Branchenkonsolidierung Chancen und Risiken von Bankenfusionen

Mit Postbank und Citibank stehen gleich zwei deutsche Banken zum Verkauf. Welche Fusionen Erfolg versprechen. Und welche riskant sind.

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Frankfurter Bankenviertel: Was Quelle: AP

Synergien, Cross-Selling-Quoten, Zielgruppenüberschneidungen, Mitarbeiterabbaupotenzial, Überlappungen von Filialstandorten, erreichbare Marktanteile, Übernahmeaufschläge — in den Strategieabteilungen der privaten Banken in Deutschland haben derlei Wortungetüme gerade Hochkonjunktur. Denn unter Hochdruck rechnen die Experten dort durch, was die Fusion mit einem Konkurrenten bringt und was sie kosten darf.

Es ist ein kompliziertes Puzzle. Nie zuvor haben so viele Akteure unter den deutschen Banken grundsätzlich die Bereitschaft gezeigt, sich zusammenzutun. Und nie war die Chance größer, dass es tatsächlich zu einer Fusion kommt. „Der Druck, etwas zu tun, ist groß“, sagt Klaus-Peter Gushurst, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Booz & Company. Doch wie beim Schach wartet jeder darauf, welchen Zug sein Gegenüber macht.

Über Jahre war es ruhig geworden um die Neuordnung des zersplitterten Bankenmarkts hierzulande. Schließlich hatte die Branche schlechte Erfahrungen mit Übernahmen gemacht. Großprojekte wie die Fusion von Deutscher und Dresdner Bank im Jahr 2000 oder der Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank 2004 waren gescheitert. Andere wie der Kauf der Dresdner Bank durch die Allianz brachten nicht den erhofften Nutzen.

Nun hat das Karussell wieder volle Fahrt aufgenommen. Die amerikanische Citigroup benötigt infolge der Finanzkrise frisches Kapital und wird deshalb wohl ihr Privatkundengeschäft in Deutschland verkaufen. Vermutlich packt sie noch einige europäische Einheiten dazu. Die Deutsche Post will sich von ihrem Anteil an der Postbank trennen, und die Bundesregierung drückt hier aufs Tempo. Noch hat der Finanzminister ein Vetorecht und kann jede Entscheidung der Post blockieren. Dieses Recht läuft allerdings zum Jahresende aus.

Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe von Kaufwilligen. Bedingt durch die hohen Verluste durch die Finanzkrise ist die Bedeutung des Privatkundengeschäfts bei den Instituten wieder gestiegen. So ist die Deutsche Bank an der Citi und auch an einem Zusammenschluss mit der auf das einfache Privatkundengeschäft spezialisierten Postbank grundsätzlich interessiert.

Commerzbank: Durch Zukäufe wachsen

Die Commerzbank will in Deutschland unbedingt durch Zukäufe wachsen. Um an die Postbank zu kommen, ist der neue Commerzbank-Chef Martin Blessing sogar bereit, einen Deal mit der Allianz einzugehen. Der Münchner Versicherungskonzern wiederum soll unter Umständen auch bereit sein, sich organisatorisch von seiner Banktochter zu trennen und diese in ein solches Zweckbündnis einzubringen.

Welche Lösung wirtschaftlich voraussichtlich am erfolgreichsten ist, hat die Unternehmensberatung Investors Marketing exklusiv für die WirtschaftsWoche analysiert. Das Ergebnis: Eine Dreier-Variante aus Deutscher Bank, Postbank und Citibank wäre langfristig das tragfähigste Konzept.

banken

Modell Commerzbank-Postbank: Ex-Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller hat es immer wieder beteuert: er wolle die Postbank haben — wenn sie eines Tages auf den Markt kommt. Nun, einige Wochen nach dem Wechsel des 63-Jährigen in den Aufsichtsrat der zweitgrößten deutschen Bank, ist es so weit. Die Post prüft den Verkauf.

Doch gerade der Zusammenschluss der Commerzbank mit der Postbank wäre in Sachen Größe und Marktmacht eher eine unbefriedigende Lösung. Vorteile ergäben sich, der Investors-Marketing-Studie zufolge, in erster Linie dadurch, dass in den Filialen als auch in der Zentrale Aufgaben zusammengelegt werden können. Die Bankexperten kalkulieren, dass stufenweise über zehn Jahre 10.000 Arbeitsplätze gestrichen würden, was zu einer Gesamtersparnis von rund 750 Millionen Euro führen würde.

Darüber hinaus könnte die Commerzbank das Angebot der Postbank ergänzen. Die Bonner Bank hatte sich bisher eher auf das einfache Massenkundengeschäft konzentriert. Die beratungsaffinen Kunden waren unterversorgt. Diese Lücke könnte die Commerzbank mit ihrem breiten Produktangebot schließen.

Im Segment der Premiumkunden, deren Zahl die Unternehmensberatung bereinigt auf 3,7 Millionen in Deutschland schätzt, würde die Commerzbank durch den Kauf der Postbank rund zwei Milliarden Euro Ertrag hinzugewinnen — berechnet für einen Zeitraum von zehn Jahren. Im Massenkundensegment, in dem rund acht Millionen Kunden anzusiedeln wären, kämen noch einmal 5,4 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren hinzu.

Dennoch: Ein nationaler Champion würde nicht entstehen. Gemeinsam kämen beide Banken bei wichtigen Produkten wie dem Girokonto, Termineinlagen, Baufinanzierungen oder Ratenkrediten auf Marktanteile von circa zehn Prozent.

Modell Commerzbank-Postbank-Dresdner: Der Allianz Versicherungskonzern hatte 2001 für 24 Milliarden Euro die Dresdner Bank gekauft. Die Versicherungsmanager hatten gehofft, ihre Policen in Massen über die Bank verkaufen zu können. Doch die Quoten blieben weit unter den Erwartungen. Die Unzufriedenheit mit der Tochter wurde noch dadurch weiter angefacht, dass sie sich, wie andere Banken auch, im Geschäft mit Kreditpapieren verzockt und jede Menge Geld verloren hat.

Allianz-Chef Michael Diekmann sucht nun nach einem Partner für das kriselnde Bankhaus. Die Commerzbanker sind willig, sich mit ihm zu verbünden. Denn für sie allein dürfte es schwierig werden, die rund zehn Milliarden Euro zusammenzubringen, die für die Postbank fällig werden. Pragmatisch ist das allemal. Vorteile wären in erster Linie weitere Kostensynergien. Das Filialnetz ließe sich weiter komprimieren — entsprechend viele Mitarbeiter würden überflüssig.

Wachstumsfantasien birgt das Dreierbündnis von Dresdner, Commerzbank und Postbank allerdings kaum. Die Marktanteile würden nur geringfügig zunehmen, denn Commerzbank und Dresdner Bank haben schon heute viele gemeinsame Kunden. Investors Marketing geht von Überschneidungen in einem Umfang von 30 Prozent aus. Darüber hinaus sind die Dresdner-Bank-Kunden bereits zu einem Großteil mit Bankprodukten versorgt; viel lässt sich bei ihnen nicht mehr rausholen.

Wachstumschancen ergeben sich in erster Linie auf der Versicherungsseite. Der Verkauf von Versicherungen könnte für die Allianz über die Postbank besser funktionieren als über die Dresdner. Grund dafür seien die unterschiedlichen Vertriebsarten der beiden Banken. „Sollte der Vertrieb von Versicherungen in einer neuen Konstellation wirklich zu einem wichtigen Ziel erklärt werden, so bietet ein Vertriebssystem wie das der Postbank mehr Chancen als das einer klassischen Geschäftsbank“, sagt Oliver Mihm, Chef von Investors Marketing.

Die Postbank wird zum Quelle: AP

Grund dafür seien die unterschiedlichen Vertriebsarten der beiden Banken. „Bei einer klassischen Geschäftsbank werden circa 90 Prozent der Vertragsabschlüsse von den Bankberatern in den Filialen erzielt.“ Wie erfolgreich der Verkauf sei, hänge dabei insbesondere davon ab, dass die Berater das Produkt auch verkaufen wollten. Diese Hürde müsse erst mal überwunden werden. Bei der Postbank dagegen habe der Direktvertrieb einen hohen Anteil. Die Bank sei „nicht so stark abhängig vom stationären Vertrieb und der Verkauf von Versicherungen damit besser beeinflussbar“.

Allerdings müsste die Allianz rund 500 Millionen bis eine Milliarde Euro ausgeben, um die Postbank aus Vertriebskooperationen wie der mit dem Versicherungskonzern Talanx herauszukaufen, heißt es in der Analyse von Investors Marketing.

Ein weiteres Problem, das jeden Käufer der Postbank plagen wird, ist die hohe Zahl an inaktiven Kunden, die oft nur ein Postbank-Sparbuch besitzen – aber nie eine Filiale betreten. „Diese Kunden lassen sich aufgrund des als gering empfundenen Bedarfs an Finanzprodukten kaum aktivieren“, sagt Mihm.

Auf der anderen Seite entstehen durch eine Fusion hohe Kosten. Allein die Zusammenführung der Strukturen etwa der Computersysteme und der Verwaltung kostet Schätzungen von Investors Marketing zufolge circa 500 Millionen Euro.

Allein die Integration der unterschiedlichen IT-Systeme ist eine Herkulesarbeit. Fast immer dauert sie mehrere Jahre und bindet Ressourcen. Denn schon die Lösung scheinbar simpler Probleme wie die Umstellung der internen Telefone oder der Kontonummern sind sehr aufwendig. Noch schwieriger wird es bei Systemen, die etwa die Kreditvergabe steuern. Hier finden sich kaum zwei Banken auf dem gleichen technischen Niveau. Und Fehler bei einer Zusammenführung der Systeme können sie sich in dem sensiblen Bereich nicht leisten.

Bereits jetzt formiert sich zudem Widerstand auf Arbeitnehmerseite. So rechnete die Gewerkschaft Verdi vor, dass ein Zusammenschluss bis zu 20.000 Arbeitsplätze kosten könnte. Und in die anstehenden Tarifverhandlungen will Verdi mit der Forderung nach einer weitgehenden Jobgarantie gehen – die allerdings einer Fusion die wirtschaftliche Grundlage entziehen würde: Die Banken müssten den immensen Integrationsaufwand leisten, könnten aber wichtige Synergien nicht heben.

Modell Deutsche-Postbank-Citibank: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wird sich angesichts der anstehenden Fusionskosten genau überlegen, ob er sich ein so großes Institut wie die Postbank aufbürdet. Ackermann hatte im Februar Interesse bekundet, euphorisch klang er allerdings schon damals nicht. „Wir kennen den Wert der Postbank sehr genau“, sagte er. Seitdem ist es still geworden. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass die Deutsche im Massenkundengeschäft der Postbank wohl keinen Zusatznutzen sieht. Im Umfeld der Postbank heißt es dagegen, dass die Bank bewusst schlechtgeredet werde, um den Preis niedrig zu halten.

Bisher hatte Ackermann alle Chancen, sich am Heimatmarkt eklatant zu verstärken, ausgelassen. Erst sagte er eine längst beschlossene Fusion mit der Dresdner Bank ab, dann schlug er das Angebot aus, die Postbank zu kaufen. Nun böte sich ihm allerdings die Möglichkeit zum ganz großen Wurf, denn die Aussichten, dass er den Zuschlag für die Citibank bekommt, sind gut (WirtschaftsWoche 22/2008).

Citi und Postbank würden Ackermann 8,8 Millionen Massenkunden und weitere 3,9 Millionen Premiumkunden bringen. Alle drei Banken zusammen kommen bei den wichtigsten Privatkunden-Produkten auf Marktanteile zwischen 14 und 18 Prozent. Und: „Das vertriebsstarke Personal der Deutschen“, sagt Mihm, „könnte dann den Verkauf von beratungsintensiven Produkten bei den Postbank-Kunden unterstützen.“ Ganz ähnlich wie im Fall einer Fusion von Commerzbank und Postbank.

Hinzu kommen Einsparmöglichkeiten beim Personal sowie Synergien beim globalen Zahlungsverkehr. Insgesamt, schätzt Mihm, brächte diese Fusion der Deutschen kumuliert für zehn Jahre einen Zusatzertrag von knapp elf Milliarden Euro ein.

Doch auch dieses Dreierbündnis müsste erst einmal gewaltige Integrationskosten stemmen. Investors Marketing rechnet damit, dass die Premiumkunden der Postbank in die Deutsche Bank übergeleitet würden und die Norisbank aufgrund der ähnlichen Kundenklientel in der Postbank aufgeht. Solch ein gewaltiger Umbau würde rund eine Milliarde Euro kosten. Bei einem Zusammenschluss von Deutscher und Postbank „sollten beide Marken bestehen bleiben“, meint Mihm. „Die Marken sind zu polarisierend. Wer bei der Deutschen Bank Kunde ist, will nicht auf einmal Postbank-Kunde sein und umgekehrt.“

Mit Citi und die Postbank würde die Deutsche Bank ihre Position am Heimatmarkt kräftig ausbauen. Und wenn die Citigroup zusätzlich zu ihrer deutschen Tochter weitere europäische Einheiten etwa in Italien und Spanien verkauft, entstünde eine Bank, nicht nur von nationaler, sondern auch von europäischer Bedeutung im Privatkundengeschäft – eine Perspektive, die Commerzbank und Dresdner zusammen mit der Postbank nicht haben.

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