Branchenriesen Das wacklige Geschäftsmodell der Wirtschaftsprüfer

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Besonders tief in das bisherige Geschäftsmodell der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften schnitte eine mögliche strikte Trennung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung von Unternehmen und der Beratung. Der als knallharter Regulierer bekannte EU-Binnenmarktkommissar Barnier droht, der Branche strikt zu verbieten, Prüfmandanten gleichzeitig etwa in Steuer-, Finanz- oder Strategiefragen zu beraten. Prüfer, so sein Credo, sollten kein geschäftliches Interesse an dem Unternehmen haben, dessen Bilanz, Finanzgebaren und Risiken sie analysieren.

Den Big Four in Deutschland brächte eine solche Trennung klare wirtschaftliche Nachteile. Immerhin wuchs der Anteil der Beratung am Gesamthonorar der Branche in den Jahren 2008 und 2009 auf fast 30 Prozent, errechnete das Centrum für Bilanzierung und Prüfung (CBP) an der Universität des Saarlandes. PwC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte fürchten, dass der Franzose Barnier die Trennung von Prüfung und Beratung favorisiert, weil dies in seinem Heimatland so ist. In Deutschland dürfen Abschlussprüfer ihren Mandanten durchaus prüfungsnahe Dienstleistungen wie die Optimierung des Risikomanagements anbieten. In Frankreich dagegen ist dies absolut verboten. Selbst Kollegen, die in einer anderen Abteilung der Prüfgesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Netzwerk arbeiten, müssen sich bescheiden.

Dirigistische Eingriffe

Rolf Nonnenmacher fürchtet sogar, eine staatliche Instanz könnte über die Vergabe von Prüfaufträgen entscheiden: „Wir unterstützen alle Vorschläge, die zu einer Verbesserung der Qualität und des Wertes der Abschlussprüfung führen“, sagt der KPMG-Deutschland-Chef. „Dirigistische Eingriffe in den Markt wie die Vergabe von Prüfungsaufträgen durch eine Behörde, die Zwangsrotation oder gesetzlich vorgeschriebene Gemeinschaftsprüfungen lehnen wir entschieden ab.“

Gleichwohl wären die Meister der Zahlen einem strikten Verbot von Prüfung und Beratung nicht völlig ausgeliefert. Sie könnten durch Ausgründungen ihrer Partner das Gesamtgeschäft weiterhin in den eigenen Reihen halten – nur nicht unter demselben Dach und derselben Marke. Wie das funktioniert, führte Deloitte vor, als Frankreich nach den milliardenschweren Bilanzfälschungen beim US-Energiekonzern Enron 2003 ein Beratungsverbot erließ.

Vor allem mittelständische und kleine Wirtschaftsprüfer wie Lenz aus Hessen setzen große Hoffnungen auf Barniers Idee, Prüfaufträge von einer öffentlichen Stelle vergeben zu lassen. Dann müssten die großen vier vom Kuchen etwas abgeben und würden ihre Übermacht verlieren, hoffen sie. Derzeit verbuchen die Big Four von den elf Milliarden Euro, die deutsche Unternehmen pro Jahr für Abschlussprüfungen und sogenannte prüfungsnahe Dienstleistungen ausge-ben, gut vier Milliarden Euro für sich. In den meisten EU-Ländern vereinigen sie mehr als 90 Prozent der Honorare, in Deutschland stieg ihr Marktanteil bei den Unternehmen im Dax-Segment laut CBP von 67 Prozent im Jahr 2004 auf 83 Prozent 2009. „Wenn nicht bald faire Wettbewerbsbedingungen durchgesetzt werden, nimmt dieser Anteil noch weiter zu“, warnt Bernd Rödl, Gründer der mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner.

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