Commerzbank Wenn sich Retten rechnet

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1. September 2009 – Der Macher

An seinem ersten Arbeitstag als neuer Strategiechef der Commerzbank hat Michael Bonacker einen Termin ganz oben. Bonacker, 42, tadelloser Auftritt, selbstbewusst, in seinen Sätzen knapp und auf den Punkt, fährt mit dem Aufzug in den 48. Stock, die obere der zwei Vorstandsetagen. Er geht vorbei am Empfang und dem Panoramafenster, von dem aus Römer und Paulskirche, Straßen und Menschen wie Miniaturen aussehen. Am Ende des Vorraums das Büro des Chefs. Martin Blessing hält für Bonacker ein Blatt Papier bereit, DIN A4, darauf – handschriftlich verfasst – eine Liste mit Bonackers wichtigsten Aufgaben. An erster Stelle: die Rückzahlung der Staatshilfen.

Bonacker hat in St. Gallen studiert, als Berater bei McKinsey begonnen, für die Deutsche Bank und Lehman Brothers gearbeitet. Er ist Investmentbanker durch und durch. Er lebe und sterbe mit seinen Deals, heißt es über ihn. Er weiß: Die benötigte Summe ist gewaltig, die Interessenlage kompliziert. Der Bund will Geld zurück, die Finanzaufsicht will, dass viel Geld in der Bank bleibt, damit diese gegen Verluste gewappnet ist, und die EU toleriert keine Vorzugsbehandlung.

Bonacker macht sich an die Arbeit, um das Unmögliche möglich zu machen. Anfangs sind nur zwei Handvoll Personen eingeweiht. Monate später wird sich jeden Dienstag um 8.30 Uhr ein kleiner Kreis zum Jour fixe treffen: Blessing, Strutz, Bonacker, Hugger, Kommunikationschef Richard Lips und Ute Gerbaulet, die das Geschäft mit Aktienplatzierungen verantwortet. Jeder hat seine Rolle.

24. Februar 2010 – Der Markt

Eric Strutz, 45, ist in London zum Essen verabredet. Durch eine gläserne Tür betritt er Thirty Gresham Street, ein mehrstöckiges Bürogebäude mit einer geschwungenen Fassade aus Betonsäulen und Fensterfronten. In diesem Haus, zwischen Börse und Bank of England gelegen, befindet sich die Niederlassung der Commerzbank.

Die Bank hat ein Essen mit Investoren anberaumt, so etwas gibt es häufiger, der Finanzchef muss wissen, was Geldgeber wünschen, was sie fürchten. Im Fall der Commerzbank ist das besonders wichtig, denn Investoren werden das Kapital bereitstellen müssen, das für die Rückzahlung der Staatshilfen nötig ist. Doch Strutz erlebt eine Überraschung: Zum Essen mit ihm erscheint ein Investor. Ein einziger. An eine Kapitalaufnahme ist nicht zu denken.

Genau einen Monat später fliegt Strutz wieder nach London. Diesmal ist sein Ziel das Hilton on Park Lane im feinen Stadtteil Mayfair, wo die Investmentbank Morgan Stanley eine große Finanzkonferenz abhält, ein Stelldichein der Szene. Für manche ist es das Hotel mit den schlechtesten, weil langsamsten Fahrstühlen von ganz London. Und so steht Strutz ein Weilchen in einem Pulk vorm Aufzug und wartet. Er hört, wie über Banken gesprochen wird. "There could be an upside to it", sagt einer – da könnten Profite winken.

Unter den Männern, die sich unterhalten, erkennt Strutz fünf Vertreter der "Top 50" – jener 50 Investoren, großteils Hedgefonds, denen nachgesagt wird, schlauer zu sein als der Rest. Sie reden darüber, dass wegen der besseren Konjunktur weniger Kreditausfälle drohen. Das hilft den Banken. Strutz hat eine Präsentation im Gepäck: 2010 – the turnaround year, 2010, das Jahr der Wende. Er will werben für die Commerzbank, ihr "trotz Krise profitables" Privat- und Firmenkundengeschäft, die Kosteneinsparungen. Dieses Mal ist sein Terminplan überbucht, bei einem Meeting reichen die Stühle nicht.

Strutz spürt: Der Wind dreht sich. Wieder und wieder erklärt er in den Monaten darauf den Investoren die Bank, hört ihnen zu. Wer Kapital braucht, muss den Markt bearbeiten. Ihn überzeugen. Doch es bleibt ein Rest Irrationalität. Auf den Finanzmärkten, erzählt Strutz gern, gehe es zu wie beim Eisverkauf: Mal sei Zitrone angesagt, mal Vanille.

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