Baustoffe Wie der Gipsgigant Knauf gegen Krise und Klagen kämpft

Jahrzehntelang ging es für das Gipsimperium Knauf nur aufwärts. Jetzt setzen die Krise und Schadensersatzklagen in Millionenhöhe aus den USA den Konzern unter Druck. Ein Blick hinter die Kulissen des erfolgreichen und verschwiegenen Familienunternehmens.

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Knauf Gips Quelle: Klaus Weddig für WirtschaftsWoche

Die kleine Stadt wirkt wie hingemalt. Im Hintergrund die Rebenhänge mit Wald gekrönt, davor eine mittelalterliche Stadtmauer, Fachwerkhäuser und farbenfrohe Steingebäude mit Spitzdächern säumen die gepflasterten Gassen und Plätze. Kirchen, Barockbauten und die vielen Türme und Tore der Stadtbefestigung künden von großen Zeiten der fränkischen Kleinstadt Iphofen. Alles scheint frisch renoviert zu sein. Wer Graffiti finden will, muss lange suchen. Iphofen präsentiert sich wie eine Idylle aus einem Spitzweg-Motiv.

Eine Kopfdrehung nur, und das Bild ändert sich. Ein Komplex, kirchturmhoch und mehrere Hundert Meter lang schiebt sich ins Blickfeld: Schornsteine, Silos, lang gezogene Produktionshallen, daneben Gleisanlagen und Bürogebäude. Auf einem Hochbunker prangt in meterhohen Buchstaben leuchtend blau die Firmierung: KNAUF.

Ein weiteres Werk liegt am anderen Ende der Stadt. Etwa 2000 Mitarbeiter arbeiten in Iphofen „beim Knauf“, wie die Leute im Ort sagen. Aus dem 4500-Einwohner-Städtchen heraus agiert der zweitgrößte Gipskonzern der Erde. Rund 24.000 Mitarbeiter in mehr als 50 Ländern generieren einen Jahresumsatz von knapp fünf Milliarden Euro. Ein Imperium, das sich als Idylle gibt.

Fast jeder hat schon mal die meterhohen Gipssilos mit dem blauen Knauf-Schriftzug wahrgenommen, die an vielen Baustellen stehen. Und früher oder später hantiert jeder Hand- oder Heimwerker mit Gips der Marke Rotband, Universalplatten für den Innenausbau oder Dämmstoffen aus dem Iphöfer Gipsimperium.

Bescheidenheit und Markenstärke

Dabei agiert das Unternehmen im Stillen. Bei kaum einem Konzern klaffen der bescheidene öffentliche Auftritt, Markenstärke und wirtschaftliche Macht mehr auseinander als bei Knauf. So rangieren die Knaufs nach Schätzungen des „Manager Magazins“ mit 4,3 Milliarden Euro Vermögen in der Hitparade der reichsten Deutschen auf Platz 14.

Lange schien der Konzern vor Gesundheit nur so zu strotzen. Investitionen finanziert Knauf fast ausschließlich aus der eigenen Tasche. Von 2000 bis 2008 hat sich der Umsatz fast verdoppelt.

Doch seit dem vergangenen Jahr kämpft die Gipsgruppe gleich an drei Fronten. Der Umsatz stürzte 2009 krisenbedingt um 15 Prozent. Gleichzeitig bricht Knauf der wichtigste Auslandsmarkt Osteuropa weg. Beides scheint angesichts der Finanzkraft von Knauf verkraftbar. Eine weitaus schlimmere Bedrohung ist eine Sammelklage aus den USA wegen übelriechender Trockenwände. Die könnte für Knauf im schlimmsten Fall teuer werden, sehr teuer.

Aus der Provinz in die Welt

Die aktuelle Krise ist nicht die erste Flaute, die Knauf erlebt: „Nach der Ölkrise 1974, Mitte der Achtzigerjahre und nach 1995 war die Baubranche schlimmer angeschlagen als heute“, sagt Gesellschafter Baldwin Knauf im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.

Schon die Anfänge der Knauf-Dynastie waren nicht leicht. Gegründet wurde der Gipsgigant 1932 im luxemburgischen Schengen, wo die Familie Abbaurechte an einer Gipsgrube erwarb. Im Nachbarort Perl entstand die erste Fabrik. Nach Iphofen kamen die Knaufs wegen der Gipsgruben, die sich noch heute rund um den Ort gruppieren. Bereits wenige Jahre nach der Gründung wurden die Stammwerke an der Westgrenze Kriegsgebiet.

Nach dem Krieg besaß die Familie zwar formalrechtlich acht Gipsgruben und -fabriken. Vom Reichtum war im Alltag aber wenig zu spüren, große Teile des Gipsreiches standen unter alliierter Verwaltung. Noch heute erzählen alte Weinbauern aus der Umgebung, wie die Knaufs mit klapprigen Fahrrädern, deren Reifen mit Häcksel gefüllt waren, zu ihrer Baracke am Iphöfer Bahnhof fuhren.

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