China Das Ende für chinesische Billig-T-Shirts

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Containerhafen in Shanghai Quelle: dpa

Dass die Fertigung von China in billigere Länder wie Bangladesch, Kambodscha oder Myanmar (früher Burma) verlagert werden kann, halten viele Experten für unwahrscheinlich. In diesen Ländern fehlt zum einen die Infrastruktur, um etwa die Endprodukte zu den Kunden im Ausland zu transportieren. Vietnam besitzt nicht einmal einen Tiefwasserhafen. Außerdem haben Länder wie Kambodscha viel zu wenige ausgebildete Arbeitnehmer. In China dagegen hat sich durch den Exportboom der vergangenen Jahrzehnte eine einzigartige Fertigungs- und Lieferkette aus Herstellern, Zulieferern und Transportunternehmen entwickelt. „Eine ordentliche Freizeitjacke kann man nur in China machen“, sagt NKD-Chef Wirsieg. „Es gibt keine Alternative.“

Etwa 60 Prozent der deutschen Textilien kommen nach Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) aus China. Die meisten Anbieter dürften in nächster Zeit die Preise erhöhen. „Generell gilt, dass es schwieriger wird“, sagt BTE-Hauptgeschäftsführer Jürgen Dax. Viele Händler wollen zwar noch die unteren Preislagen halten. „Aber dann gibt es nicht mehr sieben verschiedene Hemden zum Einstiegspreis, sondern nur noch zwei“, sagt Dax.

Textilketten senken Gewinnmarge

Einen ungewöhnlichen Kurs fährt H&M, nach dem spanischen Modelabel Zara der zweitgrößte Textileinzelhändler der Welt. Das schwedische Unternehmen hat angekündigt, die höheren Beschaffungskosten durch steigende Löhne in China und höhere Rohstoffpreise nicht an die Kunden weiterzugeben. Dafür will H&M einen niedrigeren Gewinn in Kauf nehmen. Im ersten Quartal seines Geschäftsjahres verdiente das Unternehmen umgerechnet 290 Millionen Euro, etwa ein Drittel weniger als im Vergleichszeitraum. In der Konzernspitze sieht man die Entwicklung gelassen. Bei H&M schaue man eben nicht ständig auf den Börsenkurs, sagte Vorstandschef Karl-Johan Persson im März bei der Bekanntgabe der Zahlen.

Ob die Schweden dies lange durchhalten können, ist fraglich. Denn die Preise der Textilien made in China dürften kontinuierlich steigen. Die meisten Hersteller wollen die höheren Kosten an ihre Abnehmer weitergeben. Riyou etwa, ein Textilhersteller in der Nähe von Shanghai, wälzt den Kostenanstieg inzwischen zu 80 Prozent auf die Kunden ab. Das Unternehmen liefert die Hälfte seiner Produktion nach Europa, unter anderem an Tchibo.

Deutsche trifft Mitschuld

Mit seiner selbstbewussten Geschäftspolitik macht sich Riyou im Ausland keine Freunde. Manche Kunden zögen Aufträge ab, heißt es im Unternehmen. Die Riyou-Manager zucken gelassen die Achseln. Riyou produziert jetzt mehr lokale chinesische Marken – ein durchaus interessantes Geschäft. Durch die steigenden Löhne hätten die Chinesen mehr Geld, um Kleidung zu kaufen, sagt ein Unternehmensvertreter.

Experten geben den Textilhändlern in Deutschland eine Mitschuld am gespannten Verhältnis mit den Chinesen. Manche Einkäufer hätten die Lieferungen billiger und guter Textilien aus China als Selbstverständlichkeit für alle Ewigkeit betrachtet. „Viele Kunden haben sich nicht um ihre Hersteller gekümmert“, sagt Kiran Mazumdar, Partner der Einkaufsberatung Inverto in Köln, die deutsche Firmen beim Einkauf in China berät. Die Abnehmer in Deutschland müssten sich viel intensiver mit der Wertschöpfungskette in China beschäftigen, rät Mazumdar.

Für NKD-Chef Wirsieg ist die Verteuerung der Waren aus China mit den dazugehörigen Konsequenzen erst der Anfang eines viel weiter reichenden Trends. „Wer die Entwicklung in Taiwan und Südkorea verfolgt hat, konnte davon ausgehen, dass China nicht ewig die Billigfabrik für den Rest der Welt sein würde“, sagt er. Die Nachbarländer hätten auch zunächst billig Spielzeug, Kleidung und Schuhe produziert, seien danach aber in die Fertigung höherwertiger Güter vorgestoßen. 

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