Sparkassen Kampf der kommunalen Klüngel-Wirtschaft

Entschlossene Bürger und Politiker wollen das Gefälligkeitskartell zwischen Bürgermeistern und Sparkassenchefs aufbrechen. Das zwingt die Sparkassen zu Reformen.

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Aktivist Gottwald will die Sparkassen zwingen, mehr an Kommunen auszuschütten Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

Rainer Gottwald aus Landsberg am Lech ist im Ruhestand, aber ein gefragter Mann. Der 70-Jährige mit dem silbernen Haar und den dunklen Augenbrauen hat in monatelanger Arbeit die Bilanzdaten der 71 bayrischen Sparkassen aus der staatlichen Datenplattform Bundesanzeiger herausgeflöht. Und er hat nachgerechnet, wie viel Gewinn sie ausschütten könnten, wenn sie denn wollten. Seitdem reist er durchs Land und besucht Gemeinden, die sich brennend für seine Zahlen interessieren.

Anders als dem tabellenaffinen Ex-Controller fehlen vielen Kommunalpolitikern Bilanzkenntnisse und Zeit, diese Daten auszuwerten. Nach Landshut stehen jetzt Erlangen, Aschaffenburg, Hof und Garmisch auf Gottwalds Reiseplan. Kontakt besteht auch zum Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, der bereits im Clinch mit seiner Sparkasse liegt. Die lässt durchblicken, der Kommune nun wohl immerhin fünf Prozent Ausschüttung vom Gewinn gönnen zu wollen.

Hier machen Banken Filialen dicht
Zehn Jahre lang hat die Sparkasse Wetzlar ihr Filialnetz nicht angefasst. Jetzt kommt der große Umbau: 15 von 49 Filialen will das Geldhaus aus dem hessischen Fachwerkstädtchen schließen, also gut 30 Prozent. 26 statt bisher 42 Geschäftsstellen sollen bis Ende 2016 noch mit Personal besetzt sein. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir auf geänderte Kundenanforderungen und betriebswirtschaftliche Belastungen reagieren müssen“, sagt Sparkassenchef Norbert Spory (im Bild). Quelle: Handelsblatt Online
Die Kunden gehen immer weniger in die Bankfiliale. Filialschließungen stoßen trotzdem oft auf Unmut. Zum Beispiel im Wetzlarer Ortsteil Garbenheim. Die Bürger sammelten Unterschriften gegen die Filialschließung, der Sparkassenchef musste seine Pläne im Ortsbeirat verteidigen. Immerhin: Bargeld abheben können die Garbenheimer Sparkassenkunden womöglich künftig bei einem Lebensmittelladen.Eine Reportage über das Filialsterben lesen Sie hier. Quelle: Handelsblatt Online
Zusammen kommen die 416 deutschen Sparkassen noch auf mehr als 12.000 mit Mitarbeitern besetzte Filialen. Vor zehn Jahren waren es noch rund 19.000. Es wurden also schon etliche Filialen geschlossen, im vergangenen Jahr allerdings schrumpfte die Zahl nur leicht. Das wird sich nach Einschätzung von Experten nun ändern. Sie gehen davon aus, dass etliche Sparkassen in den nächsten Jahren 20 bis 30 Prozent der Filialen streichen. Quelle: Handelsblatt Online
Die Sparkasse Duisburg feiert einmal im Jahr eine Gala (im Bild: Kabarettist Wolfgang Trepper). Doch für Schlagzeilen sorgte zuletzt, dass die Sparkasse Duisburg zwar mehr Geldautomaten aufstellen möchte – bis 2022 aber die Hälfte der mit Mitarbeitern besetzen Geschäftsstellen schließen, wie sie Ende Mai ankündigte. Das Institut verweist darauf, dass die heutige Filialdichte „in weiten Teilen aber dem Netz der 80iger Jahre“ entspreche. Damals allerdings hatte Duisburg noch mehr Einwohner als heute. Quelle: IMAGO
Im sächsischen Landtagswahlkampf spazierte Kanzlerin Angela Merkel im Sommer 2014 durch Annaberg-Buchholz – im Hintergrund eine Sparkassen-Filiale. Auch die Erzgebirgssparkasse dampft ihr Filialnetz ein. Nach der Fusion mehrerer Institute wurden binnen kurzer Zeit 38 von 95 Filialen geschlossen. Auch hier regte sich Protest. Immerhin: An Bargeld kommen die Kunden nun auch in 30 sogenannter Agenturen – oft Geschäfte, die im Auftrag der Sparkasse diese Dienstleistung übernommen haben. Darunter ist beispielsweise ein Fahrradladen. Quelle: dpa
Auch die Sparkasse Osnabrück will ihr Filialnetz ausdünnen. 17 von 58 Filialen sollen geschlossen werden. Investieren will das Geldhaus – wie andere Sparkassen auch – unter anderem in das Onlinebanking und in die Kundenbetreuung per Telefon und Chat. Trotzdem ist Sparkassenchef Johannes Hartig die Präsenz vor Ort wichtig. „Das Filialnetz ist und bleibt der genetische Code unserer Sparkasse!“, sagt er. Quelle: IMAGO
Zu den Sparkassen, die jetzt Filialen in größerem Stil streichen, gehört auch die Sparkasse Koblenz. Sie macht zehn von 48 Zweigstellen zu. „Wir müssen die Sparkasse jetzt so aufstellen, dass sie den geänderten Anforderungen unserer Kunden gerecht wird und für die künftigen Herausforderungen gewappnet ist. Wir dürfen nicht warten, bis es für eine positive Beeinflussung vielleicht zu spät ist“, sagt Sparkassenchef Matthias Nester. Trotzdem sind auch für ihn die Geschäftsstellen der „genetische Code unserer Sparkasse“. Quelle: IMAGO

Doch die Frage, ob Sparkassen mehr Geld an darbende Kommunen ausschütten oder lieber Rücklagen für schlechte Zeiten bilden sollten, ist nur der Anfang. Bürger wie Gottwald und ehrgeizige Kommunalpolitiker wie Geisel wollen das Gefälligkeitskartell zwischen Bürgermeistern und Sparkassenchefs aufbrechen. Die gemütliche, aber politisch und wirtschaftlich fragwürdige Symbiose der Gemeinden mit ihren Sparkassen bekommt erste Risse. Die Ziele der Opponenten sind eine strengere Kontrolle der Sparkassen durch ihre Träger, weniger Kungelei zwischen Rathaus und Vorstand sowie mehr Transparenz. Die Geldhäuser mit dem weißen S auf rotem Grund zwingen die Kampagne zu Reformen, wie sie angesichts kommender Herausforderungen dringend nötig sind.

Noch wächst das Geschäft der 415 deutschen Sparkassen, die 2014 schon das fünfte Jahr in Folge zwei Milliarden Gewinn erwirtschafteten. Doch vor ihnen liegt eine Durststrecke. Wegen der niedrigen Zinsen verdienen sie immer weniger an den Krediten, die sie mit den Einlagen ihrer Sparer refinanzieren. Strengere Regeln zum Anlegerschutz, etwa die gefürchteten Beratungsprotokolle, erhöhen die Kosten. Zugleich sind Investitionen in digitale Bankgeschäfte nötig, um Konkurrenten aus dem Internet abzuwehren.

Spareinlagen und Kredite der Sparkassen (Für eine Großansicht auf das Bild klicken)

Zudem läuft den kommunalen Kreditinstituten außerhalb der Ballungsräume wegen der Landflucht die Kundschaft weg. Trotzdem müssen sie auch dort – mit hohen Kosten – die Versorgung mit Finanzdiensten sicherstellen. So will es das Sparkassengesetz.

Klüngelwirtschaft ist nicht mehr zeitgemäß

Angesichts all dieser Probleme können sich Sparkassen und Kommunen die bisherige Klüngelwirtschaft aus üppigen Vorstandsgehältern und Pensionsverträgen sowie Gefälligkeitskrediten nicht mehr leisten. Der unausgesprochene Deal, dass die Sparkasse nichts auszuschütten braucht, solange sie großzügig spendet und Verwaltungsräte mit Krediten versorgt, ist nicht mehr zeitgemäß. Zugleich zeigt die europaweite Bankenaufsicht für die Privilegien deutscher Sparkassen immer weniger Verständnis. So brauchen sie untereinander verliehenes Geld bisher nicht mit Haftkapital abzusichern.

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