Stelter Strategisch

Die Notenbanken und der nackte Kaiser

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Die Banken Europas sind insolvent, weil die Realwirtschaft pleite ist. Unangenehm für Gläubiger und gefährlich für die Konjunktur. Deshalb bewundern wir weiter des Kaisers Kleider, obwohl er nackt ist. 

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Das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

Im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern geht es vordergründig um die Macht der Einbildung, der Überzeugungskraft und des sozialen Drucks.
Den gewieften Betrügern gelingt es dem Kaiser einzureden, die Kleider wären wunderschön und  könnten nur von Personen gesehen werden, die ihres Amts würdig und nicht dumm seien. Da niemand als unwürdig und dumm erscheinen will, machen alle mit im Spiel. Der Kaiser läuft nackt durch die Stadt, und alle bewundern sein schönes Gewand –  bis schließlich ein vermeintlich naives Kind die Wahrheit ausruft: der Kaiser ist doch nackt!

Auch heute gelten nur jene ihres Amtes würdig, die die Illusion einer erfolgreichen Eurorettung und eines gesunden Bankensystems aufrechterhalten. Im Unterschied zum Märchen sind die Folgen der Wahrheit auch weitaus unangenehmer. Wir müssten uns eingestehen, dass nicht nur die Banken viel Geld verloren haben, sondern vor allem wir alle einer enormen Vermögensillusion unterliegen. Unsere Forderungen sind nicht so werthaltig wie angenommen und auch die Vermögenspreise sind nur dank des massiven Einsatzes von Leverage, also Schulden, auf dem hohen Niveau von Heute.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Wie im Märchen ist das Publikum – also wir alle – sehr daran interessiert, dass die Illusion weiter besteht:

  • Sparer und Vermögensbesitzer wollen keine Verluste realisieren.
  • Banken wollen weiter existieren.
  • Politiker wollen weiterhin mit Schulden – von den Banken bereitwillig angeboten – über konjunkturelle Probleme hinwegtäuschen und unbequeme und unpopuläre Entscheidungen vermeiden.
  • Mit Blick auf die Eurozone wollen Brüsseler Bürokraten und europäische Politiker weiterhin so tun, als ließe sich eine Währungsunion völlig unterschiedlicher Länder alleine mit politischem Willen gegen alle Grundregeln der Ökonomie erhalten.
  • Die Notenbanker genießen ihre Rolle als Retter der Welt, was da auch komme.

Dumm ist nur, wenn das gemeinsame Ziel des (Selbst-) Illusionierens zu unterschiedlichen Prioritäten führt. Konkret ist das in der italienischen Bankenkrise der Fall. Der italienische Premier Renzi möchte die Illusion der Sparer aufrechterhalten, dass die Bankpapiere, die sie gekauft haben, sicher sind. Zu groß ist die berechtigte Angst vor der Rache des Wählers und den Folgen einer aus dem Ruder laufenden Bankenkrise im Land.

Frau Merkel möchte derweil die Illusion aufrechterhalten, die Politik der Eurorettung sei ein Erfolg und auf den deutschen Steuerzahler kämen keine weiteren Lasten zu. Dabei hilft ihr das fehlende ökonomische Verständnis und Interesse des Durchschnittsdeutschen, der mehr auf die positiven Schlagzeilen achtet, als auf Fakten.

Obwohl das Vermögen der deutschen Privathaushalte deutlich unter dem Niveau der anderen Euroländer liegt, denken die Deutschen noch immer, sie wären der Reiche Onkel Europas. So verdrängen wir auch gerne, dass die tiefen Zinsen nichts anderes sind als eine Subventionierung derer, die bei uns das Geld geliehen haben – in der Regel Staaten und Unternehmen. Hans-Werner Sinn beziffert den Schaden bis jetzt schon auf mehr als 300 Milliarden Euro.

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