Branchenriesen Das wacklige Geschäftsmodell der Wirtschaftsprüfer

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Wird Realität, was Politiker, Anlegerschützer sowie die kleineren und mittelgroßen Wettbewerber immer lauter fordern, müssen sich die Branche und ihre führenden Gesellschaften auf gravierende Veränderungen gefasst machen.

Vor allem mehr Verantwortung verlangen die Aktionärsvertreter von den Wirtschaftsprüfern. Sie wollen, dass die Herren über die Zahlen künftig nicht nur attestieren, dass ein Unternehmen die geltenden Rechnungslegungsstandards eingehalten hat. Die Checker sollen künftig auch ein Urteil über die finanzielle Solidität und die Risiken des Unternehmens abgeben und dieses Fazit öffentlich begründen. Auslöser für die Forderung sind die Wirtschaftsprüfer selbst, die immer wieder betonen, die gegenwärtigen Bilanzierungs- und Prüfregeln ließen keine Aussage über die finanzielle Zuverlässigkeit oder den tatsächlichen Zustand eines Unternehmens zu.

Gräuel für beide Seiten

Die Folgen dieses Mangels sind fatal. „Zurzeit gehen die Abschlussprüfer nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip vor“, sagt ein Mitarbeiter der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, im Volksmund auch Bilanzpolizei genannt. Zwar könnten Prüfer einem Unternehmen das Testat verweigern oder dieses zumindest einschränken. Doch gebe es im Alltag kaum solche eingeschränkte Testate. „Das Problem sind die extrem negativen Konsequenzen in der Öffentlichkeit, die sich daraus für das Unternehmen wie auch für seine Aktionäre, Mitarbeiter und Geschäftspartner ergeben“, so der Bilanzpolizist. „Das ist für Prüfer wie Mandanten gleichermaßen ein Gräuel.“ Mehr Verantwortung, glauben Anlegerschützer, könnte das ändern.

Doch wie weit dieser Glaube trägt, ist offen. „Eine risikoorientierte Prüfung ist sicher möglich. Wenn wir Wirtschaftsprüfer aber gezwungen werden, öffentlich und einseitig vor den Risiken der Geschäftsmodelle unserer Mandanten zu warnen, birgt das automatisch die Gefahr sich selbst erfüllender Prophezeiungen in sich“, sagt Deloitte-Deutschland-Chef Martin Plendl. Sehr viel sinnvoller sei es, den Aufsichtsrat vertraulich über die Risiken zu informieren: „Und das tun wir in Deutschland bereits seit vielen Jahren in den Prüfungsberichten.“

Wer verhindern will, dass manche Wirtschaftsprüfer wie vor der Finanzkrise irgendwann wieder einmal existenzbedrohende Geschäfte unbeanstandet durchwinken, landet automatisch bei der Änderung der internationalen Bilanzierungsregeln. Denn diese enthielten „insbesondere beim Einsatz von Bewertungsmodellen erhebliche Ermessensspielräume“, sagt Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), dem rund 12 000 Prüfer hierzulande angehören. „Je stärker Bilanzansätze geschätzt werden müssen und sich von Marktdaten entfernen, desto stärker nimmt die Verlässlichkeit von Finanzinformation ab.“

Ein möglicher Ausweg wären nach Meinung von Experten Bilanzierungsstandards, die sich wieder stärker am Vor-sichts-prinzip orientieren und Anschaffungskosten von Vermögenswerten ansetzen anstelle dubioser, teilweise willkürlich festsetzbarer Marktwerte. „Der Aspekt der Verlässlichkeit muss unbedingt wieder stärker in den Fokus der internationalen Standardsetzer rücken“, sagt IDW-Chef Naumann. „Manager dürfen nicht mehr bilanztechnisch dafür belohnt werden, wenn sie schwer zu bemessende Risiken eingehen.“

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