UBS Der „Pfui-Banker“ auf dem Weg nach ganz oben

Martin Blessing Quelle: dpa

Martin Blessing übernimmt bei der Schweizer UBS das Geschäft mit den reichen Kunden. Das macht ihn zum derzeit wichtigsten deutschen Banker der Welt. 

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Dass nicht nur der Prophet, sondern auch der Banker im eigenen Land mitunter sträflich unterschätzt wird, demonstriert die Karriere des Martin Blessing derzeit scheinbar eindrucksvoll. Als Commerzbankchef kämpfte der frühere McKinsey-Berater zwischen 2008 und 2016 mit allerlei existenzbedrohenden Katastrophen und ihren Folgen. Die von ihm ausgerufenen Ziele erreichte Blessing entweder teilweise oder gar nicht und auch wenn er dafür stets aufs Neue widrige Umstände verantwortlich machte, fällt die Bilanz seines Wirkens allenfalls mittelprächtig aus. Viele Commerzbanker rechnen ihm rückblickend vor allem positiv an, dass er überhaupt so lange durchgehalten hat. Nach seinem Abschied legten seine Nachfolger erst mal ein heftiges Sparprogramm auf.

Nachdem er bei der Commerzbank einiges aushalten und sich bei Hauptversammlungen unter anderem als „Pfui-Banker“ beschimpfen lassen musste, wollte sich Blessing offenbar etwas Gutes tun. Deshalb heuerte er als Vorstand bei der Schweizer UBS an – ein deutlich besser bezahlter Job bei einer deutlich besser aufgestellten Bank. Dass er dort ausgerechnet das Schweizer Privatkundengeschäft übernahm, überraschte jedoch viele in der Branche. Denn schließlich beschränkten sich Blessings Erfahrungen in dem Land zuvor im Wesentlichen auf ein Studium in St Gallen.

In Zürich soll sich Blessing nun aber nicht nur privat ausgesprochen wohl fühlen, es läuft auch beruflich blendend. Seine Sparte erzielte zuletzt jedenfalls ein Rekordergebnis. Und nach nicht mal eineinhalb Jahren steht für den 54-jährigen nun ein Sprung an, der ihn zum derzeit wohl wichtigsten deutschen Banker weltweit macht. Mit dem „Private Wealth“ übernimmt er überraschend die mit großem Abstand wichtigste Sparte der Schweizer Großbank. Das muss noch nicht die Krönung der Karriere sein. Der Abschied von seinem Vorgänger Jürg Zeltner macht Blessing zum aussichtsreichsten Kandidaten für eine mögliche Nachfolge von Konzernchef Sergio Ermotti.

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Mit einem verwalteten Vermögen von umgerechnet deutlich mehr als zwei Billionen Euro ist die UBS die globale Nummer Eins im Geschäft mit den Superreichen. Nach der Finanzkrise hatte sie ihr Investmentbanking deutlich verkleinert und sich voll und ganz auf ihr Stammgeschäft konzentriert. Und obwohl sie schon lange keine bevorzugte Anlaufstelle für Steuerhinterzieher mehr ist, läuft es für die Bank ziemlich gut. In den vergangenen Quartalen meldete sie regelmäßig Zuflüsse, auch wenn manche Konkurrenten noch stärker zulegten. Ein Selbstläufer ist das Geschäft jedoch nicht. Die niedrigen Zinsen drücken die Margen und in Asien, wo die Vermögen besonders stark wachsen, hat die UBS Nachholbedarf.

Erfahrungen in dem Geschäft hat Blessing keine. Und mit seinem eher lockeren Habitus entspricht er auch kaum den herkömmlichen Vorstellungen eines Schweizer Privatbankiers. Insofern soll er hier wohl eine Modernisierung forcieren, die ohnehin längst in Gang ist. Auch die Vermögensverwaltung findet zunehmend digital statt, wegen niedriger Zinsen und stärkerer Regulierung steht sie zudem zunehmend unter Effizienzdruck. Sparen und digitalisieren sind Themen, bei denen sich Blessing auskennt.

Und mit denen er in Zürich auf viel Widerstand stoßen wird. Hinzu kommen kulturelle Vorbehalte. In Teilen der UBS geht schon länger die Angst um, dass die Bank von ihrem Verwaltungsratsvorsitzenden, dem früheren Bundesbankchef Axel Weber, „germanisiert“ werde. „Wenn der Tessiner Ermotti in zwei Jahren zurücktritt, kann Weber seinen Schlachtplan endgültig ausrollen. Blessing erhält dann das operative Steuer“, mutmaßt der in der Schweiz viel gelesene Finanz-Blog „Inside Paradeplatz.“ Damit „schnappten“ sich zwei Deutsche die UBS.

Für das Schweizer Selbstverständnis wäre das anscheinend ein ähnlich schwerer Schlag wie der Fall des Bankgeheimnisses.

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