Stresstest Wie Europas Banken gestresst werden

Freitagabend veröffentlichen Europas Bankenaufseher die Ergebnisse des Stresstests, und einige Institute werden besonders zittern müssen, darunter auch die Deutsche Bank. Die wichtigsten Antworten zur Banken-Prüfung.

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Quelle: dpa

Die meisten Schüler in Europa haben mittlerweile ihr Zeugnis erhalten und wissen, ob sie versetzt wurden. Dagegen müssen Europas Banken noch zittern. Erst am Freitagabend um 22 Uhr bekommen sie ihr nächstes Zwischenzeugnis, die Ergebnisse des Stresstests von der europäischen Bankenaufsicht EBA und der Europäischen Zentralbank (EZB).

Während Kinder ihre Noten oft nachmittags mit einem Eis in der Sonne feiern dürfen, müssen die Bankmanager eine Nachtschicht einlegen. Die Ergebnisse werden erst nach Börsenschluss in den USA veröffentlicht werden. Für Konsequenzen bleibt Zeit über das Wochenende, erst am Montag droht mit der Börsenöffnung in Asien die erste Reaktion der Kapitalmärkte auf die Ergebnisse. Einigen Banken dürfte ein turbulentes Wochenende bevorstehen.

Nach 2014 nehmen EBA und EZB erneut Europas Banken unter die Lupe und setzen sie diversen Stress-Szenarios aus. Geprüft werden insgesamt 51 Institute, darunter sind neun deutsche. Im Gegensatz zu 2014 wird es keine Durchfaller geben. Aussagen über die Stabilität der Institute lassen sich nur auf der Basis einzelner Werte in Relation zu anderen Banken treffen. Die EZB testet zudem noch 56 kleinere Institute. Deren Testergebnisse werden aber nicht öffentlich gemacht.

Wo die zufriedensten Bankkunden leben
Santander Quelle: REUTERS
Platz 31: Vereinigte Arabische Emirate Überaus unzufrieden scheinen auch die Bankkunden der Vereinigten Arabischen Emirate zu sein. Im Ranking belegen diese mit 66,6 Punkten, wie auch schon 2015, den vorletzten Platz. Quelle: dpa
Platz 30: MexikoFür das Ranking wurden 16.000 Kunden aus 32 Ländern befragt. Neben diesen Ergebnissen basiert der Report auf qualitativen Daten aus ausführlichen Interviews mit Bankmanagern. Mexiko liegt ebenfalls auf einem der hinteren Plätze. Quelle: REUTERS
Platz 29: JapanBei der Befragung des Vorjahres hielten die japanischen Banken die rote Laterne. 2016 sind die Kunden etwas gnädiger. Rund acht Punkte machen die Japaner gut und rücken damit auf Platz 29. Quelle: REUTERS
Platz 28: ArgentinienDrei Plätze runter geht's für die argentinischen Banken: auf Rang 28. Quelle: REUTERS
Platz 5: SchweizDie Schweizer Banken können im Jahr 2016 die amerikanischen Banken vom fünften Platz verdrängen. Mit 80 Punkten machen sie 6,3 Punkte gut. Quelle: REUTERS
Platz 4: GroßbritannienEin Zuwachs um 0,2 Punkte reicht für Großbritanniens Banken aus, um sich vor die Schweiz auf den vierten Platz zu positionieren. Quelle: REUTERS

Bis vor kurzem war der Stresstest maximal in den Türmen der Banken ein Thema. Durch Brexit und Bankenkrise in Italien rückt die Prüfung nun stärker in den Fokus. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche deutschen Banken werden gestresst?

In Deutschland müssen sich die beiden größten Institute, die Deutsche Bank und die Commerzbank, dem Test der Aufseher unterziehen. Hinzu kommen die Landesbanken aus Bayern, Hessen-Thüringen, Baden-Württemberg und die NordLB, die DekaBank, die VW Bank sowie Nordrhein-Westfalens Förderinstitut NRW Bank.

Wie wird gestresst?

Die betroffenen Banken haben bereits im Februar und März die von EBA und EZB geforderten Daten gesammelt und die geforderten Szenarien durchgespielt. Im April mussten die gesamten Daten, sprich die Geschäftszahlen der Bank Stand Ende Dezember 2015 sowie die Ergebnisse unter Stress, an die Aufseher gemeldet werden. Dort wurden sie dann überprüft.

Gestresst werden die Bilanzen der Banken mit Szenarien, in denen von unterschiedlichen Schocks für die Banken und die Volkswirtschaften ausgegangen wird. Es geht dabei um alle Teile der Bilanz, insbesondere aber um das Kernkapital der Bank. Dabei handelt es sich nicht um eine Prognose, es wird lediglich ein Basisszenario mit einem „gestressten“ Szenario verglichen.

Die Szenarien gelten jeweils für drei Jahre von 2016 bis 2018. Für Deutschland wird beispielsweise ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,4 Prozent angenommen, sowie eine um 2,8 Prozent höhere Arbeitslosigkeit. Getestet werden unterschiedliche Risiken, die in einem solchen Szenario eintreten können, beispielsweise Risiken durch Kreditausfälle oder das Risiko sinkender Nettozinserträge. Erstmals werden auch operationelle Risiken, etwa durch Rechtstreitigkeiten, getestet.

Warum wird gestresst?

Die Ergebnisse sollen den Aufsehern helfen, bis Jahresende die bankspezifischen Kapitalquoten festzulegen, die künftig gefordert sein werden. „Die Ergebnisse sind zentraler Bestandteil, um die Risikoanfälligkeit von Bank-Portfolios gegenüber makroökonomischen Veränderungen zu untersuchen“, sagt Korbinian Ibel. Er beaufsichtigt als Generaldirektor der EZB Europas Banken. Die Ergebnisse des Tests müssten zwar nicht zu höherem Kapitalbedarf führen. Sie könnten aber andere Maßnahmen nach sich ziehen, wie Änderungen beim Risikomanagement.

„Jeder Bankenstresstest kann nur eine Diagnose liefern, Therapie und Heilungsprozess müssen andere übernehmen“, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB).

Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass der Stresstest einen gute Anhaltspunkte für den Zustand und die Probleme der Banken liefert. Oft mangelt es allerdings an den Konsequenzen. Schon nach dem Stresstest 2014 war klar, dass italienische Banken zu viele notleidende Kredite in ihren Papieren haben. Passiert ist bis heute wenig, und seit einigen Wochen spitzt sich die Lage bei Italiens Kreditinstituten immer mehr zu.

Sorge um Italiens Banken

Was ist in Italien los?

Keine Frage, die Ergebnisse der italienischen Banken dürften im Fokus des diesjährigen Tests stehen. Die Institute haben Schätzungen zufolge rund 360 Milliarden Euro an faulen Krediten in ihren Bilanzen. Das Bankensystem muss dringend saniert werden. Vor allem die Banca Monte dei Paschi steht im Wind. Die Bank braucht dringend Kapital. Nun heißt es, Ministerpräsident Matteo Renzi wolle so schnell wie möglich eine Lösung.

Die Regeln der europäischen Bankenaufsicht schreiben allerdings vor, dass im Fall einer Bankenpleite zunächst Anteilseigner und Gläubiger für das Institut einspringen müssen („bail-in“). Damit soll verhindert werden, dass Steuerzahler marode Banken retten müssen. Darauf besteht die EU-Kommission auch im Fall Monte dei Paschi. Das Problem: viele Gläubiger des Instituts sind italienische Privatanleger, die der Ministerpräsident lieber schützen möchte. Deshalb brachte Renzi zwischenzeitlich die eigentlich tabuisierten Staatshilfen wieder auf den Tisch.

Nun heißt es allerdings, private Investoren, andere Banken, sollen bis Freitagabend eine Kapitalspritze von fünf Milliarden Euro leisten, damit Monte dei Paschi einigermaßen stolperfrei durch das Stresstest-Wochenende kommt. Von den „Freunden von Monte dei Paschi“ ist die Rede, die die Traditionsbank zunächst stützen sollen. Ob dieser Plan Renzis klappt, ist bisher offen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von mindestens acht Banken, mit denen Monte dei Paschi im Gespräch ist.

Schon vor dem Stresstest ist daher klar, dass die italienischen Banken wohl das unbeliebte Schlusslicht der Tabelle abgeben werden. EZB-Chef Mario Draghi verwies nach dem Zinsentscheid in der vergangenen Woche darauf, wie wichtig der Abbau der faulen Kredite in den Bilanzen sei. Je mehr dieser notleidenden Darlehen sich in den Büchern befinden, desto weniger Kredite vergeben Banken in der Regel. Eine steigende Kreditvergabe in der Euro-Zone ist allerdings genau das Ziel, das die EZB mit ihrer expansiven Geldpolitik erreichen will. Banken sollen mehr Kredite vergeben, damit Unternehmen investieren und so die Wirtschaft ankurbeln und die Inflationsrate steigen lassen.

Was passiert bei den deutschen Banken?

Der Bankenverband BdB rechnet nicht mit größeren Problemen bei einem der deutschen Institute. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass vor allem die Ergebnisse der Deutschen Bank mit viel Spannung erwartet werden. Die Kapitaldecke der größten deutschen Bank ist mit aktuell 10,8 Prozent besorgniserregend dünn. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass die Bank im zweiten Quartal nur mit Mühe die schwarzen Zahlen erreicht hat. Der Nettogewinn lag nur noch bei 20 Millionen Euro nach 800 Millionen Euro im Vorjahresquartal.

Insbesondere die dünne Kapitalausstattung bereitet Sorgen, im zweiten Quartal konnte die harte Kernkapitalquote nur um 0,1 Prozentpunkte verbessert werden. „Die Deutsche Bank hat eine Kapitallücke von sieben Milliarden Euro - eine Lücke, die zu schließen angesichts einer sich verschlechternden Konjunktur immer schwieriger wird“, erklären Analysten von Barclays. Schneidet die Bank beim Stresstest schlecht ab, muss schnellstens eine Lösung für das Kapitalproblem her, so die einhellige Meinung. Durch den US-Stresstest vor einigen Wochen ist die Deutsche Bank bereits durchgefallen.

Welche Kritik gibt es am Test?

Kritiker halten den Test an einigen Stellen für unzureichend oder ungünstig. Zum einen heißt es, ein wichtiges Szenario fehle: die konkreten Auswirkungen noch niedriger Zinsen werden nicht überprüft. Offenbar will sich die EZB nicht in ihre zinspolitischen Karten schauen lassen und hat von so einer Rechnung Abstand genommen. Obwohl die Nullzinsen für die Banken gravierende Folgen haben, werden diese also nicht ausreichend berücksichtigt.

Gleichzeitig wird bemängelt, dass das Stress-Level unterschiedlich hoch ist. Während deutsche Geldinstitute einen Wachstumsrückgang von 1,4 Prozent hinnehmen müssen, sind es in den Niederlanden drei Prozent. Zudem sieht der Test keine Abschreibungen vor. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass Papiere, die Ende 2015 in den Büchern waren, dort auch noch Jahre später liegen.

Der Bankenverband begrüßt dagegen, dass es kein Bestehen und Nicht-Bestehen aufgrund gewisser Hürden gibt. So seien keine Schwarz-Weiß-Aussagen mehr möglich. Nur ein genauer Blick ins Zahlenwerk, sagt wirklich etwas über die Situation der jeweiligen Bank aus.

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