Der 4-Stunden-(Küchen-)Chef „Machen Sie das 'Falsche' und Sie tun das Richtige“

„In so gut wie jedem Fach ist es möglich, binnen sechs Monaten oder weniger Weltklasseniveau zu erreichen“, sagt US-Autor Timothy Ferriss. Er berichtet über eine einfache Methode, um zu lernen, was immer Sie möchten.

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Timothy Ferriss wurde einst vom Magazin Wired als „Superman des Silicon Valley“ bezeichnet.

Düsseldorf New York Times Bestseller-Autor Timothy Ferriss zeigt in seinem heute erscheinenden Buch Der 4-Stunden-(Küchen-)Chef, das seiner Meinung nach alles möglich ist. Auch wenn der Titel es vermuten lässt – Der 4-Stunden-(Küchen-)Chef ist kein gewöhnliches Kochbuch. In dem Ratgeber geht es nicht nur ums Kochen, sondern auch um Tipps, das Leben als solches zu meistern. Anhand des Kochens macht Ferriss seine Leser mit dem „Metalernen“ vertraut, einem Schritt-für-Schritt-Verfahren, um sich Talente aneignen können – sei es Chinesisch, Gewichtheben oder die Zubereitung des perfekten Steaks. Ein Auszug.

„Smart Design“ entwickelte sich zu einer der weltweit führenden Agenturen für Industriedesign. Wie? Der Name sagt es. Mit Standorten in New York, San Francisco und Barcelona vertritt „Smart Design“ ein Kundenspektrum von Burton bis Starbucks. Seit 1989 ist „Smart Design“ strategischer Partner von „OXO International“.

Kennen Sie Besteck und anderes Küchengerät der Marke „Good Grips“? Das stammt von denen. In einem Dokumentarfilm mit dem Titel „Objectified“ erläutert Dan Formosa, ehemaliger Mitarbeiter der Forschungsabteilung von „Smart Design“, den Innovationsansatz der Agentur: „Zu uns kommen Auftraggeber, die sagen: ›Hier ist unser Durchschnittskunde. Er ist weiblich, 34 Jahre alt und hat 2,3 Kinder.‹ Wir hören höflich zu und sagen: ›Das ist ja schön und gut, aber dieser Mensch interessiert uns wenig.‹ Wenn es ums Design geht, müssen wir vielmehr auf die Extreme schauen: den schwächsten Menschen, den an Arthritis Erkrankten, den Sportler oder den Stärksten, den Schnellsten, denn wenn wir wissen, was die Extreme sind, wird das Mittelfeld schon für sich selbst sorgen.“ Mit dem richtigen Handwerkszeug können Sie scheinbar Wunder vollbringen, sei es in Spanisch, Schwimmen oder was immer Sie möchten.

Mit anderen Worten: Die Extreme definieren die Mitte, nicht andersherum. Der „Durchschnittsnutzer“ kann irreführend oder sogar bedeutungslos sein, wie es auf jeden Durchschnitt zutrifft. Hier ist ein Statistikerwitz für Ihr
nächstes Rendezvous: Person A: Was passiert, wenn Bill Gates eine Bar betritt, in der sich 55 Gäste befinden? Person B: Keine Ahnung. Was denn? Person A: Das „durchschnittliche“ Privatvermögen aller Anwesenden klettert auf mehr als eine Milliarde US-Dollar! Buahaha! Nicht gerade Chris Rock, aber immerhin trifft der Witz einen wichtigen Punkt: Manchmal lohnt es, die Randerscheinungen ins Rampenlicht zu rücken, statt sie über einen Mittelwertkamm zu scheren. Das gilt nicht nur für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Nehmen Sie beispielsweise dieses vermeintliche Durchschnittsmädchen von 60 Kilogramm Körpergewicht, das am Ende alles andere war. Ihr Bild schickte mir Barry Ross, ein Lauftrainer, der Weltrekordathleten hervorbringt, um mir eine Bauchmuskelübung zu demonstrieren, die „Folterdrehung“ genannt wird. Ganz beiläufig fügte er am Telefon hinzu: „Ah ja, und sie hebt mehr als 180 Kilogramm mit Wiederholungen.“ Was?!? Wer sich mit dem Kreuzheben nicht auskennt, kann ja mal einen Blick auf diese Bildfolge werfen.

Noch eindrucksvoller ist, dass sie diese übermenschliche Kraft auf die „falsche“ Weise entwickelte:
• Anstatt die übliche volle Bewegungsbandbreite zu trainieren, konzentrierte sie sich ausschließlich auf den schwächsten Bereich, indem sie die Stange bis zur Kniehöhe anhob und wieder senkte.
• Die gesamte Muskelspannung (das tatsächliche Gewichtheben) war auf wöchentliche fünf Minuten beschränkt.

Das alles lässt unsere durchschnittliche Oberschülerin extrem erscheinen. Aber war sie eine Ausnahme? In der äußeren Welt mit Sicherheit. Und selbst unter Leichtathleten. In einer Studie mit 40 zufällig ausgewählten Sprinterinnen wäre sie ein komischer Sonderfall gewesen. „Muss sich um einen Messfehler handeln!“ Und das Kind wäre mit dem Bade ausgeschüttet worden. Aber WWWBS? Will heißen: Was würde Warren Buffet sagen? Ich vermute, das Orakel von Omaha würde wiederholen, was er im Jahr 1984 an der Columbia University zum Besten gab, als er sich über die Verfechter der „Efficient-Market“-Hypothese lustig machte.


Vom Nichtspitzenläufer zum Top-Athleten

Zuerst verwies er darauf, dass wertorientierte Anleger (Anhänger von Benjamin Graham und David Dodd), die regelmäßig den Markt schlagen, in der Tat die Ausnahme sind. Dann stellte er eine Frage, die ich hier etwas zusammenfasse: Angenommen, es gäbe einen USA-weiten Wettbewerb im Münzwerfen mit insgesamt 225 Millionen Teilnehmern [der damaligen Bevölkerung des Landes], die jeden Morgen einen Versuch unternähmen. Was würden wir sagen, wenn wir feststellten, dass eine kleine Gruppe von sagen wir 215 Leuten an 20 Morgen hintereinander stets das richtige [zuvor geschätzte] Ergebnis erzielte?

Dann fährt er fort (Hervorhebungen von mir): „Manche Business-School-Professoren werden vermutlich frech darauf verweisen, dass 225 Millionen Orang-Utans bei einer ähnlichen Übung ein vergleichbares Ergebnis erzielt hätten – 215 wichtigtuerische Orang-Utans mit 20 Gewinnwürfen in Folge. Bei den Beispielen [von wertorientierten Investoren], die ich Ihnen vorstellen will, gibt es einige wichtige Unterschiede.

Wenn (a) Ihre 225 Millionen Orang-Utans ungefähr so verteilt wären wie die US-Bevölkerung, wenn (b) nach 20 Tagen 215 Gewinner übrig wären, und wenn (c) 40 davon aus einem speziellen Zoo in Omaha kämen, wären Sie mit Sicherheit überzeugt, dass Sie irgendeine Spur zu fassen bekämen.

Sie würden vermutlich losziehen und den Zoowärter fragen, womit er seine Orang-Utans füttert, ob er sie besondere Übungen machen lässt, welche Bücher sie lesen und was sonst noch alles. Das heißt, wenn Sie eine wirklich außergewöhnliche Erfolgskonzentration antreffen, werden Sie möglicherweise versuchen, Ballungen von ungewöhnlichen Eigenschaften ausfindig zu machen, die eine Erklärung dafür liefern könnten.“

Unser Lauftrainer Barry Ross hat einen höchst ungewöhnlichen Zoo. Er kann sogar nach Belieben Mutanten herstellen. Seine beste Langstreckenläuferin hebt mit ihren 60 Kilogramm Körpergewicht 188 Kilogramm vom Boden. Sein jüngster Gewichtheber, gerade einmal elf Jahre alt und 49 Kilogramm schwer, hebt 102 Kilogramm.

Unsere extreme Oberschülerin ist in seinem Fitnessstudio Standard. Das verleitet mich natürlich zu der Frage: Könnte ich, als Nichtspitzenläufer und Vertreter des Durchschnitts, ihren Erfolg kopieren? Ich habe es ausprobiert… und es funktionierte einwandfrei. In weniger als zwölf Wochen, ohne Coach und nur nach einer gedruckten Anleitung von Barry, steigerte ich mich von einem Anfangslimit von 136 Kilogramm auf mehr als 295 Kilogramm.


Der Beste sein kontra der Beste werden

Während ich dies schreibe, stammen die beiden meistgeschauten Freistilschwimmvideos der Welt von: 1. Michael Phelps und 2. Shinji Takeuchi. Phelps ist klar, aber … wer zum Teufel ist Shinji Takeuchi? Phelps lernte das Schwimmen im zarten Alter von sieben Jahren. Shinji lernte es mit reifen 37 Jahren. Noch interessanter war für mich, dass Shinji schwimmen lernte, indem er praktisch das Gegenteil von Phelps machte:
• Shinji schiebt den führenden Arm einen halben Meter unter der Wasseroberfläche nach vorn, anstatt nahe der Oberfläche zu „greifen“ und zu ziehen.
• Anstatt sich aufs Treten zu konzentrieren, scheint Shinji es komplett auszulassen. Von Übungen mit dem „Paddleboard“ keine Spur.
• Shinji trainiert häufig Freistilzüge mit geschlossenen Fäusten oder mit vorgestrecktem Zeigefinger, wobei die Arme ganz unter Wasser bleiben.
Phelps sieht aus, als wäre er mit Außenbordmotor versehen. Es ist eine heroische PS-Demonstration. Shinji wurde millionenfach angeschaut, weil er das genaue Gegenstück präsentiert: mühelose Fortbewegung. Wen hätten Sie also lieber zum Lehrer: Phelps oder Shinji? Auf die Frage, wie man rasch Muskelmasse zulegt, gab Arthur Jones, der Gründer von Nautilus, folgende Empfehlung (ich paraphrasiere): Wenden Sie sich an den kräftigsten Bodybuilder in Ihrem Fitnessstudio und bitten Sie ihn höflichst um detaillierte Ratschläge. Tun Sie anschließend genau das Gegenteil davon. Wenn Tyrannosaurus rex zehn Durchläufe empfiehlt, machen Sie einen; wenn er Ihnen rät, nach dem Training Proteine zu sich zu nehmen, tun Sie es davor und so weiter.

Jones’ humorvolle Parabel soll hier eine der Gefahren der Heldenverehrung illustrieren: Das oberste eine Prozent ist häufig trotz und nicht wegen der Art, wie es trainiert, erfolgreich. Überlegene Gene oder eine luxuriöse
Vollzeitbeschäftigung wiegen viel auf. Damit will ich nicht sagen, dass Phelps keinen technischen Ansatz verfolgen würde. 18 Goldmedaillen gewinnt man nur, wenn alles tadellos funktioniert. Es sind die Leute ein paar Ränge darunter – die besten, zu denen Sie realistischer Weise Zugang haben –, vor denen Sie sich in Acht nehmen müssen.

Und dann ist da die zweite Gefahr der Heldenverehrung: Karrierespezialisten können nicht nach außen weitergeben, was sie verinnerlicht haben. Das gilt quer durch die Branchen. Wie Erik Cosselmon, geschäftsführender Küchenchef von „Kokkari“, meinem Lieblingsgriechen in San Francisco, mir zwischen meine Anfängerfragen hinein erklärte: „Mein Problem ist, dass ich immer schon Koch war. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals
etwas anderes sein wollte.“

Daniel Burka, Designer bei Google und Mitgründer der jungen Hightech-Firma „Milk“, beschreibt ein ähnliches Gefühl: „Ich glaube nicht, dass ich besonders gut die Grundlagen von CSS [einer Sprache zur Beschreibung des Layouts von Webseiten] vermitteln könnte. Heute mache ich zwölf Dinge gleichzeitig und weiß dabei, was ich tue. Ich weiß aber nicht mehr, was davon verwirrend war, als ich gerade erst damit anfing.“

Diese obersten 0,01 Prozent, die ein Leben lang an ihrer Handwerkskunst gefeilt haben, können in späteren Phasen von unschätzbarem Wert sein, sind aber nicht ideal, um die Rakete erst einmal vom Boden zu bekommen. Die Shinji Takeuchis hingegen – die seltenen Sondererscheinungen, die es trotz mittelmäßigem Ausgangsmaterial in Rekordzeit von null bis in die obersten fünf Prozent geschafft haben – sind ihr Gewicht in Gold wert. Ich habe die letzten 15 Jahre damit verbracht, die Shinjis der Welt aufzuspüren und sie zu imitieren.


Hormone inhalieren: Was soll da schief gehen?

Mein Interesse an einem beschleunigten Lernen nahm seinen Anfang auf der biochemischen Ebene. Im Jahr 1996 begann ich im Rahmen einer geplanten Hausarbeit an der Princeton University mit einer Vielzahl von smarten Drogen (Nootropika) zu experimentieren, die ich gemäß den FDA-Einfuhrbestimmungen in die USA mitgebracht hatte. Nach vier Wochen hatte ich mir ein Verfahren für das Erlernen von chinesischen Schriftzeichen erarbeitet: 15 Minuten vor Kursbeginn verpasste ich jedem Nasenloch zwei Sprühstöße Desmopressin. Desmopressin ist eine synthetisch hergestellte Variante von Vasopressin, einem natürlich vorkommenden Antidiuretikum und Peptidhormon. Als Nasenspray wird es häufig Kindern verschrieben, die auch jenseits eines bestimmten Alters noch ins Bett machen. Ich war mehr an seinen nicht aufgeführten Wirkungen auf das Kurzzeitgedächtnis interessiert. In der Praxis sah das dann so aus: 1. Zwei Stöße Desmopressin in jedes Nasenloch. 2. Fast so schnell, wie ich umblättern konnte, die Schriftzeichen in „Chinesisch für Anfänger – Textbuch“ abscannen. 3. Im Quiz fünf bis zehn Minuten später 100 Prozent der Punkte erreichen.

Die Methode funktionierte unglaublich zuverlässig. Aber nachdem ich einige Monate lang Dihydroergotoxin, Oxiracetam und Kombinationen von Dutzenden weiterer Stoffe getestet hatte, setzte das Kopfweh ein, und mir kam ein Gedanke: womöglich war das Schnupfen von antidiuretischen Hormonen nicht die beste Langzeitstrategie. Mein Badezimmer im Studentenwohnheim begann im Übrigen einem Methamphetamin-Labor zu gleichen, was die Mädchen entschieden abtörnte. Ich verlagerte meinen Eifer also von den Molekülen auf den Prozess. War es möglich, ein Verfahren oder einen Plan zu entwickeln, der mir erlauben würde, beliebige Dinge rascher zu lernen? Beliebige Lernstoffe, beliebige Sportarten, überhaupt alles? Das war jedenfalls meine Vermutung. Ein erstes Puzzlestück hatte ich bereits vier Jahre früher, im Jahr 1992, erspäht.

Im Jahr 1992 hatte ich, 15-jährig, gerade meinen ersten längeren Auslandsaufenthalt in Japan angetreten. Hier sollte ich ein Jahr lang als Austauschschüler die Seikei-Gakuen-Oberschule besuchen. An meinem ersten Unterrichtstag meldete ich mich in der vorgeschriebenen marineblauen Schuluniform, in der ich aussah wie ein West-Point-Kadett. Hibbelig erwartete ich meinen Begleiter, der mich zu meiner „Heimatklasse“ bringen würde, jener Gruppe von rund 40 Schülern, mit der ich die meiste Zeit zusammen verbringen sollte. Ein Lehrer sah mich in der Ecke sitzen und kam auf mich zu: „Ah, Timu-kun!“, sagte er mit einer Handbewegung.
„Kun“ ist wie „san“, wird aber gegenüber männlichen Niedrigergestellten gebraucht. „Kore wa … (Das ist …)“, sagte er und zeigte auf ein mysteriöses Blatt Papier. Ich brachte kaum einen Gruß fehlerfrei hervor, und so rief er einen Englischlehrer herbei, damit der mir das Dokument erläuterte.

Wie sich herausstellte, beschrieb es in Schriftzeichen, von denen ich kein einziges lesen konnte, meinen genauen Tagesablauf. Der Englischlehrer übersetzte: „Physik, Mathematik, Weltgeschichte, kōbun – ah, traditionelles Japanisch“ und immer so weiter. Mich packte die Panik. Vor meiner Ankunft hatte ich lediglich einige Monate rudimentäres Japanisch gelernt, und meine Lehrer in den USA hatten mir zu meiner Beruhigung versichert: „Keine Sorge, du wirst noch genug japanischen Unterricht haben!“ Nun, unwiederbringlich in Tokio, wurde mir bewusst, dass ich in einem größeren „Lost-in-Translation“-Schlamassel steckte. „Japanischer Unterricht“ war nicht gleichbedeutend mit Japanisch-Unterricht. Das ganze folgende Jahr sollte ich normale japanische Oberschulklassen gemeinsam mit japanischen Schülern besuchen, die sich auf ihre Universitätseingangsprüfungen vorbereiteten! Das war der Augenblick, in dem ich mir in die Hosen machte.

Ich geriet denn auch mächtig ins Straucheln, wie ich auch schon in der Unterstufe bei Spanisch versagt hatte. Es schien ganz offensichtlich so zu sein, dass ich für Sprachen unbegabt war. Nach sechs Monaten in Tokio war ich drauf und dran, die Koffer zu packen. Doch dann lächelte mich plötzlich das Glück an. Ich stolperte über ein Poster (siehe Nebenseite), als ich gerade im Kinokuniya-Buchladen in Shinjuku nach dem „Buch der fünf Ringe“ suchte. Dieses Poster, das noch heute, 20 Jahre später, meine Wand schmückt, enthält alle 1945 „jōyō kanji“ (常用漢字), jene Schriftzeichen, deren Beherrschung das japanische Bildungsministerium als das Kriterium für das Vorhandensein elementarer Lese- und Schreibfähigkeiten festgelegt hat. Die meisten Zeitungen und Zeitschriften beschränken sich auf die „jōyō kanji“. Für alle praktischen Zwecke bedeutet dies, dass Sie, wenn Sie die Zeichen auf dem Poster kennen, Japanisch können – mitsamt den wichtigsten Verben.
Japanisch auf einer Seite! Heiliger Strohsack! Sprache ist ausufernd ohne Ende (ähnlich wie die Kochkunst) und deshalb im ungefilterten Zustand total erschlagend. Dieses Poster war eine Offenbarung. Es brachte die wichtigste Lektion des Sprachenlernens auf den Punkt: Was einer lernt, ist wichtiger, als wie er es lernt. Schüler sind vom Lernmaterial abhängig, ganz wie der Kochanfänger auf Rezepte angewiesen ist. Wenn Sie das falsche Material, das falsche Textbuch, die falsche Gruppe von Wörtern wählen, spielt es keine Rolle, wie viel (oder wie gut) Sie lernen. Es spielt keine Rolle, wie gut Ihr Lehrer ist. Entscheidend ist, das Material mit der größten Häufigkeitsrelevanz zu finden. Material schlägt Methode.


Die Entstehung einer Methode: 1999-2010

Wenn Sie sich nicht für Politik interessieren, werden Sie dann Spaß an einem Sprachkurs haben, der mit politischen Artikeln arbeitet? Natürlich nicht. Sie werden sich langweilen und den Kurs abbrechen. Die Autoren der meisten japanischen Sprachbücher scheinen die Lektüre des „Asahi Shimbun“ (Asahi-Zeitung) für den alleinigen Lackmustest der Beherrschung des Japanischen zu halten. Für einen Oberschüler und selbst für mich heute noch ist der „Asahi Shimbun“ ungefähr so spannend, wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen.

Glücklicherweise lernte ich, dass es auf den Inhalt herzlich wenig ankommt, solange die Häufigkeitsrelevanz stimmt. Mein Allheilmittel, stellte sich heraus, waren Judo-Lehrbücher. Auch wenn das Vokabular (alias die Zutaten) sehr speziell war, stellte ich die grammatikalischen Fähigkeiten von Japanisch-Schülern des vierten und fünften Jahres nach zwei Monaten Judo-Studium in den Schatten. Warum? Weil die Grammatik (alias die Zubereitungsweise) universell war. Die Prinzipien gelten überall.

Ich kehrte aus Tokyo in die USA zurück und bestand den japanischen SAT-II-Test mit höherer Punktzahl als ein Freund von mir, der Muttersprachler war. Bis zu meinem High-School-Abschluss im Jahr 1995 hatte ich zwei einfache Linsen entwickelt, durch die ich Sprachlernmethoden und Lernmethoden ganz generell betrachtete: Ist die Methode effektiv? Konzentriert sie sich auf die Lerninhalte mit der größten Häufigkeitsrelevanz? Ist die Methode nachhaltig? Habe ich Zeitplan und Pensum so gewählt, dass ich durchhalte, bis ich das Stadium der Geläufigkeit erreicht habe? Werde ich die Pille, die ich mir verschrieben habe, auch wirklich schlucken?

Ein Puzzleteil fehlte aber leider noch: Effizienz. Wenn Effektivität bedeutet, das Richtige zu tun, bedeutet Effizienz, es auf die richtige Weise zu tun. Von Martin Luther King Jr. stammt der Ausspruch: „Zu lange aufgeschobene Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit.“ Beim Lernen ist es ähnlich: Das Tempo entscheidet über den Wert. Mag das Material noch so gut sein – wenn Sie bis zur Geläufigkeit 20 Jahre brauchen, sieht es mit der Investitionsrendite ziemlich schlecht aus.

War auch 1996 das Jahr, in dem mir Vasopressin und seine Verwandten auf der biochemischen Ebene unmittelbare Erfolgserlebnisse bescherten, so mussten noch drei Jahre verstreichen, bis ich mich der schwersten Übung, dem glitschigsten Puzzleteil zuwandte: der Methode. Der Auslöser kam dann eines Abends in der Witherspoon Street im Zentrum von Princeton. Ich arbeitete damals verbissen an meiner Abschlussarbeit, einem hübschen Büchlein mit dem Titel „Das Erlernen japanischer Kanji-Zeichen – übliche Praxis und ergänzende Mnemotechnik“. Ich hatte eine Telefonfreundschaft mit Dr. Bernie Feria entwickelt, der damals in der nur wenige Kilometer vom Campus entfernt gelegenen Weltzentrale von „Berlitz International“ für den Bereich „Lehrplan und Entwicklung“ zuständig war. Er lud mich zu einem förmlichen Abendessen ein, zu dem ich in meiner feinsten Aufmachung erschien: Cordhose, schlecht sitzendes Sakko und gefaktes Polohemd.

Es war ein fantastisches Mahl, und Bernie war ein wunderbarer Gastgeber. Er kannte seine Sprachen, und der Rotwein floss nur so. Wir tauschten Kriegsgeschichten aus den linguistischen Schützengräben: gelernte Lektionen, komödiantische Fehler und kulturelle Patzer. Bernie berichtete von seinen französischen Abenteuern, und ich erzählte ihm, wie ich einmal meine japanische Gastmutter bat, mich anderntags um acht Uhr früh zu „vergewaltigen“. Ah, nur einen Vokal daneben! Aber okasu (vergewaltigen) war nicht dasselbe wie okosu (wecken).

So irritiert haben Sie noch keine japanische Frau gesehen. Er grölte. Als der Nachtisch kam, hielt Bernie inne und sagte: „Echt schade, dass du mit dem Studium nicht früher fertig bist. Wir starten da in Kürze ein Projekt, für das du perfekt wärest.“ Das „Projekt“ bestand darin, den Lehrplan des Anfängerkurses Japanisch von Berlitz zu überarbeiten, was gleichzeitig die Gelegenheit bot, auch den Englisch-Lehrplan zu überprüfen, der damals die Grundlage für 70 Prozent der jährlich rund fünf Millionen Berlitz-Kurse an 320 Sprachzentren rund um den Globus bildete.

Stellen Sie sich vor, Sie betreten den Gitarrenladen um die Ecke, gehen auf den Auszubildenden hinter der Theke zu und sagen: „Hallo Junge, möchtest du nicht vielleicht das London Philharmonic Orchestra durchstimmen? Es gibt nächste Woche im Central Park ein Konzert, das live in 50 Länder übertragen wird. Bist du dabei?“ Ich fühlte mich wie dieses Kind. Ich verließ Princeton in der Mitte meines letzten Jahres nur wenige Monate vor dem Abschluss, um dieser Sprachenliebe zu frönen. Ich arbeitete für Berlitz, reiste anschließend – wild darauf, neue Ideen sofort auszuprobieren – nach Taiwan, wo sich mir das „ZARR“-Puzzle (siehe nächste Seite) zusammenzufügen begann. Dann tat ich etwas Seltsames. Ich wandte dieselbe ZARR-Methodik auf das Erlernen des Kickboxens an, und in weniger als zwei Monaten gewann ich die chinesische Meisterschaft im Kickboxen in der 75-Kilogramm-Klasse.


ZARR und KaFEe

Vorblende in das Jahr 2005. Ich habe sechs Jahre lang unterschiedliche Herangehensweisen an natürliche Sprachen getestet. Hier sehen Sie, wie viel Zeit ich jeweils benötigte, um die Sprachen so weit zu lernen, dass ich einen Standardtest bestand (mit Ausnahme des Chinesischen): Mit 15 war es mir wohlgemerkt nicht gelungen, so viel Spanisch zu lernen, dass ich eine einfache Konversation führen konnte. Jetzt lobten mich die Leute, wie gut ich in Sprachen sei, und gratulierten mir zu meiner Begabung. Davon wollte ich überhaupt nichts wissen. Ich besaß einfach nur die bessere Bedienungsanleitung. Im Jahr 2005 bereiste ich als digitaler Nomade die Welt, eine Erfahrung, die ich später in „Die 4-Stunden-Woche“ beschrieb. Ich stürzte mich auf Sprachen, um der Einsamkeit zu entfliehen: Irisch-Gälisch, Norwegisch, Deutsch, Spanisch (mitsamt dem argentinischen Lunfardo-Dialekt), alles, womit ich in Berührung kam. Die Verfeinerung dauerte bis 2010 und bis in die Gegenwart an. In kürzeren Einbis Zweiwochenperioden habe ich das Verfahren an Türkisch, Griechisch, Xhosa und anderen Sprachen überprüft.

Das ZARR-Verfahren, das ich verwendete, bewährte sich beim Erwerb deklarativer Wissensinhalte wie „Fakten und Zahlen“ (Auswendiglernen von Seriennummern, Sich-merken, wo man sein Auto geparkt hat). Es funktionierte auch unglaublich gut bei prozeduralen Wissensinhalten, bei denen es um Tätigkeiten geht (zum Beispiel Judo, Fahrradfahren, Autofahren). Selbst für Hybridvarianten (wie beispielsweise das Schreiben chinesischer Zeichen) eignete es sich. Das alles sage ich nicht, um damit anzugeben. Ich will Ihnen vielmehr verdeutlichen, dass es ein reproduzierbares Verfahren gibt, und dass Hunderte von Lesern meine Erfahrungen für sich wiederholt haben. In fast jeder Disziplin ist es möglich, binnen sechs bis zwölf Monaten oder sogar binnen sechs bis zwölf Wochen Weltklasseniveau zu erreichen und leistungstechnisch unter die obersten fünf Prozent der Welt aufzusteigen.
Es gibt ein Rezept, das eigentliche Rezept in diesem Buch, und das ist ZARR. Hinter diesem Akronym verbirgt sich das Rezept für das Erlernen einer beliebigen Fertigkeit. Wie Sie sich das merken können? Denken sie an „bizarr“: Aber so bizarr, wie das hier auf den ersten Blick erscheinen mag, ist es gar nicht. Am Ende werden Sie feststellen: Es ist EINFACH NUR ZARR. Und hier ist die Buchstabenfolge:

Z = Zerlegung: Wie lauten die kleinsten erlernbaren Einheiten, die Legosteine, mit denen ich beginnen sollte?

A = Auswahl: Auf welche 20 Prozent dieser Bausteine muss ich mich konzentrieren, um 80 Prozent des erwünschten Ergebnisses zu erzielen.

R = Reihenfolge: In welcher Reihenfolge muss ich mir die Bausteine aneignen?

R = Risiko: Wie erhöhe ich das mit einem Abbruch verbundene Risiko so, dass sichergestellt ist, dass ich bis zum Ende durchhalte?

Es existieren mehrere sekundäre Prinzipien, die zwar sehr hilfreich (ich nutze sie ständig), aber nicht zwingend erforderlich sind. Hierbei ist KafFEe das Akronym:

K = Kompression: Kann ich die wichtigsten 20 Prozent zu einem leicht verständlichen Ein-Seiten-Dokument zusammenfassen?

F = Frequenz: Wie häufig sollte ich üben? Kann ich das pauken, und wie sollte mein Zeitplan aussehen? Mit welchen Schmerzen muss ich rechnen? Wie sieht die minimale effektive Dosis aus?

E = Eselsbrücken: Wie kann ich neues Material zwecks rascher Abrufbarkeit in dem verankern, was ich schon weiß?

Für jene tapferen Seelen, die sich getrauen, an dieser Stelle weiterzulesen: Blättern Sie um und sehen Sie, wie tief mein Lieblingskaninchenbau reicht.

Bibliografie
Timothy Ferriss
Der 4-Stunden-(Küchen-)Chef
GABAL, September 2014, 672 Seiten
ISBN-10: 3869365854
ISBN-13: 9783869365855

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