Skandale bei Deutscher Bank und Commerzbank "Großbanken würden ohne Illegalität nicht funktionieren"

Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen, fordert angesichts zahlreicher Steuerskandale bei Banken ein Strafrecht für Unternehmen und mehr Schutz für Whistleblower. Den jüngsten Verdacht gegen die Commerzbank will er im Finanzmarktgremium des Bundestags zur Sprache bringen.

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Gerhard Schick Quelle: PR

WirtschaftsWoche: Immer mehr Steuertricks von Banken kommen ans Licht, zuletzt bei der Commerzbank. Bei ihr ist der Staat seit der Finanzkrise Großaktionär. Erfordert das besondere Konsequenzen?

Schick: Die Politik hat der Commerzbank nach der Rettung aus der Finanzkrise so viele Freiheiten gelassen wie möglich. Das war bequem für die jeweiligen Regierungen, weil sie keine Verantwortung übernehmen mussten. Aber es war ein Fehler, weil die Führung um CEO Martin Blessing und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller scheinbar nicht in der Lage war, für saubere Verhältnisse zu sorgen. Sollte sich bewahrheiten, dass die Commerzbank unter dem aktuellen Vorstand an Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche beteiligt war, wäre die Führungsriege nicht länger tragbar.

Zur Person

Sie sind Grünen-Politiker und gehören nicht der Bundesregierung an, sitzen aber als Bundestagsabgeordneter im Gremium zur Überwachung der staatlichen Bankenbeteiligungen, unter anderem an der Commerzbank. Was können Sie in diesem Fall tun?

Die Verantwortung liegt bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er muss über die staatlichen Vertreter im Aufsichtsrat für Ordnung bei der Commerzbank sorgen. Im Finanzmarktgremium werde ich den aktuellen Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zur Sprache bringen und Fragen nach den bankinternen Kontrollmechanismen stellen. Es kann nicht sein, dass immer erst dann angefangen wird, aufzuräumen, wenn der Staatsanwalt vorbeikommt.

Sind die derzeit untersuchten Steuerfälle vielleicht nur Altlasten, die Blessing und Müller von ihren Vorgängern geerbt haben?

Beide sind schon so lange in führenden Positionen bei der Bank, dass es sich bei den jüngst aufgeflogenen Fällen aus ihrer Perspektive wohl kaum um Altlasten handeln kann. Der derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Klaus-Peter Müller war unmittelbarer Vorgänger von Martin Blessing, der 2008 auf den Chefsessel nachgerückt ist. Müller ist sogar schon 1990 in den Vorstand eingetreten, gehört also fast seit einem Vierteljahrhundert zur obersten Führung der Commerzbank.

Die wertvollsten Namen der Bankenwelt
Die spanische Großbank Santander eröffnet das Ranking der wertvollsten Bankenmarken der Welt. Die Auswertung für das vergangene Jahr lieferte das Magazin „The Banker“. Bei der Bewertung der Marke spiele besonders der Geschäftsausblick (Gewinnprognose) und die Wahrnehmung von Risiken eine entscheidende Rolle. Viele Institute arbeiten an ihrem Markenwert, der sich nicht nur in Kundenvertrauen widerspiegelt, sondern auch in Eigenständigkeit und Innovation. Sprich: Eine starke Marke fällt im Wettbewerb auf. Die Spanier kommen auf einen Markenwert von 18,7 Milliarden US-Dollar, sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Das Markenrating ist AAA-. Quelle: Reuters
Die Bank of China zählt zu den vier riesigen Staatsbanken der Volksrepublik. Ihr Umsatz liegt bei über 300 Milliarden Yuan im Jahr. Das entspricht grob 40 Milliarden Euro. Im Boomland China haben die regulierten Institute reichlich zu tun. Die Bank of China wird zudem vom Finanzstabilitätsrat als systemrelevant überwacht und muss strenge Auflagen erfüllen. Der Markenwert beträgt rund 20,4 Milliarden Dollar, 22 Prozent mehr als zuletzt. Quelle: dpa
Die teilverstaatlichte chinesische Bank ist eine der größten ihrer Art. Die ABC hat schätzungsweise 320 Millionen Privatkunden und etwa 2,7 Millionen Geschäftskunden. Fast eine halbe Million Menschen arbeitet in knapp 24.000 Filialen. 2010 sammelte die Bank mit ihrem Börsengang 22,1 Milliarden Dollar ein. Ihr Markenwert beträgt 22,7 Milliarden Dollar, ein Plus von 28 Prozent. Quelle: REUTERS
First, we take Manhattan: JP Morgan Chase sitzt in New York und ist nach Marktkapitalisierung die größte Bank der USA und nach Eigenkapital das zweitgrößte Finanzinstitut der Welt. Den Markenwert können da auch die hohen Handelsverluste – also Fehlspekulationen – aus dem Jahr 2012 nicht nachhaltig schmälern. Die Marke Chase ist rund 24,8 Milliarden Dollar schwer. Der Zuwachs beträgt sieben Prozent. Quelle: DAPD
25,7 Milliarden Dollar beträgt der Markenwert der Bank of America – noch, muss man sagen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von vier Prozent. Das Fachmagazin „The Banker“, was die BoA 2008 noch als wertvollste Bankmarke führte, bescheinigt dem Finanzriesen, nach Eigenkapital das größte Institut seiner Art zu sein. Auch die Bank of America darf sich über das Prädikat „systemrelevant“ freuen – das stärkt natürlich das Markenvertrauen. Quelle: dpa
Wie die BoA gehört auch die Citigroup zu den „Big Four“ der US-Banken. Zuletzt lag die Bilanzsumme des Riesen bei 1,88 Billionen Dollar, der Umsatz 76,4 Milliarden. Sie ahnen es – systemrelevant, streng kontrolliert. Der Markenwert beträgt 26,2 Milliarden Dollar, was einem Plus von sieben Prozent entspricht. Quelle: DAPD
China wächst buchstäblich in den Himmel. In den zahlreichen Millionenmetropolen kommen mit dem Industrie-Boom auch die Wolkenkratzer. Der Bauwirtschaft kommt das gelegen – und damit der China Construction Bank, die rund 27 Prozent aller Baukredite im Reich der Mitte vergibt. Der Markenwert liegt bei 26,4 Milliarden Dollar. Das sind stolze 39 Prozent mehr als im Vorjahr. Quelle: REUTERS

Kann es sein, dass die mutmaßlichen Beihilfen zur Steuerhinterziehung ohne Wissen der obersten Chefs passiert sind? Bei der Deutschen Bank etwa konnte die Finanzaufsicht trotz langjähriger Untersuchungen keine Verwicklung aktueller Vorstandsmitglieder in illegale Zinsmanipulationen feststellen.

Vorstände wissen scheinbar nie etwas. Wenn sie wirklich nicht über derart gravierende Rechtsverstöße im eigenen Haus - wie Steuertricks oder Zinsmanipulationen - Bescheid wissen, muss man sich fragen, wozu Bankvorstände überhaupt da sind. Zu oft läuft es so, dass die Führungsriege sich auf Unwissen herausredet, während die in mutmaßliche Straftaten involvierten Mitarbeiter beteuern, nur auf Anweisung von oben gehandelt zu haben. So lässt sich nie ein Verantwortlicher finden.

Kann man das ändern?

Dafür bräuchten wir ein Strafrecht für Unternehmen - nicht nur für Banken. Diese müssten dann Strafen zahlen oder könnten mit anderen Sanktionen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Gesetze gebrochen haben. Außerdem sollten Unternehmen ähnlich wie Medien Mitarbeiter festlegen, die bei bestimmten Geschäften strafrechtlich verantwortlich sind. Dann läuft die Schuldfrage nicht immer ins Leere.

Steuertricks, Schwarzgeld, Zinsmanipulation

Steuertricks, Schwarzgeld oder Zinsmanipulation sind nur einige Beispiele. Haben Sie als finanzpolitischer Sprecher Ihrer Partei eine Erklärung dafür, warum Banken auf so breiter Front in illegale Aktionen verwickelt sind?

Was Großbanken vom Kaliber einer Deutschen Bank oder einer Commerzbank betrifft, komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass die Geschäftsmodelle ohne Illegalität nicht funktionieren würden, weil in allen international tätigen Großbanken massive Rechtsverstöße zu beobachten sind. Denken Sie an die Schweizer Banken UBS, Credit Suisse oder HSBC.

Klingt wie eine Entschuldigung.

Ist aber keine.

Kann die Politik gegensteuern?

Es gibt Möglichkeiten, Licht ins Dunkel des Finanzsektors zu bringen. Wir bräuchten zum Beispiel neue gesetzliche Schutzmechanismen für Whistleblower, also Insider, die Missstände und Rechtsverstöße aus ihren Unternehmen und Behörden an die Öffentlichkeit bringen. Gerade in Steueroasen sind solche Leute oft der Strafverfolgung ausgesetzt, weil Geheimnisverrat dort besonders streng verfolgt wird. Ein Kündigungsschutz für Whistleblower wäre ein Anfang.

Datenkäufe durch die Finanzverwaltung sind umstritten, weil die Daten auf illegalem Weg erlangt werden. Sind Sie trotzdem dafür?

Ja, denn es ist eine der wie gesagt eine von wenigen Möglichkeiten, Licht ins Dunkel zu bringen. Anders kommen wir dem Problem der Straftaten im Finanzsektor nicht bei. Wir müssen für gleiche Augenhöhe zwischen Behörden sowie tatsächlichen und potenziellen Finanzstraftätern sorgen. Ich habe den Eindruck, dass staatliche Institutionen nicht auf Augenhöhe mit dem mächtigen Finanzsektor sind. In Deutschland etwa ist die Steuerverwaltung in zahlreiche Länderbehörden zersplittert. Wir bräuchten mehr Kompetenz auf zentraler Ebene. Zudem sollten die Bankenaufseher das Recht erhalten, stärker als Ermittler tätig zu werden und Unterlagen in verdächtigen Unternehmen zu beschlagnahmen. Bisher sind sie dabei auf die Staatsanwaltschaften angewiesen, denen aber oft spezielles Wirtschafts- und Finanzwissen fehlt.

Mehr staatliche Kompetenz als Heilmittel? Der Staat ist doch kein besserer Banker.

Das ist ein anderes Thema als der Kampf gegen Straftaten, der selbstverständlich nur von staatlichen Institutionen geführt werden kann. Wenn man sich anschaut, dass viele Landesbanken in die berüchtigten Cum-ex-Geschäfte verstrickt waren, bei denen die Finanzämter gezielt mit Aktiendeals vor und nach den Dividendenstichtagen ausgenommen wurden, muss man sich fragen, ob staatliche Banken überhaupt noch eine Berechtigung haben. Es muss viel stärker als bisher sichergestellt werden, dass öffentliche Unternehmen wirklich dem Gemeinwohl dienen.

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