Seitenwechsel zur Helaba Plauderte Ex-WestLB-Vorstand Groß über das Millionen-Paket?

Die Zerschlagung der WestLB ist ein unrühmliches Stück deutscher Finanzpolitik. Die Aufarbeitung dauert an. Heute wird ein weiteres Kapitel geschrieben. Es geht um Ex-Vorstand Thomas Groß und seine mögliche Abfindung.

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Thomas Groß im Jahr 2010 als Risikovorstand der WestLB: „Dubiose Umstände“ eines Seitenwechsels. Quelle: Frank Beer für Handelsblatt

Düsseldorf Ein Seitenwechsel, die mögliche Weitergabe von Insider-Wissen und die Frage einer Abfindung: Mehr als zwei Monate nach ihrer Zerschlagung sorgt die WestLB immer noch für Schlagzeilen. Die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen ist weiter mit der Aufarbeitung beschäftigt. Im Fokus stehen dabei die dramatischen letzten Tage der einst so stolzen Landesbank – und der ehemalige Risikovorstand Thomas Groß.

Der war bis zum 15. August bei der WestLB und wurde zwei Wochen später in den Vorstand der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) berufen – ebenfalls als Risikovorstand. Die Helaba hatte im Rahmen der WestLB-Zerschlagung zum 1. Juli die Verbundbank NRW übernommen, in der das Geschäft der WestLB mit den Sparkassen gebündelt ist.

Die Einigung mit der Helaba zur Übertragung der Verbundbank schien nach wochenlangen Verhandlungen im Mai klar. Doch Anfang Juni geriet der Deal ins Wanken. Die Helaba verlangte plötzlich, dass das Land NRW ein 230 Millionen Euro schweres Paket mit offenbar faulen Derivaten der Verbundbank übernimmt. Nach Verhandlungen stimmte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) Mitte Juni schließlich zu. Der Minister sprach anschließend von einer „schweren, aber erfolgreichen Geburt“.

Die Papiere aus dem Paket wurden auf das Land, die Sparkassen und die WestLB-„Bad Bank“ EAA verteilt. Der NRW-Steuerzahler steht für das Paket gerade – und die Helaba ist fein raus.

Der neue Vorstand Thomas Groß könnte der Helaba bei der 230-Millionen-Euro-Ersparnis geholfen haben. Groß war schließlich im Mai und Juni noch bei der WestLB, das Derivatepaket fiel in seinen Zuständigkeitsbereich. Und er soll seinen damaligen Arbeitgeber nicht über den späteren Seitenwechsel informiert haben. Erst am 14. Juni gab die WestLB Groß‘ Ausscheiden bekannt. Groß könne Insider-Wissen zur Helaba weitergegeben haben, mutmaßt deshalb die FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag.


Groß soll trotz Kündigung eine Abfindung erhalten haben

Ihr stellvertretender Vorsitzender Ralf Witzel spricht von einer Millionen-Belastung für die Steuerzahler durch „dubiose Umstände“ – und findet damit beim SPD-Finanzminister Walter-Borjans durchaus Gehör. Der hat in der vergangenen Woche Anwälte mit der Prüfung der Vorwürfe beauftragt. „Abgesehen von charakterlichen Fragen des Wechsels stellen sich auch rechtliche Fragen zum Wechsel, die der Aufsichtsrat durch Anwälte überprüfen lässt“, erklärt Walter-Borjans auf Anfrage von Handelsblatt Online.

Neben den Spekulationen um die Weitergabe von Insider-Wissen existiert auch die Theorie, dass die 230-Millionen-Euro-Belastung durch eine Kommunikationspanne innerhalb der WestLB zustande gekommen sein könnte.

Heute geht es in Fragestunde der Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtags aber wieder um den „Seitenwechsler“ Thomas Groß. Denn um den Risikovorstand ranken sich nicht nur die Insider-Gerüchte. Groß soll zudem eine Abfindung der zerschlagenen Landesbank erhalten haben – obwohl er seinen Vertrag selbst gekündigt hatte. Sein Jahresgehalt bei der WestLB bezifferte sich auf stattlich 570.000 Euro.

FDP-Fraktionsvize Witzel will daher von Finanzminister Walter-Borjans wissen, ob es eine Abfindung gegeben hat und „warum eine Abfindungszahlung bei einer Eigenkündigung zu Lasten des Steuerzahlers erfolgt, auch wenn es dafür keine rechtliche oder vertragliche Grundlage gibt“, so Witzel zu Handelsblatt Online. Der Finanzminister hat eine Abfindungszahlung bisher nicht ausgeschlossen. Doch der Minister hat laut Witzel im Finanzausschuss angedeutet, dass eine derartige Regelung für den WestLB-Rechtsnachfolger, die Portigon, durchaus vorteilhaft gewesen sein könne.


„Portigon soll sich um Rückzahlung bemühen“

Dieser Punkt wird auch Thema in der heutigen Fragestunde des Landtags sein. „Ich werde keine Details über Personalien aus dem Aufsichtsrat berichten“, erklärt Walter-Borjans. „Ich gehöre aber nicht zu denen, die hohe Bankergehälter noch höher machen wollen. Aber ich gehöre auch nicht zu denen, die sich nicht an vertragliche Verpflichtungen halten.“ Witzel interessiert in diesem Zusammenhang, „wie sich der Finanzminister in seiner Aufsichtsratsfunktion für die Landesregierung“ verhalten habe.

„Es ist schon merkwürdig, wenn ein Wechsel zum direkten Marktwettbewerber vertraglich überhaupt möglich ist, erst verschwiegen wird und dann noch von der abgebenden Gesellschaft honoriert werden sollte“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete. Im Falle einer Abfindungszahlung solle sich die Portigon „schnellstens um die Rückforderung dieser angenommenen Zahlung bemühen“, fordert Witzel. Die Portigon wollte sich auf Nachfrage von Handelsblatt Online nicht zur Causa Groß äußern.

Ganz gelassen sieht den Vorgang die Helaba. Auf Anfrage von Handelsblatt Online beruft sich die Landesbank lediglich auf eine Äußerung ihres Vorstandsvorsitzenden Hans-Dieter Brenner vom vergangenen Freitag. Demnach war Groß nicht in die Verhandlungen über das 230-Millionen-Euro-Paket eingebunden. „Einzig und allein die Helaba hat die Portfolien ausgewählt, die wir mit der Verbundbank NRW von der WestLB übernommen haben“, sagte Brenner. „Kein Vorstandsmitglied der WestLB war an dieser Auswahl beteiligt.“ Ist Thomas Groß also ein Unschuldslamm?

Es werde nur mit Spekulationen und Mutmaßungen operiert, um die Integrität von Groß und die Reputation der Helaba zu beschädigen, erklärte Brenner. Thomas Groß selbst ist bei der Helaba noch nicht erreichbar. Der zum Vorstand berufene habe seine Arbeit noch gar nicht aufgenommen, heißt es bei der Landesbank.

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