Buchhandel Strukturwandel setzt Thalia und Hugendubel zu

Jahrelang wuchsen sie – doch der Strukturwandel im Buchhandel macht den Marktführern Thalia und Hugendubel zu schaffen.

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Thalia Filiale in Münster Quelle: dpa

Wenn Maximilian Hugendubel erzählt, klingt er wie der Kapitän eines sturmgebeutelten Fischkutters und weniger wie der Kochef von Deutschlands zweitgrößtem Buchhandelskonzern DBH mit Marken wie Hugendubel und Weltbild. Er hört sich an, als sei er den legendären Drei Schwestern begegnet, einem auf allen Weltmeeren spontan auftauchenden Trio meterhoher Wellen, die Schiffen zum Verhängnis werden.

Die erste Welle war 2001 der Einstieg des Hagener Douglas-Konzerns beim Buchhändler Thalia, mit dem erklärten Ziel, den Markt aufzurollen. Mit Welle zwei schwappte seit der Jahrtausendwende der Strukturwandel an Bord, jener immer schnellere Zug der Kunden raus aus den Läden und rein ins Internet. Die dritte Welle schließlich rollte mit der Wirtschaftskrise heran – in der Summe drei Ereignisse, die Hugendubel stöhnen lassen: „Sehr viel mehr kann man als Unternehmer gar nicht durchleben.“

Erfolgreich durch das Krisenjahr

Wenn dagegen Michael Busch erzählt, wie sein Berufsleben ausschaut, klingt er eher wie der Kapitän einer robusten Yacht, die selbst durch höchste Wellen schneidet: „Wir haben das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr unserer Buchhändlergeschichte hinter uns. Und das in einem Krisenjahr“, sagt der Bereichsvorstand Bücher eben jener Douglas Holding, zu der neben der Buchhandelskette Thalia der Süßwarenladen Hussel und die Douglas-Parfümerien gehören.

Hugendubel und Busch steuern die beiden mit Abstand größten Tanker, die durch Deutschlands stagnierenden, neun Milliarden Euro Umsatz schweren Buchhandel pflügen. Zusammen betreiben sie gut 800 Buchhandlungen. Im Ranking der zehn größten Buchhandlungen im deutschsprachigen Raum macht jeder der beiden mehr Umsatz als die acht folgenden Unternehmen zusammen. Und die Schere zwischen klein und groß öffnet sich weiter.

Flächen beackern

Nach Jahren des stürmischen Wachstums schlagen die Riesen nun im Vorfeld der Leipziger Buchmesse, die am Donnerstag ihre Tore öffnet, einen neuen Kurs ein: Statt weiter Filiale um Filiale zu eröffnen, wenden sich Thalia und DBH verstärkt nach innen. Konsolidierung ist angesagt, das Beackern der vorhandenen Flächen steht an, der Umbau des Angebots in den Läden hin zu buchfremden Produkten wie Spielwaren und PC-Games – sowie nicht zuletzt der Konkurrenzkampf mit den wachsenden Online-Verkaufsplattformen wie Amazon.

Denn die Umsätze der Branche stagnieren, auch für die Marktführer wird die Luft dünner. So stammte das Wachstum bei Thalia zuletzt vor allem aus den 2009 neu eröffneten Flächen und der erstmaligen vollständigen Einbeziehung des Online-Ablegers Buch.de in die Bilanz.

Zwei Goliaths

„Selbst wenn sich die Wirtschaft wieder erholt, kommen die Buchumsätze nicht wieder zurück“, sagt Nina Hugendubel, die neben ihrem Bruder Maximilian im Beirat der DBH sitzt. Folgen hat dieser Kurs auch für die Verlage – denn wenn die Buchketten weniger Bücher in den Läden haben wollen und bei den verbleibenden auf Bestseller setzen, müssen sie ihre Programme verkleinern.

Die DBH, 2006 als Finanzholding entstanden aus der Allianz des Münchner Traditionshauses Hugendubel mit der Augsburger Verlagsgruppe Weltbild, bekam die Entwicklung bereits deutlich zu spüren. 2009 ging der Umsatz zurück. Nach einem schlechten Start ins Jahr und der Angst vor einem miesen Weihnachtsgeschäft hatte die Gruppe an allen Ecken begonnen, Kosten zu reduzieren: Weltbild hatte im Frühjahr 322 Stellen gestrichen. Kurz darauf kündigte auch Hugendubel an, gut 180 Arbeitsplätze abzubauen. Weitere 106 verloren beim Ableger Habel ihren Job. Zuletzt streikten die Mitarbeiter beim DBH-Billigheimer Wohlthat in Berlin und Potsdam, der künftig Bücher eher in Schlecker-Manier verkaufen soll und mit möglichst wenig Personal auskommen soll.

Die DBH fährt noch immer einen anderen Kurs als Konkurrent Thalia, der mit einem einzigen Filialkonzept antritt. Die München-Augsburger Verbindung dagegen betont die Eigenständigkeit der unterschiedlichen Marken: Unter ihrem Dach versammeln sich neben den Bücher-Aldis Wohlthat und Joker Buchpaläste der Hugendubel an Münchens Marienplatz, aber auch mittelständische Buchhandlungen wie Habel aus Darmstadt und Weiland aus Lübeck. Die vielen Partner und Handelsformate machen eine Abstimmung schwieriger als beim Monolithen Thalia. Für alle Beteiligten gleichermaßen hat sich jedoch ein wesentlicher Faktor radikal verändert – die Kundschaft.

Mehr Umsatz mit Spielzeug

„Die Kunden ändern ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten viel schneller, als sie das früher getan haben“, sagte Nina Hugendubel im Branchenblatt „Buchreport“, „für uns ist die Konkurrenz nicht nur der andere Buchladen, sondern der Einzelhandel insgesamt.“ Hugendubel will daher die Kundschaft „unterhalten“: „Es muss interessant sein, in die Läden zu gehen – denn kaufen kann man inzwischen auch alles im Internet.“ Eine Lösung für die Filialisten soll nun darin bestehen, das Angebot noch spürbarer als bisher um sogenannte Non-Books zu erweitern. So soll der Kunde noch stärker als bisher Gesellschaftsspiele, aber auch Spielzeug wie die Tierfiguren der Firma Schleich in den Läden finden – derzeit beträgt der Umsatzanteil dieser Produkte bereits gut 30 Prozent, hier ist noch Luft nach oben. Das ist nötig, weil nicht nur den Hugendubels ein erklecklicher Teil des Geschäfts wegbricht: „Kein Mensch kauft heute mehr Stadtpläne, Lexika oder den Duden“, sagt eine Buchhändlerin: „Wer früher im Monat 500 Duden absetzen konnte, ist heute froh, wenn er 50 verkauft.“ Statt sich Wälzer ins Regal zu stellen, die nach spätestens einem Jahr veraltet sind, genügt den meisten Nutzern längst der Mausklick.

Hugendubel-Konkurrent Thalia hat auf die Herausforderung aus dem Web reagiert, indem er sich am Online-Händler Buch.de beteiligte und dort kürzlich seinen Anteil auf über 60 Prozent ausbaute. „Mit diesem Angebot können sie es tatsächlich mit Amazon aufnehmen“, heißt es zähneknirschend Hugendubel-intern, wo man noch nicht so weit ist. Nina Hugendubel räumt denn auch ein, in der Phase des Flächenwachstums lieber auf neue Läden gesetzt zu haben, statt Geld in den Online-Auftritt zu stecken. Thalia hat einen Vorsprung und setzt auch in seinen neuen Ladenkonzepten diesen Weg fort. Zu besichtigen ist das in der Thalia-Filiale im Einkaufscenter Loop5 in Weiterstadt bei Frankfurt. Dort probt Thalia seit Herbst vergangenen Jahres den Brückenschlag zwischen stationärem Buchhandel und Internet – Multi-Channel heißt das im Fachjargon. Knapp ein halbes Jahr tüftelte der Buchhändler. Herausgekommen ist allerlei technischer Schnickschnack.

Gleich am Eingang kann der Kunde, zusätzlich zum ohnehin üppigen Zeitungen- und Zeitschriftenangebot online auf rund 200 Pressetitel aus aller Welt zugreifen und sie gegen Bezahlung direkt ausdrucken. Alle Buchbesprechungen von Filialleiterin Alexandra Herrmann und ihren 20 Mitarbeitern kann der Buchfan in jeder Abteilung der Buchhandlung via Berührungsbildschirm abrufen und lesen. An mehreren Computerplätzen in der Mitte des Ladens können Kunden zudem selbst Rezensionen eintippen, die dann auf der Thalia-Homepage veröffentlicht werden – Amazon lässt grüßen.

Ideenschmiede der Branche

In einer mit 85 Quadratmetern üppig bemessenen Computerspielabteilung hat Thalia zudem die großen Anbieter an Bord: Nintendo, die Xbox von Microsoft und die Playstation von Sony sind zu testen und zu kaufen. Nebenan in der Kinderbuchabteilung können die Kids an drei Berührungsbildschirmen malen und ihr Bild per E-Mail verschicken. Viele der neuen Angebote dürften für die Generation iPhone so attraktiv sein wie die Gebrauchsanweisung einer Kaffeemaschine. Dennoch: Thalia macht, investiert, wartet nicht ab und versucht sich als Ideenschmiede der Branche zu präsentieren.

Was sich durchsetzen wird, neue Kunden bringt und nachhaltig Umsatz und Gewinn steigert, muss sich noch zeigen. Für ein Resümee, so Thalia-Käpt’n Busch, sei es nach kaum einem halben Jahr „noch zu früh“. Die Konkurrenz beobachtet seinen Kurs mit Argusaugen. „Im Prinzip ist das in Weiterstadt sicher eine gute Buchhandlung“, sagt der Manager eines Konkurrenten, „aber mal abwarten, was vom Schickimicki drum herum am Ende übrig bleibt.“

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