Und ausgerechnet er wird Saal 210 nun mit der geringsten Strafe verlassen. Sechs Millionen Euro zahlt er, dafür stellen die Staatsanwälte das Verfahren ein.
Dabei sind beide Transaktionen, die jetzt in Köln verhandelt werden, ohne Esch undenkbar. Bei der ersten geht es um ein Gebäude in Frankfurt, in das die Investmentbanker von Sal. Oppenheim einziehen sollten. Für dessen Kauf und seinen aufwendigen Umbau gründeten Esch und einige Familienangehörige eine Gesellschaft, genehmigten sich Millionenkredite von ihrer eigenen Bank und verkauften es dieser wenige Monate später Ende 2008 für 123 Millionen Euro. Das war viel zu teuer, meinen die Staatsanwälte.
Die Geschichte von Sal. Oppenheim
Salomon Oppenheim gründet in Bonn eine Bank
Umzug nach Köln
Mit der Finanzierung von Eisenbahnen und dem Einstieg ins Versicherungsgeschäft steigt die Bank auf
Auf Druck der Nazis Umbenennung in Pferdmenges & Co. (bis 1947)
Alfred von Oppenheim (gest. 2005) wird Chef und baut die Betreuung reicher Privatkunden auf
Verkauf der Anteile an der Colonia Versicherung, Beginn der Zusammenarbeit mit Josef Esch
Ex-Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl führt Sal. Oppenheim.
Matthias Graf von Krockow folgt ihm.
Mit dem Kauf der BHF Bank wird Sal. Oppenheim zur größten Privatbank Europas. Esch-Projekte wie der Neubau der Kölner Messe geraten in die Kritik.
Die Bank macht erstmals Verlust
Durch die Pleite des Handelskonzerns Arcandor, mit dem die Bank über Kredite und Aktienbeteiligung eng verbunden ist, gerät Sal. Oppenheim in eine existenzbedrohende Krise
Die Deutsche Bank übernimmt Sal. Oppenheim komplett.
Zahlreiche Prozesse von Anlegern wegen Verlusten bei Oppenheim-Esch-Fonds. Die Staatsanwaltschaft Köln erhebt Anklage gegen die Ex-Bankführung und Josef Esch, Prozessbeginn wohl Anfang 2013
Beim zweiten geht es um jenes dramatische Wochenende des 26. bis 28. September 2008, als Arcandor erstmals vor der Pleite stand. Für Sal. Oppenheim wäre das ein Desaster gewesen. Die Bank hatte ihrer Kundin Schickedanz hohe Kredite gewährt, die ausschließlich mit Arcandor-Aktien besichert waren. Rund 150 Kunden hatten zudem in Esch-Fonds investiert, deren Wohl allein von den Mietzahlungen des Handelskonzerns abhing.
"Ich sah keinen Anlass für Zweifel"
Und auch die Banker selbst hätte die Pleite übel getroffen, denn sie hatten persönlich für die Kredite gebürgt, mit denen Schickedanz 2005 ihren Anteil an Arcandor aufstockte. Also stieg die Bank über eine Kapitalerhöhung als Großaktionär bei dem trudelnden Konzern ein und gewährte ihm zusätzlich noch einen Millionenkredit. Das geschah, ohne die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ausreichend zu prüfen, so der Vorwurf der Ankläger.
Von Krockow und von Oppenheim haben Verfehlungen eingeräumt. Aber ihre früheren Kollegen in der Geschäftsführung, die nicht aus der Familie stammten, wehren sich nach Kräften. Manches ist durchaus nachvollziehbar. Doch Richterin Grobecker wirkt, als würde sie die Detailarbeit nur noch nerven.
Je mehr man eintaucht in diese Welt, desto mehr fragt man sich, warum keiner etwas gemerkt hat, warum so viele Beteiligte nichts sehen wollten oder konnten. „Ich hatte keinen Zugang zu Esch, ich sah keinen Anlass für Zweifel, ich habe mich nicht eingemischt“, sagte der für das Risikomanagement zuständige Ex-Top-Manager Janssen gleich zu Beginn des Prozesses.
Und dann tritt vor Gericht eine Figur wie Henri Pferdmenges auf, und man weiß, wie es so weit kommen konnte.
Sein Großvater Robert war von 1929 bis 1953 Teilhaber der Bank. Während der Nazizeit lieh er dem Bankhaus seinen Namen. Die Oppenheims waren schon Mitte des 19. Jahrhunderts zum Christentum konvertiert, ihr Name klang jedoch weiterhin jüdisch. Enkel Henri hat einen Anteil geerbt, die Kölner Wurzeln jedoch schon lange gekappt. Vier Mal im Jahr flog er aus dem Ausland zu den Sitzungen der Kontrollorgane ein, um nach dem Rechten zu sehen.
Kritik ziemte sich nicht
Oder auch nicht. „Ich habe am wenigsten gefragt, mein Deutsch ist nicht sehr gut“, sagt er. Zwei Gremien wachten über das Treiben der persönlich haftenden Gesellschafter: der Aktionärsausschuss und der Aufsichtsrat. Wie die sich unterschieden, weiß Pferdmenges nicht mehr so genau. Vor den Sitzungen bekam er dicke Mappen zugeschickt mit Unterlagen zur Verfassung der Bank, viele Papiere „klein und eng bedruckt“. Er braucht es nicht zu sagen, man ahnt auch so, dass er da nicht allzu genau reingeschaut hat.
Warum sollte er dem Führungspersonal auch misstrauen? „Die traten sehr professionell auf und wirkten gut vorbereitet“, sagt Pferdmenges, der mit von Krockow und von Oppenheim „seit Jugendtagen eng befreundet“ ist. Sie bildeten die „Bankfamilie“, trafen sich jedes Jahr zum Weihnachtsessen. Als der aufmüpfige Nicolaus von Oppenheim, der das kommende Unheil wenigstens ahnte, bei einer Sitzung ausfallend wurde, wies man ihn zurecht und tilgte die „emotionalen Passagen“ aus dem Sitzungsprotokoll. Kritik ziemte sich nicht. So einfach ist das. Warum sollten sie auch fragen, solange die Millionen flossen, mit denen sie es krachen lassen konnten?