Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon "Niedrige Zinsen reißen ein Loch in die Altersvorsorge"

Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon geißelt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Die niedrigen Zinsen würden die Altersversorgung vieler Kunden aufs Spiel setzen.

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Mit welchen Maßnahmen Regierungen und Notenbanken Sparer attackieren können
Instrument: NiedrigzinsAusgestaltung: Notenbank kauft (über Banken, die günstig Geld bekommen) Staatsanleihen; Notenbank hält Leitzinsen untennegativ betroffen wären/sind: Konten, Anleihen, Lebensversicherung, Betriebsrenten, VersorgungswerkeEintrittswahrscheinlichkeit: läuft bereits; •••••wie gefährlich für das Vermögen?: Inflation frisst Zinsen; Sparen lohnt sich kaum; ••••∘Vorteil für Staaten: niedrige Zinslast auf eigene Schuldenhistorische Vorbilder: USA• = unwahrscheinlich/ sehr niedrige Einbußen; ••••• = so gut wie sicher/ sehr hohe Einbußen Quelle: dpa
Instrument: Inflation zulassenAusgestaltung: Notenbanken schöpfen weiter Geld; Bürger verlieren Vertrauen; Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigtnegativ betroffen wären/sind: Bargeld, Konten, Anleihen, LebensversicherungEintrittswahrscheinlichkeit: aktuell gering; langfristig wahrscheinlich; •••∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: Hohe Inflation kann sämtliche Geldvermögen entwerten; •••••Vorteil für Staaten: Schulden werden nicht auf dem Papier, aber real drastisch verringerthistorische Vorbilder: Deutschland 1923; Frankreich 18. Jahrhundert; Zimbabwe 2009 Quelle: dpa
Instrument: NegativzinsAusgestaltung: Notenbank setzt negativen Leitzins fest; Banken legen negative Zinsen auf die Guthaben von Sparern um oder verteuern Gebühren/Kreditenegativ betroffen wären/sind: KontenEintrittswahrscheinlichkeit: ist bereits in der Diskussion; •••∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: Erspartes leidet nominal durch Negativzinsen und real durch Inflation ••••∘Vorteil für Staaten: höheres Wachstum durch ausgeweitete Kreditvergabe erhoffthistorische Vorbilder: Schweiz 1964, 1970er; Schweden; Dänemark Quelle: dpa
Instrument: VermögensabgabeAusgestaltung: Staat schneidet sich von allen Vermögenswerten einmalig ein Stück abnegativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, ImmobilienEintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: je reicher desto härter; ••••∘Vorteil für Staaten: kann Schulden sofort drastisch senkenhistorische Vorbilder: Deutschland 1918/19, 1952 Quelle: dpa
Instrument: ZwangsanleiheAusgestaltung: Staat zwingt Bürger, einen Teil ihres Vermögens in Staatsanleihen zu packen; wird (teilweise) zurückgezahltnegativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, ImmobilienEintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: hängt von Rückzahlungen ab; •••∘∘Vorteil für Staaten: verschafft Spielraum bis zum Rückzahlungsdatumhistorische Vorbilder: Deutschland 1914, 1922/23 Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Vermögensteuer, zum Beispiel ein Prozent auf steuerpflichtiges Vermögen (nach Abzug von Freibeträgen)negativ betroffen wären/sind: Vermögen generellEintrittswahrscheinlichkeit: politische Forderung; ••••∘wie gefährlich für das Vermögen?: für Vermögende; •••∘∘Vorteil für Staaten: weitere Einnahmenhistorische Vorbilder: Deutschland, wurde 1997 abgeschafft Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Transaktionsteuer von 0,1 Prozent auf Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent auf Derivate; fällig für jedes Geschäft negativ betroffen wären/sind: Aktien, Anleihen, Derivate; indirekt auch Fonds und LebensversicherungenEintrittswahrscheinlichkeit: politisch herrscht Konsens; •••••wie gefährlich für das Vermögen?: drückt auch Rendite von Fonds und Versicherungen; •••∘∘Vorteil für Staaten: weitere Einnahmenhistorische Vorbilder: Deutschland 1881–1991; Schweden 1985–1992 Quelle: dpa

Kurz vor der nächsten Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank hat Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon seine Kritik an der lockeren Geldpolitik verschärft. Die anhaltende Niedrigzinspolitik käme einer Enteignung der deutschen Sparer gleich, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) am Mittwoch im Deutschlandfunk. Die EZB setze mit ihrer Geldpolitik falsche Signale. „Wir reißen durch diese niedrigen Zinsen ein Loch in die Altersvorsorge der Sparer“, warnte er. Und dies treffe nicht nur die deutschen, sondern alle europäischen Sparer.

Auf die Frage, ob die Niedrigzinspolitik von EZB-Präsident Mario Draghi eine schrittweise Enteignung sei, antwortete Fahrenschon: „Ja, ganz klar.“ Allein den deutschen Sparern entgingen jedes Jahr schätzungsweise 15 Milliarden Euro an Zinseinnahmen. Dies seien rund 200 Euro pro Kopf. Zugleich bemängelte der Sparkassen-Präsident, dass eine weitere Zinssenkung von derzeit 0,25 Prozent der Realwirtschaft keine weiteren Vorteile bringe.

Die EZB will etwas gegen den starken Euro unternehmen und die Gefahr eines Preisverfalls auf breiter Front (Deflation) abwenden. Die Notenbank entscheidet das nächste Mal am Donnerstag über ihre weitere Geldpolitik. Am Finanzmarkt wird erwartet, dass sie ihren Leitzins nochmals senkt und erstmals Strafzinsen für Banken erhebt. Daneben könnte noch eine weitere Liquiditätsspritze stehen, um die Banken zu ermuntern, mehr Geld an Unternehmen zu verleihen. Vor allem in den Krisenländern Südeuropas stockt der Kreditfluss zu klein- und mittelständischen Firmen.

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