Deutsche Aufsichtsräte Aufseherinnen dringend gesucht

In den Aufsichtsräten sind Frauen dramatisch unterrepräsentiert. Weil die Regierung mit einem Gesetz droht, hat es die Kodexkommission eilig, neue Regeln zu finden. Statt einer festen Quote soll ein Stufenplan aufgestellt werden.

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Ob die von der Deutschen Telekom geplante Frauenquote auch für Aufsichtsräte gilt, ist noch unklar. Quelle: dpa

DÜSSELDORF. Die Regierungskommission Corporate Governance will ihren Kodex für gute Unternehmensführung um einen Stufenplan statt einer festen Frauenquote ergänzen. Kommissionschef Klaus-Peter Müller, im Hauptberuf Aufsichtsratschef der Commerzbank, macht trotz des teils heftigen Widerstands aus der Wirtschaft Druck, weil er befürchtet, dass die Politik die Geduld verliert und per Gesetz einen höheren Frauenanteil erzwingt. Im Mai soll die Revision des Kodexes von der Kommission verabschiedet werden.

Schon zweimal hat die Regierung nicht abgewartet, bis die zögerliche Managerelite reagierte: 2005 mit dem Offenlegungsgesetz und 2009 mit dem Angemessenheitsgesetz für die Vorstandsvergütung. Jetzt geht es in erster Linie um die Aufsichtsräte, die die Arbeit der Vorstände überwachen. "Wir können es uns nicht erlauben, in alten Denkmustern zu verharren", warnte Müller kürzlich. "Das Signal der Politik ist eindeutig: Wenn ihr nicht handelt, können wir die Quote nicht aufhalten", sagte Daniela Weber-Rey, Partnerin der Kanzlei Clifford Chance und Mitglied der Kodexkommission, dem Handelsblatt.

Am heutigen Montag wird die Sitzung der Kodexkommission im Mai vorbereitet. Den sogenannten Sherpas der zwölf Kommissionsmitglieder liegt ein Vorschlag für ein mehrstufiges Vorgehen vor: Den Unternehmen wird erstens empfohlen, ein Ziel (Frauenquote) für ihre Aufsichtsräte zu definieren, dies zweitens mit einer eindeutigen Zeitplanung zu versehen und drittens regelmäßig über die Umsetzung zu berichten.

Das entspricht in etwa dem Vorgehen der Deutschen Telekom. Der Dax-Konzern hat sich öffentlich darauf festgelegt, obere und mittlere Führungsposten bis zum Jahr 2015 mit mindestens 30 Prozent Frauen zu besetzen. Ob damit auch der Aufsichtsrat gemeint war, blieb offen.

Für die Vorgabe einer Quote dürfte sich in der Kommission mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft keine Mehrheit finden. Auch Kodex-Chef Müller hält davon nichts. Der Stufenplan ist deshalb ein Kompromiss, und man hofft, "damit jetzt auch ernst genommen zu werden", heißt es in Kreisen des Gremiums. Bislang ist jedoch nur geplant, das Stufenmodell für Kontrolleure einzuführen. Bei Vorständen dürfte es eher zu einer allgemeinen Formulierung wie "angemessener Frauenanteil" kommen. Grund dafür sind Zweifel, genug qualifizierte Kandidatinnen für Vorstandsposten finden zu können.

Auch die Regierung sieht vorrangig Handlungsbedarf bei den Aufsichtsposten. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) lehnt eine gesetzliche Quote für Vorstände sogar ab, bei Aufsichtsräten hält sie das aber durchaus für denkbar. Auch wenn sie nur von "Ultima Ratio" spricht.

Der Banker Müller hatte kurz nach Übernahme des Vorsitzes der Kodexkommission das Thema Diversity in den Gremien und damit auch das Thema Frauen auf die Agenda gehoben. Auf sein Drängen wurde vor knapp einem Jahr folgende Formulierung in den Kodex aufgenommen: "Bei der Zusammensetzung des Vorstands soll der Aufsichtsrat auch auf Vielfalt achten." Gemeint war damit eine größere Internationalität und "angemessene Vertretung von Frauen", hieß es dazu in der Erläuterung.

Regeln für Aufsichtsräte gibt es bislang keine. Der Vorstoß blieb weitgehend unbeachtet. Vermutlich weil er viel zu allgemein ist, heißt es selbstkritisch im Umfeld der Kommission. Zudem ist der Widerstand heftig. Dies zeigt der Handelsblatt Business-Monitor (siehe Artikel unten). Mehr als 80 Prozent der Führungskräfte lehnen Frauenquoten ab. Auch Anwältin Weber-Rey sieht das kritisch: "In weiten Kreisen der Wirtschaft stößt selbst das Engagement für mehr Frauen in Führungspositionen noch auf Ablehnung."

Verfechter eines Gesetzes argumentieren mit dem Prinzip: Quote bricht Verhaltensmuster. Norwegen gilt vielen als Vorbild. Oslo verabschiedete 2006 ein Gesetz, nach dem Verwaltungsräte, sie sind deutschen Aufsichtsräten vergleichbar, mindestens mit 40 Prozent Frauen besetzt werden müssen. Inzwischen haben die Skandinavier die Quote erreicht. Anfang des Jahres hat nun auch die französische Regierung eine Frauenquote von 40 Prozent per Gesetz verfügt und den Unternehmen zur Umsetzung sechs Jahre Zeit gelassen. In den Niederlanden ist eine 30-Prozent-Quote ab 2016 in der Diskussion.

In deutschen Aufsichtsräten liegt die Frauenquote bei zehn Prozent. Dies aber nur deshalb, weil die mitbestimmten Aufsichtsräte zur Hälfte aus gewählten Betriebsräten und Gewerkschaftern bestehen. Darunter sind vergleichsweise viele Frauen. Auf der Kapitalseite ist der Frauenanteil dagegen gering.

Nicht viel besser sieht es in Vorständen aus. Mit der künftigen SAP-Managerin Angelika Dammann zieht erst die dritte Frau in einen Dax-Vorstand ein. EU-weit ist jedes zehnte Mitglied eines Vorstands großer börsennotierter Konzerne eine Frau.

Umfrage: Was halten Sie von der Frauenquote?

Frauenquoten für Führungspositionen stoßen in deutschen Unternehmen auf scharfe Ablehnung. 77 Prozent aller im Handelsblatt-Business-Monitor Befragten halten das für "nicht sinnvoll", für noch mehr (82 Prozent) kommt die Einführung einer Quote im eigenen Unternehmen "nicht infrage".

Erstaunlich: Selbst die Frauen sagen laut der Umfrage unter rund 760 Führungskräften, dass eine Festlegung auf einen bestimmten Anteil Managerinnen nicht sinnvoll ist. Nur 35 Prozent unterstützen eine Frauenquote ganz allgemein, und sogar nur 14 Prozent sind der Meinung, dass die Einführung einer solchen Quote in ihrem Unternehmen einen positiven Effekt hätte.

Allerdings befanden sich unter den Führungsrkäften, die im Rahmen der Umfrage durch das Marktforschungsinstitut Psephos im Auftrag des Handelsblatts und der Unternehmensberatung Droege befragt wurden, lediglich 30 weibliche Führungskräfte.

Generell deckt sich allerdings das Ergebnis mit der allgemeinen Stimmung in deutschen Unternehmen: Als die Deutsche Telekom vor wenigen Wochen bekanntgab, eine Frauenquote für die erste und zweite Führungsebene einzuführen, wiegelten die meisten anderen Dax-Konzerne ab.

Allerdings spaltet das Thema laut Business-Monitor die Wirtschaft. In kleineren Betrieben ist man offener, selbst in klassischen "Männer-Branchen" wie dem Baugewerbe, dem Bergbau oder in der Energiewirtschaft und Chemie finden Führungskräfte solche Initiativen sinnvoller als etwa Dienstleister oder der Handel. Auch stellte sich heraus, dass Jüngere sowie 50- bis 60-Jährige in dieser Frage eher reserviert sind als die mittleren Jahrgänge.

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