Chefwechsel bei RWE Der neue Weg des Peter Terium

Der Holländer Peter Terium ist der große Unbekannte der deutschen Energiebranche. Als neuer Chef von RWE muss er den Konzern völlig umkrempeln.

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ARCHIV - Ein RWE-Mitarbeiter Quelle: dpa

Es war ein Krimi, den sich die RWE-Aufsichtsräte vergangene Woche um die Nachfolge von Vorstandschef Jürgen Großmann lieferten. Zu wenig international sei der eine (Schmitz), zu wenig vernetzt der andere (Terium), hielten sich die Vertreter beider Lager vor. Dann fiel die Wahl doch auf Peter Terium, den 47-jährigen Niederländer.

Terium ist ein Konzerngewächs

Zähneknirschend stimmten die Vertreter der Kommunen zu, die Deutschland-Chef Rolf Martin Schmitz bevorzugt hätten. Spätestens von Juli 2012 an wird Terium RWE führen – vielleicht sogar schon eher. Seit 2003 ist er bei RWE, erst im Controlling, dann als Leiter des Strom- und Gas-Tradings, schließlich als Chef des niederländischen Versorgers Essent, dessen Übernahme Terium 2009 als Teamleiter unter Großmann federführend organisierte.

Seine Karriere in Deutschland begann der Steuerexperte und ehemalige Mitarbeiter im holländischen Finanzministerium bei einer früheren E.On-Tochter, dem Verpackungshersteller Schmalbach-Lubeca. Von Weggefährten wird Terium als "cool, aber nicht kalt" geschildert.

An undated handout picture Quelle: Reuters

Terium mag es royal. "Bis vor Kurzem war es mein großer Wunsch, RWE-Vorstand zu werden. Darüber kommt nicht mehr viel. Vielleicht die Königin der Niederlande und der Präsident von Amerika", scherzt er im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Jetzt sei er restlos glücklich. Als Vorbild gilt ihm indes ein Vorgänger der jetzigen Königin Beatrix: Wilhelm I. von Oranien, so berichten es frühere Kollegen von Schmalbach-Lubeca.

Der Nationalheld ist der Begründer der Niederlande und war ein großer Freigeist. Dennoch erhielt der Führer des niederländischen Unabhängigkeitskrieges gegen Spanien (1568–1648) wegen seiner Wortkargheit den Beinamen "der Schweiger". In diesem Punkt ist Terium seinem Vorbild nicht unähnlich: Dem analytisch veranlagten Manager liegt poltriges Auftreten fern. Er mag es lieber zurückhaltend. Trotzdem befürwortet er die offene Aussprache.

Waldspaziergang mit Hund

Terium ist ein leidenschaftlicher Musikfan — von Klassik bis Jazz. "Ich genieße es, mit meiner Frau in die Oper in Essen oder ins Theater zu gehen", sagt Terium. Gerne lässt er sich auch auf dem Nordsee-Jazz-Festival in Rotterdam blicken. Von New Orleans bis Fusion — Terium mag viele Stilrichtungen.

Viel Freizeit verbringt er mit seiner Familie: Er ist seit 18 Jahren mit einer Brasilianerin verheiratet und hat zwei Kinder. Nicht zu vergessen seine zwei Tibetansk-Spaniel: "Ich gehe gerne mit den Hunden in den Wald", sagt Terium. Gern dreht er auch mal eine Joggingrunde. Feierabendbier ist nicht sein Ding. Stattdessen greift er abends zu italienischem Rotwein, am liebsten Brunello di Montalcino.

Aus dem Schneider

Der große Mentor des Holländers ist RWE-Aufsichtsratschef Manfred Schneider. Der machte kräftig Druck, um seinen Favoriten gegen den scharfen Chef-Konkurrenten Schmitz durchzu-drücken. Sogar mit Rücktritt soll Schneider gedroht haben. Das hätte RWE in eine Führungskrise gestürzt, die schließlich mit einem Kompromiss abgewendet wurde: Terium wird Vorstandschef, Schmitz sein starker Stellvertreter, der das Deutschland-Geschäft verantwortet. Schon munkeln RWE-Insider von einer heimlichen Doppelspitze.

Viele trauen dieser Konstellation nicht viel zu. Denn Schmitz ist ein Mann der Kommunen und Gewerkschaften, weil er eher dazu neigt, Standorte zu erhalten, statt renditeorientiert Sanierungsschnitte einzuleiten wie die Fraktion um Schneider und Terium. Teriums heftigster Gegenspieler dürfte daher Frank Bsirske werden, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und zugleich Vize von Schneider im Aufsichtsrat. Bsirske hätte lieber Schmitz auf dem RWE-Chefsessel gesehen.

Windige Pläne

In seinem Heimatland ist Terium bereits als Vertreter von grünen Teilen des RWE-Konzerns aufgetreten: Als Lenker der Tochter Essent erhielt er den Auftrag, in Amsterdam flächendeckend Ladesäulen für Elektroautos zu installieren. Von Atomstrom zu erneuerbaren Energien – diese Umstellung muss Terium jetzt für den gesamten Konzern meistern.

Sein engster Verbündeter dürfte dabei Fritz Vahrenholt werden. Der frühere Hamburger Umweltsenator leitet seit gut drei Jahren Innogy, die RWE-Sparte für erneuerbare Energien. Mehr als eine Milliarde Euro investiert Innogy pro Jahr in die Energiegewinnung aus Wind, Wasser und Biomasse. Das Investitionsvolumen wird unter Terium drastisch steigen – der Holländer will RWE auch die Braunkohle-Lastigkeit nehmen.

Ein Holländer, der neben Deutsch auch fließend Englisch und Portugiesisch spricht – deutlicher Pluspunkt für Terium. Der künftige RWE-Chef strahlt Internationalität aus, die für das Image des oft als Riesenstadtwerk verunglimpften Konzerns wichtig ist. Schließlich gehören 40 Prozent der Anteile ausländischen Aktionären.

Er bringt außerdem Erfahrungen aus anderen Branchen ins Unternehmen, denn er ist kein Konzerngewächs. Als gravierende Schwäche gilt Teriums fehlende politische Vernetzung vor Ort: Die Fallstricke der einflussreichen kommunalen Aktionäre vor allem im Ruhrgebiet, die 25 Prozent an RWE halten, kennt er bisher nur aus der Zeitung.

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