Boehringer Ingelheim Arbeitstier vor dem Herrn

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Eine Mitarbeiterin steht an Quelle: dpa

Der erfolgreiche Pillen-Entwickler schöpft seine Kraft aus der Religion. "Der Glaube ist für mich ein Ort der Ruhe und der Stille", sagt Barner. Er gehe in den Gottesdienst, setze sich aber auch gern in eine leere Kirche, um Kraft zu tanken. Dabei ist der betende Boehringer-Chef keiner, der an biblischen Versen klebt. Wenn er, wie in Dresden, den grünen Mottoschal des Kirchentages um den Hals gelegt, aus dem fünften Buch Mose über die Gebote Gottes liest, mag er nicht unbedingt glauben, dass dem Untergang geweiht sei, wer die Gebote nicht einhalte (5. Buch Mose, Kapitel 30, Vers 17 f.). "Ich habe damit meine Schwierigkeiten", sagt er zu den Gläubigen. Glauben aus Furcht oder Zwang ist ihm fremd.

Den Keim dazu legten seine Eltern, die dem Jungen die Grundlagen des Glaubens beibrachten und ihn lehrten, die Feiertage zu heiligen. Von ihnen hat Barner, der mit sechs Geschwistern in Freiburg aufwuchs, sein humanistisch-christliches Weltbild. Der Junge interessierte sich für die Wissenschaften, promovierte sowohl in Medizin als auch in Mathematik, wollte in die medizinische Grundlagenforschung. Immer schwingt bei Barner auch der Gedanke an Nächstenliebe mit: "Als Arzt können Sie einzelnen Menschen helfen", sagt er noch heute, "als Pharmaforscher können Sie für viele Menschen gleichzeitig etwas erreichen."

Weg von Quartalsberichten und Börsenkursen

Dass für Protestanten auch der geschäftliche Erfolg zum Sinn des Lebens gehört, hat vor gut 100 Jahren der deutsche Soziologe Max Weber in seiner Publikation "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" beschrieben. Und schon Reformator Martin Luther sah im Beruf des Menschen eine Berufung, letztlich eine von Gott gestellte Aufgabe.

Barner, geprägt durch Leistung und Verantwortung, begann bei Ciba Geigy, heute ein Teil des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, und fiel schnell als blitzgescheiter Wissenschaftler auf. Er arbeitete an der Entwicklung von Voltaren mit, einem Klassiker unter den Schmerzmitteln. 1992, mit Mitte 30, holte ihn der damalige Boehringer-Pharmachef Rolf Krebs nach Ingelheim.

"Ich hatte den Eindruck, dass die Werte des Unternehmens Boehringer Ingelheim sich gut mit meinen vereinbaren lassen", erinnert sich Barner. Denn bei einem Familienunternehmen wie Boehringer muss er sich nicht mit renditehungrigen Aktionären auseinandersetzen, die viel Druck auf die schnelle Markteinführung von Medikamenten machen und alle drei Monate öffentlich die Geschäftszahlen zerpflücken. "Wir müssen weg von dieser Fixierung auf Quartalsberichte", lautet denn auch einer der Glaubenssätze, die Barner gern verbreitet, etwa auf dem Ökumenischen Kirchentag 2010 in München. Börsenkurse hält er gar für den "schwächsten Indikator für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens".

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