Blumenhandel Vormacht von Holland im Rosen-Geschäft gerät ins Wanken

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Afrikanische Produzenten, für die bisher Europa den Hauptabsatzmarkt stellt, schielen gleichzeitig über Dubai als Umschlagflughafen in Richtung Fernost. Und alle blicken sie schaudernd nach China: Im Südwesten, in der Provinz Yunnan, werden heute schon auf 10.000 Hektar ehemaliger Tabakplantagen Blumen produziert. Das ist eine Anbaufläche, dreimal so groß wie die Ecuadors. Li Gang, Vize-Präsident der Yunnan Flower Association, ist zuversichtlich, dass in vier Jahren bereits eine Million Menschen auf den Plantagen beschäftigt sind. „2010 wollen wir die größten Produzenten, Exporteure und Händler von Schnittblumen in Asien sein“, so Li. Mit allen damit verbundenen Problemen: Chinas Markenfälscher machen selbst vor der Königin der Blumen nicht halt und kopieren sie wie jedes ordinäre Industrieprodukt. „Bei den nicht geschützten Rosen kommen wir in China auf einen Marktanteil von 80 Prozent“, sagt Tantau-Geschäftsführer Evers. Doch auch in anderen Ländern hapert es mit dem Sortenschutz. Als Evers in Südkorea einstieg, wimmelte es auf den dortigen Märkten schon von Rosenarten, für die eigentlich eine Lizenz von Tantau fällig gewesen wäre. Und in Mexiko organisierte die bewaffnete Polizei kürzlich zusammen mit einem französischen Züchter eine Razzia auf Rosenfarmen, um Raubkopien aufzuspüren. In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass auch in diesem Jahr vor Valentin wieder Tausende Rosen vernichtet werden, eingestampft im Kampf gegen die Produktpiraten. Im vergangenen Jahr machte der holländische Zoll nach Informationen des deutschen Verbands-Chefs Moeller am Flughafen Schiphol rund 120 Kartons platt – in jedem steckten 300 Rosen. Bei einem Einzelverkaufspreis, der rund um Valentin bei bis zu fünf Euro pro Stängel liegen kann, ein Wert von fast 200.000 Euro. Ein größeres Problem als die falschen Blüten stellt für den angegriffenen Champion Holland jedoch das Internet dar: Kunden können direkt bei den Produzenten bestellen. Die Holländer versuchen gegenzusteuern, indem sie selbst in einer Gemeinschaftsaktion von Auktionshäusern und Exporteuren ein eigenes Internetportal („Kofen of Abstand“) etablieren wollen. Noch haben die Niederländer einen Vorteil: Während im Land der Grachten die Blumenindustrie staatlich gefördert wird und einen Stellenwert genießt wie die Autoindustrie in Deutschland, sind die Produzenten außerhalb Europas zersplittert.In Lateinamerika produzieren drei Viertel aller Betriebe auf Flächen unter zehn Hektar. Fusionen scheinen unausweichlich. Doch Größe allein ist kein Erfolgsgarant. Denn auch Großkonzerne fahren in der Umbruchphase nicht besser als die Kleinen. Dole Fresh Flowers etwa: Die Tochter des weltgrößten Frischobst- und Gemüsemultis aus Miami, der sechs Milliarden Dollar Umsatz schreibt, ist gleichzeitig einer der größten Schnittblumenhändler der Welt. Ein Fünftel aller US-Blumenimporte kontrolliert der Multi. Vor zehn Jahren investierte der Konzern groß in den Anden. Jede fünfte Plantage kaufte Dole in Kolumbien und stieg auch in Ecuador ein. Konkurrent Chiquita hielt zunächst mit und wollte 5000 Hektar Blumenplantagen kaufen – gab jedoch nach 800 Hektar auf.

Auch Dole wurde nicht glücklich mit der Roseninvestition: Im vergangenen Oktober verkündete Dole Fresh Flowers, die Produktion stark zu verringern und 3500 Mitarbeiter zu entlassen. „Wir müssen das Geschäft ganz neu aufbauen“, erklärte John Amaya, Präsident der Blumensparte von Dole, „wir wollen uns auf das Hochpreissegment konzentrieren mit einer möglichst hohen Sortenvielfalt.“ Ob Dole das jemals gelingt, daran zweifeln Experten jedoch. In seinem Vorstandsbüro im ersten Stock des Versteigerungskomplexes in Aalsmeer sitzt Mynheer Jan Straver. Der Chief Commercial Officer hockt da wie eine Art Bienenkönig, unter seiner breiten Fensterfront rauschen ständig Lastwagen rein und raus, schaffen die mehr als 22 Millionen Pflanzen, die jeden Werktag hier gehandelt werden, an ihren Bestimmungsort. Straver weiß ziemlich genau, dass seine Blumenwelt umgegraben wird. Er weiß, dass die Stellung der Niederlande unter Beschuss ist. Und die Holländer reagieren: Im vergangenen Oktober kündigte Stravers Bloemenveiling Aalsmeer den Zusammenschluss mit dem Konkurrenten Flora Holland an. Verschmelzen die beiden zum 1. Januar 2008, entsteht ein Blumengigant mit rund vier Milliarden Euro Umsatz. Kein anderer Anbieter, argumentiert Straver, sei in Zukunft in der Lage, ein größeres Sortiment an Pflanzen anzubieten als der neue Riese. „Natürlich kommen immer mehr Pflanzen aus Afrika – aber das sind zu 75 Prozent Rosen“, sagt Straver, „Wenn aber ein Großhändler aus St. Petersburg Rosen, Tulpen, Chrysanthemen kaufen will, das ganze Sortiment, dann bekommt er das nur hier, und das jeden Tag im Jahr.“ Auch ein Megakonzern wie Dole sei niemals in der Lage, mit den Spezialisten zu konkurrieren, die das holländische Netzwerk aus Produzenten, Exporteuren, Auktionshäusern und Händlern bilden. Holländische Anbauer sind längst auch selbst in Ecuador und Kenia aktiv und spannen so die Fäden des gewachsenen holländischen Flora-Spinnennetzes weltweit immer noch weiter. Seit dem vergangenen Jahr dürfen auch Produzenten aus dem Ausland Mitglied der als Genossenschaft organisierten Versteigerung von Aalsmeer werden. Gleichzeitig treiben die Niederländer die Automatisierung beim Rosenanbau voran: In einigen der in der Dunkelheit gespenstisch leuchtenden holländischen Gewächshäuser schneiden schon Roboter die Rosen, während die Pflanzen auf künstlichen Nährlösungen wachsen. So wollen die Züchter die natürlichen Vorteile der Entwicklungsländer mit High Tech kontern. An einem anderen Schwachpunkt arbeiten sie ebenfalls: die Konkurrenz durch neue Distributionsorte, die neuen Flower-hubs, etwa in Dubai. Noch ist das dortige Flower Center recht klein. Aber Straver weiß: „Die Scheichs haben viele Pläne – und viele Dollar.“ Nicht ausschließen mag der Herr der Blüten daher, dass die Auktion selbst eines Tages einen Ableger im Nahen Osten eröffnet – „wir haben unsere Kontakte“ –, wenn es denn zum Wohle der holländischen Blumenindustrie sein sollte. „Die Scheichs waren auch schon in Aalsmeer, wir diskutieren alle Möglichkeiten.“ Einer weiteren Konzentration des Marktes mit „Black Magic“ „Freedom“ und Co. stünde dann wohl nichts mehr im Wege. Herman Kortekaas, dem freundlichen Kutscher der Elektrokarren, kann das egal sein. Rosen mag er nicht so. Er mag viel lieber die bescheidenere Lisianthus.

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