Baumärkte Praktiker droht der Zerfall

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Zement statt Plüsch

Wie schwer es ist, ein einmal aufgebautes Image wieder aus den Köpfen der Kunden zu bekommen, weiß Frank Wiemer. Der Manager ist im Rewe-Vorstand für die Baumarkttochter Toom zuständig. In den vergangenen Jahren hatte das Unternehmen versucht, mehr Kundinnen zu gewinnen. Schlichte Baumärkte verwandelte das Management in sogenannte wow-Märkte und staffierte die vormaligen Heimwerkerhallen mit Dekomaterialien und Einrichtungsgegenständen aus. Die Idee floppte. „Die wow-Märkte waren eine schlechte Kopie von Ikea“, sagt Wiemer. Das vergraulte die Männer.

Inzwischen lässt Wiemer die Toom wieder in „echte Baumärkte ohne viel Schnickschnack“ umrüsten. „Der Handwerker im Blaumann muss seine Zementsäcke nicht mehr durch pastellfarbene Plüschlandschaften wuchten“, verspricht er und liegt damit im Trend. Sascha Haghani, Baumarktexperte der Beratung Roland Berger, sieht eine „Renaissance der harten Sortimente“. Bei Toom beginnt sich der Konzeptwandel auszuzahlen: „Wenn die Geschäfte so weiterlaufen, werden wir das Ergebnis 2011 noch einmal deutlich verbessern“, kündigt Wiemer an. Doch der Weg zurück in die schwarzen Zahlen war ein kostspieliger Kraftakt und dauerte Jahre.

Zeit, die Praktiker womöglich nicht mehr hat. Einige Vermieter von Praktiker-Immobilien „suchen heute schon den Kontakt zu uns“, sagte jüngst Tengelmann-Inhaber Karl-Erivan Haub, zu dessen Handelsreich auch Obi gehört. Der Branchenprimus hat anders als Praktiker seine Hausaufgaben gemacht. So ließ das Management die Filialen, die teils im Besitz von Franchisenehmern sind, einheitlicher gestalten. Auch bei Eigenmarken mache Obi mit dem Label Lux, das auf mehr als 13 000 Produkten vom Akkuschrauber bis zum Rasentraktor prangt, „einen sehr guten Job“, lobt Berater Haghani.

Trotz der Erfolge lehnt der Branchenprimus ein Engagement bei Praktiker bislang ab. Allenfalls die Praktiker-Tochter Max Bahr könnte die Obi-Granden reizen, heißt es in der Branche.

Greift Fox zur Flex?

Das Schicksal des Praktiker-Konzerns ist eng mit der kleinen, vor allem im Norden Deutschlands bekannten Kette Max Bahr verknüpft. Dem 2006 für rund 220 Millionen Euro zugekauften Unternehmen geht es im Vergleich zur Kernmarke blendend, obgleich auch hier der Gewinn zuletzt deutlich sank. Die Max-Bahr-Märkte sind im Schnitt größer und liegen an besseren Standorten als die Praktiker-Filialen. Vor allem aber sind die Kunden beim Kauf von Fliesen und Fassadenfarbe nicht auf Rabatte geeicht.

In der Praktiker-Führung soll schon 2010 ein radikaler Ansatz diskutiert worden sein, berichten Unternehmensinsider: die Umstellung von mehr als der Hälfte der Praktiker-Filialen auf die Marke Max Bahr. Die restlichen Praktiker-Standorte wären in diesem Szenario wohl geschlossen oder an die Konkurrenz abgegeben worden. Das nötige Geld für die mit dem Markenwechsel verbundenen Umbauten – geschätzt 700.000 bis 900.000 Euro pro Markt – sollten Verkäufe von Auslandsgesellschaften einspielen. Damit wäre der Konzern gleich ein weiteres Problem losgeworden. Da Praktiker in Krisenländern wie Griechenland, Bulgarien und Rumänien präsent ist, brach in den vergangenen Monaten auch hier das Geschäft weg.

Es kam ohnehin anders. Werner setzte auf das Praktiker-2013-Konzept und hielt an allen Beteiligungen fest. Macht sein Nachfolger nun weiter mit dem zäh anlaufenden Projekt, oder greift Fox zur Flex?

Die Strategie werde fortgesetzt, sagt ein Unternehmenssprecher. Um die Änderungen aber wirklich umzusetzen, brauche Praktiker auf Dauer mehr Geld als aus dem Cash-Flow zur Verfügung steht, rechnet Experte Roeb vor. Noch hat der Konzern seine Finanzen zwar im Griff, doch sollten sich die Zahlen nicht bald bessern, dürfte es für Praktiker auch schwer werden, neues Geld aufzutreiben. Roeb hält daher die Zerschlagung von Praktiker oder die Übernahme durch ein Beteiligungsunternehmen für realistisch.

Mit Verkäufen aller Art kennen sich die neuen Chefs Fox und Schultheis indes bestens aus. Nicht nur Karstadt ging unter ihrer Mitwirkung an den Investor Nicolas Berggruen. Bis vor ein paar Jahren betrieb Fox nebenher auch die kleine Ladenkette FoxShop. Das Geschäftsmodell: Wer Ware loswerden wollte, konnte Regalfläche in den Geschäften mieten. Auf der Homepage des Unternehmens prangte ein Fuchs, garniert mit dem Slogan: „Aus allen Sachen Bares machen.“ Ein Motto, wie geschaffen für Praktiker.

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