Billigflieger Erbitterter Dreikampf der Billigflieger

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Ergebnisse der WirtschaftsWoche-Exklusivstudie über Billigflieger. Zum Vergrößern klicken. Quelle: WirtschaftsWoche-Grafik

Vom reinen Billigflieger über eine Urlaubslinie bis zum Langstreckengeschäft — alle drei haben so unterschiedliche Geschäftsmodelle wie Arbeitsabläufe und Firmenkulturen. Ryanair betreibt eine Einheitsflotte. Easyjet fliegt zwei, Air Berlin hingegen sieben Flugzeugtypen. Das treibt die Kosten, denn die Air-Berlin-Flieger sind meist wesentlich älter und durstiger. Jeder Typ erfordert auch eine eigene Organisation mit eigener Wartung – ein für Fluglinien teures Betriebsmodell.

Hinzu kommt, dass Air Berlin an einer im Konkurrenzvergleich geringeren Auslastung der Flugzeuge leidet; sie befördert rund fünf Prozent weniger zahlende Passagiere als Ryanair und Easyjet. Weil jeder Euro, den diese fehlenden Kunden für Tickets oder Extras an Bord ausgeben würden, größtenteils in den Gewinn ginge, verdient Air Berlin — auf die angebotene Kapazität gerechnet — nur ein Zehntel von Easyjet und Ryanair. Auch wenn Air Berlin, wie versprochen, seine Erträge steigert und die Margen der Billigflieger in absehbarer Zeit ein wenig näher zusammenrücken – die Spitzenposition von Ryanair und auch der zweite Rang von Easyjet ist für die Deutschen fast uneinnehmbar.

Die größten Fortschritte dürfte es noch bei Easyjet geben. Dort reorganisiert Andy Harrison, der vor gut zwei Jahren den Chefposten übernahm, das Unternehmen von Grund auf. Analyst Avery erwartet, dass es Harrison gelingen wird, die Umsatzrendite „bald von 8 auf rund 14 Prozent zu steigern“. Ryanair werde angesichts steigender Kosten statt auf 20 künftig nur noch auf gut 15 Prozent Umsatzrendite kommen.

Für einen Großteil der Erträge sollen dabei Geschäftsreisende sorgen, die extrem kurzfristig buchen und in der Regel für fast jeden Preis fliegen müssen. Die Obergrenze setzen etablierte Linien wie Lufthansa. Sie befördern kurzentschlossene Passagiere meist zu Höchstpreisen („Full Fare“), die innerhalb Deutschlands in der Economy Class bei gut 400 Euro und in Europa bei über 1300 Euro liegen. Bisher ist bei den Billigfliegern bestenfalls jeder Fünfte dienstlich unterwegs, während Anzugträger bei Lufthansa & Co. fast die Hälfte ausmachen.

Produktqualität: Damit mehr lukrative Kunden billig buchen, wollen alle drei Linien ihr Produkt verbessern. Die besten Voraussetzungen bringt Air Berlin mit. Die Booz-Allen-Studie gibt ihr die besten Noten beim Service. Als Einzige verlangen die Deutschen an Bord kein Geld für Essen und Trinken; Tageszeitungen sind ebenfalls gratis. Nur Air Berlin offeriert ein Vielfliegerprogramm und die Möglichkeit, am Flughafen auch am Automaten einzuchecken. Meist starten sie von großen gut erreichbaren Flughäfen wie Düsseldorf, München oder Berlin-Tegel, während Easyjet neben Großairports wie Hamburg, Amsterdam und Paris-Charles de Gaulle auch fliegerische Zweitligisten wie Dortmund ansteuert. Ryanair hingegen fliegt nur auf den Britischen Inseln zu größeren Landeplätzen wie Dublin oder Liverpool, auf dem Kontinent landen die Iren dagegen fast ausschließlich auf Provinzpisten wie Hahn, Weeze oder Girona im Hinterland von Barcelona.

Dennoch bleibt, gemäß der Studie, der Produkt-Vorsprung von Air Berlin am Ende relativ gering. Denn für Geschäftsreisende zählen nicht nur kurze Wege, Preis und kostenlose Mahlzeiten, sondern auch ein dichter Flugplan. Hier hat Ryanair Vorteile, weil die Linie mehr als doppelt so viele Ziele und Regionen verbindet wie Air Berlin und an ihren Hauptflughäfen wie London-Stansted ein dichtes Netz sowie viel Platz zum Expandieren hat.

Wachstumspotenzial: Aus Sicht der Booz-Allen-Studie hat Ryanair die besten Zukunftschancen. Zwar haben alle drei Linien genug Flugzeuge bestellt, um im Europaverkehr zu wachsen. Aber es wird immer schwerer, die Maschinen auch gewinnbringend einzusetzen.  

Am leichtesten tut sich Ryanair. Die Linie ist in ihrem Geschäft schwer angreifbar, vor allem im Verkehr nach Irland, London und in die europäische Provinz. „Kein Unternehmen weltweit beherrscht das Billigmodell in der spartanischsten Variante besser und hat mehr Erfahrung, die Kosten immer weiter zu drücken“, sagt Analyst Avery.

Weil Ryanair nicht nur die niedrigsten Kosten, sondern europaweit auch die stärkste Marke hat, operiert die Linie auch relativ gut auf den Wachstumsmärkten in Osteuropa oder Nordafrika.

Easyjet und Air Berlin hingegen bekommen in ihren Kernmärkten eher Probleme. Mit dem Ansatz, den Kunden etwas mehr Service zu bieten, setzen sie sich zwar von Ryanair ab. Doch je mehr Großflughäfen sie ansteuern, umso mehr werden sich die Netzwerklinien wehren.

Dass Easyjet am Ende dabei besser abschneiden dürfte als Air Berlin, erklärt die Booz-Allen-Studie damit, dass die Briten dank ihrer soliden Finanzen dem Wettbewerb wesentlich besser gewachsen sind. Gleichzeitig ist die Linie mit den schreiend orangeroten Fliegern in den europäischen Wachstumsmärkten deutlich bekannter als Air Berlin, die außerhalb Deutschlands und Spaniens eher zu den Exoten zählt.

Den Nachteil kann Air Berlin jedoch wettmachen, wenn sie ihr Langstreckengeschäft erfolgreich ausbaut. Hier könnte Air Berlin ihren Platz mit einer Struktur finden, die im Vergleich zu den bisherigen Marktführern im Interkontinentalgeschäft schlanker ist. Voraussetzung ist freilich die Vereinigung der inklusive Condor dann insgesamt fünf Air-Berlin-Plattformen. „Die Integration und der Aufbau einer europaweiten Marke wird ein harter Job“, sagt Analyst Avery.

Derzeit sind die Anzeichen nicht gut. Bei der LTU etwa ist von einer Integration derzeit wenig zu spüren, besonders nicht, wenn sich die Piloten am Düsseldorfer Flughafen in den intern „Schlachthaus“ genannten Räumen auf ihre Flüge vorbereiten. „Wir haben allmählich das Gefühl, dass uns Herr Hunold durch billigere Neulinge ersetzen will“, sagt einer der Piloten.

Das Problem sollte Hunold rasch klären. In Asien gibt es eine Reihe neuer Konkurrenten wie Air Asia X, Oasis oder Jetstar, die auch auf der Langstrecke Billigflüge anbieten. Ob es in Europa den Low-Cost-Airlines gelingt, den etablierten Linien diese wichtigste Einnahmequelle streitig zu machen, ist laut Berater Ringbeck zwar noch völlig offen: „Doch mit diesem Schritt beginnen die Low-Cost-Airlines ein völlig neues Spiel.“

Und auch das fände wohl zuerst in London-Stansted statt.

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