Zukunft der Banken Wenn Kunden die Banken regulieren

Deutschland erlebt gerade eine Krise der Banken. Wenn Banken Fintechs weiter nur auf schicke Apps reduzieren, haben sie nichts verstanden und werden weiter Kunden verlieren.

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Eine Filiale der Commerzbank. Quelle: dpa

Deutschland erlebt gerade eine Krise der Banken: Filialen werden vielerorts geschlossen, die Commerzbank entlässt fast zehntausend Mitarbeiter. Und, des Landes stolzeste Bank, die Deutsche, kämpft mit Strategie, Kultur und Zahlen gleichzeitig und taumelt deshalb Nahe dem Abgrund. Waren es in der Vergangenheit meist makroökonomische Schocks, die Schwächen bei Banken offen gelegt haben, sind es diesmal unterschiedliche Gründe, aber ein Krisenfaktor ist allen gemein: die Digitalisierung.

Ob Amazon, airbnb oder Online-Preisvergleich: In vielen Branchen haben digitale Angebote in den letzten zehn Jahren die Macht hin zum Kunden verschoben.  Der Bankensektor jedoch blieb gegen diese radikalen Veränderungen lange Zeit scheinbar immun. In der Tat passen digitale Transparenz und die Macht der kleinen Privatkunden nicht so recht zum Selbstverständnis der klassischen Banken. Doch: Welchen Fortschritt haben die Banken in den letzten Jahren ihren Kunden gebracht? 

Die meisten Bankdienstleistungen kann man zwar inzwischen online nutzen; aber an den Dienstleistungen selbst hat sich nichts verändert – nicht einmal äußerlich: Ein Bankomat etwa sah bereits vor zwanzig Jahren genauso so aus wie heute. Kundenorientiertes Produktdesign? Für die meisten Banken ein Fremdwort. Banken sind heute so unbeliebt wie nie zuvor, die Kunden misstrauen den sogenannten „Innovationen“ jener Branche, die ihnen kaum Nutzen brachte,  dafür aber die Finanzkrise verursachte. Die Folge: Die urbanen Trendsetter und die von den Banken Ausgeschlossenen wenden sich längst den neuen „Nicht-Banken“ zu, bei denen Auftritt und Kundenorientierung zeitgemäßer und authentischer ist.

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Diese jungen Tech-Unternehmen in der Finanzwelt – kurz: Fintechs – sind Ausdruck einer neuen Kundenmacht im Finanzbereich. Das Empowerment des Kunden vollzieht sich dabei gleich auf mehrfache Weise: Zum einen bieten Fintechs den Kunden einfachere, schnellere und kostengünstigere Finanzdienstleistungen – ganz gleich, ob es um Überweisungen, Kredite oder mobiles Zahlen geht.  Volkswirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutender ist jedoch die Tatsache, dass Fintechs vielen Menschen Finanzdienstleistungen überhaupt erst zugänglich machen, die heute de facto davon ausgeschlossen sind. Wenn Banken Fintechs weiter nur auf schicke Apps reduzieren, haben sie nichts verstanden und werden weiter Kunden verlieren.

Kreditzugang und Chancengerechtigkeit

Bei Kreditmarktplätzen etwa bekommen auch Existenzgründer, Angestellte in der Probezeit oder Studenten aufgrund differenzierterer und digitaler Scoring-Methoden Kredite, die von Banken oft pauschal als „Risikogruppen“ abgelehnt werden. Laut einer aktuellen Studie von PricewaterhouseCoopers können so bis zu 4,3 Millionen mehr Menschen in Deutschland ihre unternehmerischen, beruflichen und privaten Projekte realisieren. Spätestens der Aufschrei zur neuen EU-Immobilienkreditrichtlinie, die den Zugang der Mittelschicht zum Eigenheim deutlich erschwert, hat gezeigt: Kreditzugang und Chancengerechtigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille.

Mit ihrem Transparenz- und Teilhabeversprechen heben sich die Fintechs von der behäbigen  Selbstgefälligkeit der Banken ab und bieten die Möglichkeit für ein faireres Finanzsystem. Die Konkurrenz der jungen Technologieunternehmen verringert die Abhängigkeit der Kunden von den Banken und gleichzeitig deren Macht. Und, wie im Fall der Marktplatzkredite  sind sie ein wirksames Mittel gegen die fatale Too Big to Fail Logik , die dem Misstrauen und der Ablehnung gegenüber Banken seit der Finanzkrise zugrunde liegt. Denn Ausfälle von peer-to-peer Krediten können nicht mehr mit dem Drohpotenzial einer Bankenpleite auf die Allgemeinheit abgewälzt werden –  hier tragen die privaten Anleger die Chancen auf hohe Renditen ebenso wie die Risiken von Ausfällen einzelner Kredite.  



Welche Rolle werden also die Banken in Zukunft spielen? Banken wird es sicherlich auch noch in zehn Jahren geben, allerdings in einer reduzierteren Rolle, insbesondere im Privatkundengeschäft: Sie werden vor allem die regulatorische Infrastruktur bereitstellen und unterstützende Prozesse abwickeln. Viele Banken werden, ähnlich wie Telekommunikationsunternehmen, lediglich die Dumb Pipe, also die Backend-Prozesse bereitstellen. Die Produktintelligenz und das direkte Geschäft mit den Endkunden werden dagegen neue Player übernehmen.

Hier machen Banken Filialen dicht
Zehn Jahre lang hat die Sparkasse Wetzlar ihr Filialnetz nicht angefasst. Jetzt kommt der große Umbau: 15 von 49 Filialen will das Geldhaus aus dem hessischen Fachwerkstädtchen schließen, also gut 30 Prozent. 26 statt bisher 42 Geschäftsstellen sollen bis Ende 2016 noch mit Personal besetzt sein. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir auf geänderte Kundenanforderungen und betriebswirtschaftliche Belastungen reagieren müssen“, sagt Sparkassenchef Norbert Spory (im Bild). Quelle: Handelsblatt Online
Die Kunden gehen immer weniger in die Bankfiliale. Filialschließungen stoßen trotzdem oft auf Unmut. Zum Beispiel im Wetzlarer Ortsteil Garbenheim. Die Bürger sammelten Unterschriften gegen die Filialschließung, der Sparkassenchef musste seine Pläne im Ortsbeirat verteidigen. Immerhin: Bargeld abheben können die Garbenheimer Sparkassenkunden womöglich künftig bei einem Lebensmittelladen.Eine Reportage über das Filialsterben lesen Sie hier. Quelle: Handelsblatt Online
Zusammen kommen die 416 deutschen Sparkassen noch auf mehr als 12.000 mit Mitarbeitern besetzte Filialen. Vor zehn Jahren waren es noch rund 19.000. Es wurden also schon etliche Filialen geschlossen, im vergangenen Jahr allerdings schrumpfte die Zahl nur leicht. Das wird sich nach Einschätzung von Experten nun ändern. Sie gehen davon aus, dass etliche Sparkassen in den nächsten Jahren 20 bis 30 Prozent der Filialen streichen. Quelle: Handelsblatt Online
Die Sparkasse Duisburg feiert einmal im Jahr eine Gala (im Bild: Kabarettist Wolfgang Trepper). Doch für Schlagzeilen sorgte zuletzt, dass die Sparkasse Duisburg zwar mehr Geldautomaten aufstellen möchte – bis 2022 aber die Hälfte der mit Mitarbeitern besetzen Geschäftsstellen schließen, wie sie Ende Mai ankündigte. Das Institut verweist darauf, dass die heutige Filialdichte „in weiten Teilen aber dem Netz der 80iger Jahre“ entspreche. Damals allerdings hatte Duisburg noch mehr Einwohner als heute. Quelle: IMAGO
Im sächsischen Landtagswahlkampf spazierte Kanzlerin Angela Merkel im Sommer 2014 durch Annaberg-Buchholz – im Hintergrund eine Sparkassen-Filiale. Auch die Erzgebirgssparkasse dampft ihr Filialnetz ein. Nach der Fusion mehrerer Institute wurden binnen kurzer Zeit 38 von 95 Filialen geschlossen. Auch hier regte sich Protest. Immerhin: An Bargeld kommen die Kunden nun auch in 30 sogenannter Agenturen – oft Geschäfte, die im Auftrag der Sparkasse diese Dienstleistung übernommen haben. Darunter ist beispielsweise ein Fahrradladen. Quelle: dpa
Auch die Sparkasse Osnabrück will ihr Filialnetz ausdünnen. 17 von 58 Filialen sollen geschlossen werden. Investieren will das Geldhaus – wie andere Sparkassen auch – unter anderem in das Onlinebanking und in die Kundenbetreuung per Telefon und Chat. Trotzdem ist Sparkassenchef Johannes Hartig die Präsenz vor Ort wichtig. „Das Filialnetz ist und bleibt der genetische Code unserer Sparkasse!“, sagt er. Quelle: IMAGO
Zu den Sparkassen, die jetzt Filialen in größerem Stil streichen, gehört auch die Sparkasse Koblenz. Sie macht zehn von 48 Zweigstellen zu. „Wir müssen die Sparkasse jetzt so aufstellen, dass sie den geänderten Anforderungen unserer Kunden gerecht wird und für die künftigen Herausforderungen gewappnet ist. Wir dürfen nicht warten, bis es für eine positive Beeinflussung vielleicht zu spät ist“, sagt Sparkassenchef Matthias Nester. Trotzdem sind auch für ihn die Geschäftsstellen der „genetische Code unserer Sparkasse“. Quelle: IMAGO

Damit werden die Fintechs gleichsam zum marktseitigen Regulativ der Banken. Was bislang dem Gesetzgeber nicht gelang, schaffen nun die Gesetze der digitalen Welt: die Macht der Banken zu begrenzen. Die Finanzwelt könnte fairer, offener und zugleich stabiler werden.  So bekommt der Finanzsektor am Ende doch noch seine Revolution, ganz ohne brennende Autos, aber vorangetrieben von einer jungen, digitalen Gründergeneration. 

Was bleibt also als Strategie für die Banken im Geschäft mit dem Privatkunden? Nicht so viel und deswegen ganz einfach: in FinTechs massiv zu investieren und mit Ihnen zu kooperieren. Das wird am Ende nicht nur dem Geschäft, sondern auch der Innovationskraft im Rest des Hauses helfen — und der Kultur sowieso.

Sind Sie schon WirtschaftsWoche Club-Mitglied? Dann sollten Sie sich diese Veranstaltung nicht entgehen lassen: Fintechs ignorieren, kopieren oder integrieren? Hier geht es zur Anmeldung.

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