Sparkassentag Die fünf Lebenslügen der Sparkassen

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Filialen: Flächendeckendes Netz?

Mitten in der Messehalle 6 steht ein Wohnmobil der etwas anderen Art. Wo sonst Betten und eine Küchenzeile stehen, befinden sich in der Überlandsparkasse Werra-Meißner Geldautomat und Beratungszimmer. Durch insgesamt zehn Orte fahre man damit seit einigen Jahren, erklärt der Verantwortliche Ulrich Siebald. Je einen halben Tag haben die Kunden dann Zeit, in der rollenden Filiale Geld abzuheben oder Überweisungen zu tätigen.

Die Zukunft der Sparkassenfiliale? Eigentlich rühmt Fahrenschon das dichte Filialnetz als einen der größten Vorteile. Allerdings räumt der Präsident ein, Investitionen in die Aufwertung von Filialen und in Online-Apps seien nur möglich, wenn die Zahl der Filialen schrittweise verringert würden. Aber geht das so einfach? Das Problem: im Gegensatz zu einer Deutschen Bank oder Commerzbank stehen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen in ihren Statuten für ein flächendeckendes und umfangreiches Filialnetz. Sie können ihr Geschäft nicht unbegrenzt digitalisieren und sich auf das Online-Banking verlassen.

Geschlossen wird trotzdem. Insgesamt ist die Zahl der Filialen in Deutschland im vergangenen Jahr um 3,6 Prozent gesunken, über alle Banken und Sparkassen betrachtet wurden 1257 Filialen geschlossen. Der größte Rückgang entfiel dabei allerdings laut aktuellen Zahlen der Bundesbank mit knapp 500 Schließungen auf den Sparkassenbereich.

Trotzdem ist das Sparkassen-Netz weiterhin das umfangreichste, die öffentlich-rechtlichen Institute verfügen über 11.861 Filialen, gefolgt von den Genossenschaftsbanken, welche etwa 100 Filialen weniger unterhalten. Der DSGV selber weist in seinem Zahlenwerk sogar 14.451 Filialen aus, zählt dazu aber auch sogenannte Selbstbedienungsfilialen, in denen der Kunde zwar Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker findet, aber keinen Mitarbeiter.

Hier machen Banken Filialen dicht
Zehn Jahre lang hat die Sparkasse Wetzlar ihr Filialnetz nicht angefasst. Jetzt kommt der große Umbau: 15 von 49 Filialen will das Geldhaus aus dem hessischen Fachwerkstädtchen schließen, also gut 30 Prozent. 26 statt bisher 42 Geschäftsstellen sollen bis Ende 2016 noch mit Personal besetzt sein. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir auf geänderte Kundenanforderungen und betriebswirtschaftliche Belastungen reagieren müssen“, sagt Sparkassenchef Norbert Spory (im Bild). Quelle: Handelsblatt Online
Die Kunden gehen immer weniger in die Bankfiliale. Filialschließungen stoßen trotzdem oft auf Unmut. Zum Beispiel im Wetzlarer Ortsteil Garbenheim. Die Bürger sammelten Unterschriften gegen die Filialschließung, der Sparkassenchef musste seine Pläne im Ortsbeirat verteidigen. Immerhin: Bargeld abheben können die Garbenheimer Sparkassenkunden womöglich künftig bei einem Lebensmittelladen.Eine Reportage über das Filialsterben lesen Sie hier. Quelle: Handelsblatt Online
Zusammen kommen die 416 deutschen Sparkassen noch auf mehr als 12.000 mit Mitarbeitern besetzte Filialen. Vor zehn Jahren waren es noch rund 19.000. Es wurden also schon etliche Filialen geschlossen, im vergangenen Jahr allerdings schrumpfte die Zahl nur leicht. Das wird sich nach Einschätzung von Experten nun ändern. Sie gehen davon aus, dass etliche Sparkassen in den nächsten Jahren 20 bis 30 Prozent der Filialen streichen. Quelle: Handelsblatt Online
Die Sparkasse Duisburg feiert einmal im Jahr eine Gala (im Bild: Kabarettist Wolfgang Trepper). Doch für Schlagzeilen sorgte zuletzt, dass die Sparkasse Duisburg zwar mehr Geldautomaten aufstellen möchte – bis 2022 aber die Hälfte der mit Mitarbeitern besetzen Geschäftsstellen schließen, wie sie Ende Mai ankündigte. Das Institut verweist darauf, dass die heutige Filialdichte „in weiten Teilen aber dem Netz der 80iger Jahre“ entspreche. Damals allerdings hatte Duisburg noch mehr Einwohner als heute. Quelle: IMAGO
Im sächsischen Landtagswahlkampf spazierte Kanzlerin Angela Merkel im Sommer 2014 durch Annaberg-Buchholz – im Hintergrund eine Sparkassen-Filiale. Auch die Erzgebirgssparkasse dampft ihr Filialnetz ein. Nach der Fusion mehrerer Institute wurden binnen kurzer Zeit 38 von 95 Filialen geschlossen. Auch hier regte sich Protest. Immerhin: An Bargeld kommen die Kunden nun auch in 30 sogenannter Agenturen – oft Geschäfte, die im Auftrag der Sparkasse diese Dienstleistung übernommen haben. Darunter ist beispielsweise ein Fahrradladen. Quelle: dpa
Auch die Sparkasse Osnabrück will ihr Filialnetz ausdünnen. 17 von 58 Filialen sollen geschlossen werden. Investieren will das Geldhaus – wie andere Sparkassen auch – unter anderem in das Onlinebanking und in die Kundenbetreuung per Telefon und Chat. Trotzdem ist Sparkassenchef Johannes Hartig die Präsenz vor Ort wichtig. „Das Filialnetz ist und bleibt der genetische Code unserer Sparkasse!“, sagt er. Quelle: IMAGO
Zu den Sparkassen, die jetzt Filialen in größerem Stil streichen, gehört auch die Sparkasse Koblenz. Sie macht zehn von 48 Zweigstellen zu. „Wir müssen die Sparkasse jetzt so aufstellen, dass sie den geänderten Anforderungen unserer Kunden gerecht wird und für die künftigen Herausforderungen gewappnet ist. Wir dürfen nicht warten, bis es für eine positive Beeinflussung vielleicht zu spät ist“, sagt Sparkassenchef Matthias Nester. Trotzdem sind auch für ihn die Geschäftsstellen der „genetische Code unserer Sparkasse“. Quelle: IMAGO

Diese SB-Zweigstellen sind ähnlich aus der Not geboren wie der Sparkassenbus. Doch schon jetzt gibt es in vielen strukturschwachen Gebieten noch nicht mal mehr eine SB-Filiale, viele Sparer müssen lange Wege in Kauf nehmen, um an Bargeld zu gelangen. Die Theorie des dichten Sparkassennetzes hat also bereits deutliche Risse bekommen, je mehr Fusionen es in der Sparkassenwelt geben wird, desto löchriger wird auch das Filialnetz. Innovationen wie die rollende Überlandfiliale dienen da vor allem dazu, das Bild der allseits präsenten Sparkasse zu bewahren.

Digitalisierung: So weit wie die anderen?

Der Sparkassentag ist gleichzeitig ein Geburtstag. Die Sparkassen nutzen ihn dazu, ihr lang gehütetetes digitales Zukunftsprojekt, das Online-Bezahlverfahren paydirekt, zum Leben zu erwecken. Während Konkurrenten wie Apple Pay oder Paypal bereits lange am Markt aktiv sind, kam paydirekt als Bezahlsystem der deutschen Banken erst weit später hinzu. Noch später schließen sich nun endlich die Sparkassen dem System an.

Damit hat sie sich reichlich Zeit gelassen. Ihr Argument: Der Datenschutz. DSGV-Präsident Fahrenschon will die Daten der Nutzer unter Verschluss halten, damit deren Verhalten nicht von Internetkonzernen ausgespäht werden kann. Das ist ein sinnvolles Ziel, zumal es den Kunden einen Vorteil gegenüber etablierten Bezahlverfahren wie PayPal gibt.

Reichlich spät bringen die Sparkassen also das digitale Bezahlverfahren für ihre Kunden in Gang. Umso schneller wollen sie nun mit anderen Innovationen nachziehen. Schon im Herbst soll Bezahlen von Handy zu Handy möglich sein. Dabei wollen die Sparkassen mit ihren Kollegen von den Volks- und Raiffeisenbanken kooperieren.

Ob die Institute diesen doch ambitionierten Zeitplan einhalten werden? Gerade an solchen Stellen zeigt das dezentrale Modell der Institute oft seine Ecken und Kanten. Auch bei paydirekt haben bisher erst „fast alle deutschen Sparkassen ihre Teilnahme an paydirekt vertraglich vereinbart“, wie der DSGV zum Marktstart mitteilt.

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