ihrem Geld wurden Könige gewählt und Kriege finanziert. Privatbankiers haben zum Teil schon vor 500 Jahren große Vermögen verwaltet. Heute kümmern sich die exklusiven Geldhäuser hauptsächlich um die Gelder von betuchten Privatkunden. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der unabhängigen Institute in Deutschland von über 1300 auf rund ein Dutzend zurückgegangen. Und mit der Notübernahme von Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank verliert das prominenteste und finanzstärkste private Institut in Deutschland seine Unabhängigkeit. Foto: PR
Sal. OppenheimMit 40 000 Talern in bar und 50 000 Talern in Wertpapieren gründete der 17-jährige Salomon Oppenheim Jr. im Jahr 1789 ein Kommissions- und Wechselhaus in Bonn. 220 Jahre und zwei Umzüge später sitzt die Privatbank nun in Luxemburg und beschäftigt rund 4300 Mitarbeiter. Mit einer Bilanzsumme von 41,4 Milliarden Euro (Stand November 2009) zählt sie zu den größten unabhängigen Privatbanken Europas. Im Jahr 2008 schrieb die Bank zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg rote Zahlen. Foto: PR
Berenberg-BankUm ihr Vermögen müssen die persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank nicht bangen: Eine Eigenkapitalrendite von 45,3 Prozent und ein Überschuss von 62 Millionen Euro im vergangenen Jahr (2010) dürfte sie ruhig schlafen lassen. Die Berenberg Bank nennt sich selbst die älteste Privatbank Deutschlands. Sie ging aus einem familiengeführten Hamburger Handelshaus hervor, das 1590 gegründet wurde. Sie verfügt über eine Bilanzsumme von 3,2 Milliarden Euro (2010) und verwaltet über 25 Mrd. Euro. Ende 2010 beschäftigte die "Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG" 977 Mitarbeiter an 17 Standorten. Größte Gesellschafter sind die Familie sowie die persönlich haftenden Gesellschafter. Foto: PR
Hauck & Aufhäuser PrivatbankiersKnapp acht Prozent von Hauck & Aufhäuser gehören dem Kuwaitischen Königshaus. Die Gründerfamilie Hauck hält ebenfalls ein Aktienpaket, rund 80 Prozent der Anteile sind im Besitz privater Unternehmerfamilien. Der Bilanzgewinn lag 2010 bei 9,1 Millionen Euro, die Bilanzsumme betrug 3,2 Milliarden Euro. Hauck & Aufhäuser beschäftigt derzeit rund 600 Mitarbeiter. Foto: PR
Bankhaus LampeDas Motto des Bankhaus Lampe lautet "Für Wenige Besonderes leisten". Dem bleibt die Bank auch treu: Wenige, dafür wohlhabende Kunden bilden das Klientel. Gegründet wurde das heute in Bielefeld ansässige Unternehmen 1852 in Minden. Mittlerweile hat das Bankhaus Lampe 580 Mitarbeiter an 12 Standorten, darunter Dresden, Hamburg, Berlin und München. Hatte das Institut 2007 noch 24 Millionen Euro Jahresüberschuss, schrieb es 2008 zwölf Millionen Euro Verluste. Foto: PR
Fürstlich Castell'sche Bank, Credit-Casse AGDie älteste Bank Bayerns wurde 1774 als "Gräflich Castell-Remlingen´sche Landes-Kredit-Casse" gegründet. Nach der Erhebung in den Fürstenstand und der Übernahme einer anderen Castell`schen Bank heißt das Institut heute "Fürstlich Castell´sche Bank, Credit-Casse". Der Hauptsitz ist mittlerweile in Würzburg. Die Bank befindet sich im alleinigen Besitz der Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell. Die Bilanzsumme liegt bei 1,1 Milliarden Euro (Stand November 2009). Beschäftigt werden 270 Mitarbeiter in 15 Filialen. Foto: PR
Merkur-BankDie Merkur-Bank engagierte sich in den 90er-Jahren in der Republik Mosambik, was ihrem damaligen Vorsitzenden Siegfried Lingel den Titel Honorarkonsul von Mosambik einbrachte. Gegründet wurde die Bank 1959 von Zanwel Horowicz zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder. 1986 stieg dann eine Investorengruppe um Siegfried Lingel ein. Der Bilanzgewinn sank im Jahr 2008 auf 282 000 Euro im Vergleich zu 956 000 Euro in 2007. Foto: PR

Gesellschafter für Führung wenig geeignet

Zwei Drittel der Bank gehörten zwei Familienstämmen, den Oppenheims und den Ullmanns. Die entsandten je einen der Ihren als persönlich haftenden Gesellschafter in die Geschäftsführung, um ihr Erbe zu hegen und zu mehren. Ob diese Familienvertreter dafür geeignet waren, prüften sie nicht allzu genau, schauten vielleicht auch weg. „In anderen Unternehmen wären beide nie so weit nach oben gekommen“, sagt ein früherer ranghoher Oppenheim-Banker.

Das gilt für den Grafen von Krockow, einen Abkömmling alten pommerschen Adels, dessen Familie nach ihrer Flucht am Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend mittellos war, der sich dann bei anderen Banken mühsam hocharbeitete und schließlich die gestrenge Bankerbin Ilona von Ullmann ehelichte. Er ist ein netter Kerl, eine bis zum Niedergang unverdrossene Frohnatur, aber der Großbanker, den er gerne darstellen wollte, den auch seine Frau so gern ihn ihm sah, war er nicht. Er habe Entscheidungen auf unzureichender Grundlage getroffen und Bedenken von Mitarbeitern ignoriert, gab der Graf im Prozess zu.

von Jürgen Berke, Henryk Hielscher, Cornelius Welp

Das gilt noch mehr für Christopher von Oppenheim, die tragischste Figur dieser Tragödie. Er sieht auch mit fast 50 Jahren noch aus wie ein Junge, der sich den Anzug übergezogen hat, um Erwachsensein zu spielen. Aufgewachsen ist er mit der Familiengeschichte, Stunde um Stunde hat er im Archiv der Bank verbracht. Er wäre wohl gerne Historiker geworden, aber da war sein 2005 verstorbener Vater Alfred vor.

Die Last der Jahrhunderte

Sein Sohn, bis zum Untergang Chefbetreuer der vermögenden Kunden, hat im Verfahren einen Einblick gewährt in die Dynamiken, die in dieser Familie wirkten. Da hat er erzählt, wie ihn der Großvater bei seiner Konfirmation zur Seite nahm und ihm eröffnete, dass er „irgendwann in der Bank tätig sein und die Familientradition fortsetzen werde“. Eine privilegierte Geburt ist eben oft mehr Last als Gnade, vor allem, wenn diese Last Jahrhunderte wiegt.

Christopher hat in Jahrhunderten gelebt und gedacht. Er habe die Bank bis zur 250-Jahr-Feier im Jahr 2039 prägen wollen, hat er gesagt. Mit der Gegenwart hatte er es nicht so, sie ist ja auch anstrengend mit all den Zahlenkolonnen und Risikoberichten. Einen Blackberry hatte er nicht, E-Mails blieben oft tagelang ungelesen. „Er weiß, dass er etwas falsch gemacht hat“, sagt ein Vertrauter, „aber er weiß nicht genau, was.“

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