Berater Christian Veith "Musterbeispiel für die ganze Welt"

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Zum Beispiel auf das Ende der Kernkraft? Veith: Auch nach Fukushima setzt die große Mehrheit der Industriestaaten weiter auf Kernkraft – zumindest als Brückentechnologie. Nur in Deutschland wollen plötzlich alle den schnellen Ausstieg. Deutschland trifft hier vor allem eine politische Entscheidung. Ich sehe aber auch, dass Fukushima nicht nur Politikern, sondern auch vielen bisherigen Befürwortern der Kernenergie deren Risiken deutlich vor Augen geführt und damit ein Umdenken bewirkt hat. Eine Technologie, die keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung hat, ist in einer Demokratie nicht durchsetzbar.  Die Atomkraft-Befürworter befürchten Nachteile für die deutsche Wirtschaft. Veith: Diese Gefahr sehe ich auch – die Bezahlbarkeit von Energie ist für ein Industrieland ein wichtiger, für manche Industrien entscheidender Standortfaktor. Hinzu kommt die Frage der Versorgungssicherheit. Die Netze in Deutschland haben die Grenzen der Belastbarkeit erreicht. Für einen Umstieg auf regenerative Energien müssen sie ausgebaut werden. 

Ist das Moratorium der richtige Weg, um die offenen Fragen zu klären? Veith: Die Bundesregierung hat meiner Ansicht nach zu Recht sich und uns allen eine Zeit zum Nachdenken verordnet. Diese Zeit sollte nun aber auch genutzt und eine Entscheidung nicht überstürzt getroffen und vor allem umgesetzt werden. Die Wirtschaft kann sich an die meisten Veränderungen anpassen – nur nicht von heute auf morgen. Bei aller nachvollziehbaren Sorge vor einer überstürzten Energiewende sollten wir allerdings auch die Chancen sehen: Ein Ausstieg aus der Atomenergie könnte Innovationsschübe auslösen, die gerade auch deutschen Unternehmen zugute kommen dürften. Und es ist durchaus möglich, dass ein hierzulande verordneter Umstieg auf alternative Energien zum Musterbeispiel für die ganze Welt wird – wenn er denn gelingt. 

Sprechen wir über einen anderen Schock: Ist die Euro-Krise noch zu lösen? Veith: Zunächst eines vorweg: Das Thema Staatsverschuldung wird inzwischen weltweit anders wahrgenommen als noch vor wenigen Jahren. In fast allen Industriestaaten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Konsolidierung der Staatsfinanzen unumgänglich ist. In Deutschland haben wir eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse für die öffentlichen Haushalte, die ohne die Finanzkrise nicht vorstellbar gewesen wäre. Andererseits ist Konsolidierung nur eine Seite der Medaille. Länder wie Griechenland, die international nicht wettbewerbsfähig sind, haben selbst bei größter Sparsamkeit kaum eine Chance, von ihren Schulden herunterzukommen. Die Schuldenländer stehen vor einer Dreifach-Herausforderung: Sie müssen ihre Schulden refinanzieren, sie tilgen, und sie müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, damit sie ihre Finanzprobleme in den Griff bekommen. Ich bin überzeugt, dass dies am Ende in den meisten Ländern gelingen wird. In einigen kleineren Ländern erwarte ich allerdings eine moderate Restrukturierung der Staatsschulden.

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