Deutschland erlebt gerade eine Krise der Banken: Filialen werden vielerorts geschlossen, die Commerzbank entlässt fast zehntausend Mitarbeiter. Und, des Landes stolzeste Bank, die Deutsche, kämpft mit Strategie, Kultur und Zahlen gleichzeitig und taumelt deshalb Nahe dem Abgrund. Waren es in der Vergangenheit meist makroökonomische Schocks, die Schwächen bei Banken offen gelegt haben, sind es diesmal unterschiedliche Gründe, aber ein Krisenfaktor ist allen gemein: die Digitalisierung.
Ob Amazon, airbnb oder Online-Preisvergleich: In vielen Branchen haben digitale Angebote in den letzten zehn Jahren die Macht hin zum Kunden verschoben. Der Bankensektor jedoch blieb gegen diese radikalen Veränderungen lange Zeit scheinbar immun. In der Tat passen digitale Transparenz und die Macht der kleinen Privatkunden nicht so recht zum Selbstverständnis der klassischen Banken. Doch: Welchen Fortschritt haben die Banken in den letzten Jahren ihren Kunden gebracht?
Die meisten Bankdienstleistungen kann man zwar inzwischen online nutzen; aber an den Dienstleistungen selbst hat sich nichts verändert – nicht einmal äußerlich: Ein Bankomat etwa sah bereits vor zwanzig Jahren genauso so aus wie heute. Kundenorientiertes Produktdesign? Für die meisten Banken ein Fremdwort. Banken sind heute so unbeliebt wie nie zuvor, die Kunden misstrauen den sogenannten „Innovationen“ jener Branche, die ihnen kaum Nutzen brachte, dafür aber die Finanzkrise verursachte. Die Folge: Die urbanen Trendsetter und die von den Banken Ausgeschlossenen wenden sich längst den neuen „Nicht-Banken“ zu, bei denen Auftritt und Kundenorientierung zeitgemäßer und authentischer ist.
Zum Autor
Andreas Barthelmess berät große europäische FinTech-Unternehmen genauso wie Banken. Barthelmess war in Executive Positionen u. a. für iZettle und auxmoney tätig und gehört zu den profiliertesten FinTech-Managern in Deutschland. Barthelmess ist Ökonom und Mitglied vom Club of Rome Deutschland, sowie Gründer vom ThinkTank30 Deutschland.
Diese jungen Tech-Unternehmen in der Finanzwelt – kurz: Fintechs – sind Ausdruck einer neuen Kundenmacht im Finanzbereich. Das Empowerment des Kunden vollzieht sich dabei gleich auf mehrfache Weise: Zum einen bieten Fintechs den Kunden einfachere, schnellere und kostengünstigere Finanzdienstleistungen – ganz gleich, ob es um Überweisungen, Kredite oder mobiles Zahlen geht. Volkswirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutender ist jedoch die Tatsache, dass Fintechs vielen Menschen Finanzdienstleistungen überhaupt erst zugänglich machen, die heute de facto davon ausgeschlossen sind. Wenn Banken Fintechs weiter nur auf schicke Apps reduzieren, haben sie nichts verstanden und werden weiter Kunden verlieren.
Kreditzugang und Chancengerechtigkeit
Bei Kreditmarktplätzen etwa bekommen auch Existenzgründer, Angestellte in der Probezeit oder Studenten aufgrund differenzierterer und digitaler Scoring-Methoden Kredite, die von Banken oft pauschal als „Risikogruppen“ abgelehnt werden. Laut einer aktuellen Studie von PricewaterhouseCoopers können so bis zu 4,3 Millionen mehr Menschen in Deutschland ihre unternehmerischen, beruflichen und privaten Projekte realisieren. Spätestens der Aufschrei zur neuen EU-Immobilienkreditrichtlinie, die den Zugang der Mittelschicht zum Eigenheim deutlich erschwert, hat gezeigt: Kreditzugang und Chancengerechtigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille.
Mit ihrem Transparenz- und Teilhabeversprechen heben sich die Fintechs von der behäbigen Selbstgefälligkeit der Banken ab und bieten die Möglichkeit für ein faireres Finanzsystem. Die Konkurrenz der jungen Technologieunternehmen verringert die Abhängigkeit der Kunden von den Banken und gleichzeitig deren Macht. Und, wie im Fall der Marktplatzkredite sind sie ein wirksames Mittel gegen die fatale Too Big to Fail Logik , die dem Misstrauen und der Ablehnung gegenüber Banken seit der Finanzkrise zugrunde liegt. Denn Ausfälle von peer-to-peer Krediten können nicht mehr mit dem Drohpotenzial einer Bankenpleite auf die Allgemeinheit abgewälzt werden – hier tragen die privaten Anleger die Chancen auf hohe Renditen ebenso wie die Risiken von Ausfällen einzelner Kredite.
Welche Rolle werden also die Banken in Zukunft spielen? Banken wird es sicherlich auch noch in zehn Jahren geben, allerdings in einer reduzierteren Rolle, insbesondere im Privatkundengeschäft: Sie werden vor allem die regulatorische Infrastruktur bereitstellen und unterstützende Prozesse abwickeln. Viele Banken werden, ähnlich wie Telekommunikationsunternehmen, lediglich die Dumb Pipe, also die Backend-Prozesse bereitstellen. Die Produktintelligenz und das direkte Geschäft mit den Endkunden werden dagegen neue Player übernehmen.
Damit werden die Fintechs gleichsam zum marktseitigen Regulativ der Banken. Was bislang dem Gesetzgeber nicht gelang, schaffen nun die Gesetze der digitalen Welt: die Macht der Banken zu begrenzen. Die Finanzwelt könnte fairer, offener und zugleich stabiler werden. So bekommt der Finanzsektor am Ende doch noch seine Revolution, ganz ohne brennende Autos, aber vorangetrieben von einer jungen, digitalen Gründergeneration.
Was bleibt also als Strategie für die Banken im Geschäft mit dem Privatkunden? Nicht so viel und deswegen ganz einfach: in FinTechs massiv zu investieren und mit Ihnen zu kooperieren. Das wird am Ende nicht nur dem Geschäft, sondern auch der Innovationskraft im Rest des Hauses helfen — und der Kultur sowieso.
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