Der frühere BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky rückt nach langem Zögern sein Millionenvermögen heraus. Von seiner Münchner Gefängniszelle hat der 54-Jährige dafür gesorgt, dass die BayernLB auf sein Geld und seinen Besitz zugreifen darf - und damit für den Schaden entschädigt wird, den er der Bank durch seinen Formel-1-Deal mit Rennchef Bernie Ecclestone eingebrockt hat.
„Die BayernLB hat jetzt eine Kontovollmacht“, sagte Gribkowskys Verteidiger Daniel Amelung der Nachrichtenagentur dpa in München. Durch die Wiedergutmachung kann Gribkowsky auf eine kürzere Haftdauer hoffen.
Die schwer geplagte Landesbank kann das Geld gut gebrauchen: Immerhin geht es um rund 30 Millionen Euro - vom Stiftungsvermögen über Immobilien bis hin zu kostbaren Uhren und fast 900 Flaschen Wein.
Die Krise der BayernLB
Früher war die BayernLB ein Aushängeschild des Freistaats Bayern - heute ist sie ein Sanierungsfall. Schuld daran war vor allem der Fehlkauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria, für den die BayernLB den ehemaligen Vorstand seit Dienstag vor Gericht in die Pflicht nehmen will. Das sind die wichtigsten Etappen im Fall BayernLB.
22. Mai 2007: Die BayernLB kauft für rund 1,6 Milliarden Euro die Mehrheit an der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria.
24. August 2007: Die BayernLB räumt erstmals ein Engagement im krisengeschüttelten US-Markt für Hypothekendarlehen bonitätsschwacher Schuldner ein. Bisher gebe es keine „Zahlungsstörungen“, heißt es.
13. Februar 2008: Die BayernLB beziffert die Belastungen auf 1,9 Milliarden Euro.
19. Februar 2008: BayernLB-Chef Werner Schmidt tritt wegen der Querelen um die Offenlegung der Belastungen zurück. Nachfolger wird der ehemalige HypoVereinsbank-Manager Michael Kemmer.
3. April 2008: Die BayernLB beziffert die Belastungen auf 4,3 Milliarden Euro.
19. September 2008: Die BayernLB gibt bekannt, dass sie durch die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers mit Ausfallrisiken von bis zu 300 Millionen Euro rechnet.
22. Oktober 2008: Bayerns Finanzminister Erwin Huber (CSU) übernimmt die politische Verantwortung für das Desaster und tritt zurück.
24. Oktober 2008: Im Machtkampf um die Ablösung Kemmers muss die Staatsregierung eine Niederlage hinnehmen. Er bleibt im Amt, nachdem ihn zahlreiche Beschäftigte in einer öffentlichen Demonstration wie einen Star gefeiert hatten.
28. November 2008: Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigt ein Rettungspaket von mehr als 30 Milliarden Euro für die BayernLB an.
1. Dezember 2008: Kemmer kündigt den Abbau von 5600 der weltweit gut 19 000 Arbeitsplätze an, um damit langfristig das Überleben der Bank zu sichern.
23. Januar 2009: Die BayernLB beziffert den operativen Verlust für das Jahr 2008 auf fünf Milliarden Euro.
11. November 2009: Die BayernLB gibt bekannt, dass sie wegen der hohen Risikovorsorge für faule Kredite und Wertberichtigungen bei der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) einen Verlust von mehr als einer Milliarde Euro erwartet.
14. Dezember 2009: Der wochenlange Poker zwischen Österreich und Bayern hat ein Ende: Die HGAA soll komplett verstaatlicht werden. Das Debakel hat die BayernLB mehr als 3 Milliarden Euro gekostet. Am Abend erklärt BayernLB-Chef Michael Kemmer seinen Rücktritt.
23. Dezember 2009: Auch der langjährige BayernLB-Kontrolleur und Sparkassenpräsident Siegfried Naser stürzt und will sein Amt zur Verfügung stellen.
4. Januar 2010: Nach dem Debakel mit der HGAA hofft der Freistaat auf Schadenersatz und prüft, ob auf zivilrechtlichem Weg Ansprüche geltend gemacht werden können.
28. Januar 2010: Ermittler durchsuchen Räume der BayernLB-Tochter Deutsche Kreditbank (DKB) in Berlin.
9. Februar 2010: Die Staatsanwaltschaft München durchsucht Büros des Bayerischen Städtetags und des Sparkassenverbandes. Hintergrund ist der Untreue-Verdacht im Zusammenhang mit dem Kauf der HGAA.
25. Februar 2010: Der Untersuchungsausschuss zum BayernLB-Debakel im bayerischen Landtag nimmt seine Arbeit auf.
15. April 2010: - Der neue BayernLB-Chef Gerd Häusler übernimmt offiziell das Ruder und kündigt an, die Bank fit für einen Verkauf machen zu wollen.
17. Juni 2010: - Im Untersuchungsausschuss verweigern der frühere BayernLB-Vorstandschef Michael Kemmer und Ex-Vorstand Rudolf Hanisch die Aussage.
13. Oktober 2010: Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) weist im Untersuchungsausschuss jegliche Mitverantwortung am Debakel mit der Hypo Alpe Adria zurück.
25. Oktober 2010: Der BayernLB-Verwaltungsrat beschließt, gegen sämtliche am Kauf der HGAA beteiligten Vorstände Schadenersatzansprüche geltend zu machen.
5. Januar 2011: Der ehemalige BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky wird in München verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, beim Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB 2006 rund 44 Millionen Dollar vom Boss der Rennserie, Bernie Ecclestone, angenommen zu haben. Im Oktober 2011 beginnt der Prozess. Ein Urteil ist noch nicht gesprochen.
25. Mai 2011: Die Staatsanwaltschaft München erhebt wegen des milliardenschweren Fehlkaufs der österreichischen Hypo Group Alpe Adria Anklage gegen acht ehemalige Vorstandsmitglieder. Diese hätten sich über die im Rahmen des Erwerbsprozesses aufgedeckten Bedenken bewusst hinweg gesetzt, erklärt die Anklagebehörde. Das Gericht zweifelt aber an der Anklage und gibt ein Gutachten in Auftrag, über das noch nicht entschieden ist.
19. Juni 2012: BayernLB gegen Ex-Vorstände: Vor dem Landgericht München beginnt der Prozess um Schadenersatzforderungen in Höhe von 200 Millionen Euro gegen die früheren Top-Manager.
Auch Gribkowskys Villa im Münchner Nobelvorort Grünwald dürfte nun bald unter den Hammer kommen. Allein der Verkauf dieser Immobile mit Pool könnte der BayernLB rund sechs Millionen Euro in die Kasse spülen. In den kommenden Jahren hätte Gribkowsky ohnehin nicht dorthin zurückkehren können: Vor drei Monaten war er zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld von Ecclestone kassiert und nicht versteuert hat.
Schein-Stiftung für krebskranke Kinder
Zudem sorgte er als Vorstand der Bank dafür, dass die BayernLB dem Formel-1-Milliardär beim Verkauf ihrer Anteile an der Rennserie eine üppige Vermittlungsprovision überwies, die eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Diesen Schaden müsse Gribkowsky endlich wiedergutmachen, hatte Richter Peter Noll in der Urteilsbegründung gefordert.
Die BayernLB und die Formel 1
Es war der Höhepunkt der New Economy, als das Medienunternehmen EM.TV im Jahr 2000 bei der Formel 1 einstieg. Kurz zuvor hatte EM.TV um die Gebrüder Thomas und Florian Haffa in einem ähnlich spektakulären Deal die Rechte an der „Muppets Show“ erworben.
Mit im Boot bei der Formel 1 war auch damals schon Bernie Ecclestone, Zampano des PS-Spektakels, mit seiner Familienstiftung. Nur wenig später ging es mit EM.TV bergab. Die Kirch-Gruppe des damaligen Medienzaren Leo Kirch kam zu Hilfe, erhielt im Gegenzug den Anteil an dem Rennzirkus und stockte ihn noch auf. Dafür musste Kirch Kredite aufnehmen, unter anderem bei der BayernLB.
Die Kirch-Gruppe meldete dann 2002 Insolvenz an. Dadurch wurde die Landesbank aus München unerwartet zum Anteilseigner der Formel 1 und der damalige Risikovorstand Gerhard Gribkowsky zum Motorsport- Verantwortlichen. In der Folgezeit entwickelte sich ein Streit mit den Autokonzernen, denen die tonangebende - und profitable - Rolle Ecclestones und seiner Verbündeten ein Dorn im Auge war. Auch eine Übernahme der Formel 1 durch einen oder mehrere Hersteller oder eine Konkurrenzveranstaltung standen zur Debatte.
Vier Jahre später verkaufte Gribkowsky die BayernLB-Anteile an den Finanzinvestor CVC Capital Partners und die Wogen glätteten sich. Das Unternehmen zählt zu den weltweit größten der Private-Equity-Branche und hat europäische Wurzeln. Hauptsitze sind Luxemburg und London.
Der Finanzinvestor übernahm die Formel-1-Mehrheit durch den Erwerb der Anteile der BayernLB und von Ecclestone selbst beziehungsweise seiner Familie. Dies geschah indirekt über die neu gegründete CVC-Tochter Alpha Prema, an der Ecclestone wiederum auch selbst beteiligt ist. Der heute 82-Jährige blieb auch bei diesem Deal Chef der Formel 1. Gribkowsky rückte in den Aufsichtsrat von Alpha Prema.
Bis dahin sei dies nicht geschehen: Die riesige Summe von Ecclestone habe Gribkowsky vielmehr mit hoher krimineller Energie in eine Schein-Stiftung für krebskranke Kinder in Österreich geleitet. „Das Geld wurde nicht nur versteckt und im Tresor verstaut, sondern dann hat er auch noch den Schlüssel weggeworfen.“ Diesen Schlüssel habe die BayernLB nun bekommen, sagte Anwalt Amelung - um im Bild zu bleiben.
Das Geld in der Stiftung mit dem Namen „Sonnenschein“ ist mit rund 20 Millionen Euro der dickste Brocken des Vermögens - und war wegen der schwierigen Rechtslage für die BayernLB kaum zu greifen.
Nun hat Gribkowky aber dafür gesorgt, dass dort neue Vorstände eingesetzt werden, die den Auftrag haben, die Stiftung aufzulösen und das Geld an die Bank auszuzahlen. „Das muss nun ordnungsgemäß abgewickelt werden“, sagte ein BayernLB-Sprecher.
Mit den Gribkowsky-Millionen allein will sich die Bank aber nicht zufriedengeben: Derzeit prüft sie auch, ob sich von Ecclestone Schadenersatz holen lässt.