Deutsche Post Unerlaubte Methoden bei der Post?

Die Bundesnetzagentur ermittelt, ob der Konzern Wettbewerber mit unerlaubt niedrigem Porto aussticht.

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Ein Grid Girl mit dem Logo der Quelle: dpa

Es hätte ein schöner Tag werden können für Ingo Bohlken. Der Marketingchef der Deutschen Post sollte auf einer Podiumsdiskussion in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens in Berlin seinen Arbeitgeber in strahlendem Licht erscheinen lassen. Es ging um die „Förderung des Wettbewerbs“ und wie sich die Post da hervortue.

Doch es kam anders an diesem Dienstag Mitte September. Bohlken war plötzlich Ziel böser Attacken. Von wegen Förderung des Wettbewerbs: „Sie fahren vor den Augen der Polizei über die rote Ampel und je größer Ihr Lkw, desto weniger passiert“, schimpfte Axel Stirl, Chef des Berliner Konkurrenten Pin Mail. Bohlken blieb nur, sich windelweich zu verteidigen. Er „verstehe die ganze Diskussion nicht“. Die Deutsche Post biete beste Qualität zum angemessenen Preis. Kein Wunder, dass Wettbewerber sich schwertäten.

Doch so hart, aber fair, wie Bohlken glauben machen wollte, agiert die Deutsche Post im Kampf um Briefe von Firmen, Behörden und Privatkunden offenbar nicht. In Wirklichkeit ermittelt die Bundesnetzagentur in Bonn wieder einmal gegen den 30-prozentigen Staatskonzern. Die Beamten prüfen, inwieweit die Post unerlaubt das Mindestporto von 34 Cent bei Standardbriefen unterschreitet, das die Behörde ihr 2010 für Großkunden genehmigte.

Wettbewerber geschwächt

Konkret geht die Netzagentur Hinweisen nach, denen zufolge der Quasi-Monopolist persönliche Mitteilungen wie Rechnungen oder Geschäftsunterlagen nicht als Standardbriefe, sondern als sogenannte Infopost befördert. Diese Versandart ist eigentlich für „adressierte Werbesendungen“ gleichen Inhalts reserviert und gut ein Viertel preiswerter. Bietet die Deutsche Post auch die Beförderung von Standardbriefen, die eine individuelle Mitteilung mit persönlichen Inhalt enthalten, zu Infopost-Konditionen an, mindert sie Chancen der Wettbewerber im klassischen Briefgeschäft gehörig. Die Post erklärte auf Anfrage, alle Infopost-Sendungen würden „den Vorgaben der Inhaltsgleichheit entsprechen“. 

Es wäre nicht der erste Versuch des gelben Platzhirschen, seinen Marktanteil von 90 Prozent im Briefgeschäft in Deutschland zu festigen. Jahrelang gelang es dem Konzern über politische Einflussnahme, etwa die Mehrwertsteuer und den zeitweisen Mindestlohn so auszugestalten, dass Wettbewerber nahezu ausgesperrt wurden. Auch spannte die Bonner Zentrale ihre Düsseldorfer Billigtochter First Mail ein, um Großkunden mit Dumpingpreisen zu ködern. Erst das Einschreiten der Netzagentur im Juni bereitete dem ein Ende.

Auf einen solchen Erlass hoffen die Wettbewerber nun auch für das kritisierte Geschäftsgebaren bei der Infopost. Die Indizien dafür, dass die Deutsche Post hier fragwürdig arbeitet, scheinen gravierend.

Zielscheibe der Kritik ist der Geschäftsbereich Dialog Marketing, in dem die Post ein Fünftel ihres Brief-Umsatzes von zwölf Milliarden Euro macht (siehe Grafik auf der nächsten Seite). Hier befördert sie Werbesendungen von Baumärkten, Kaufhäusern oder Banken, die ihre Kunden mit neuesten Angeboten bombardieren – mit individueller Ansprache, aber letztlich dem immer gleichen Inhalt.

Diese Unterscheidung zum klassischen Standardbrief weicht die Post, wie Beispiele zeigen, systematisch auf. So bot die Konzerntochter Williams Lea einem Firmenkunden an, Standardbriefe explizit zu Infopost-Konditionen zu befördern und so 23 Prozent gegenüber dem rabattierten Mindestporto für Großkunden zu sparen.

Umsatz der Deutschen Post im Briefgeschäft 2010

Die Liste derer, die von den aufgeweichten Angeboten Gebrauch machen, enthält mittlerweile beste Adressen. So befördert die Post Rechnungen, die der ADAC seinen Mitgliedern stellt, als Infopost. Das spare bei einem Versand von mehr als 22 Millionen Briefen pro Jahr so rund 4,5 Millionen Euro, heißt es dazu am Sitz des Autoclubs in München. Mit Hinweis auf das Postgeheimnis wollte sich die Post dazu nicht konkret äußern. Die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) der öffentlich-rechtlichen Sendanstalten lassen ihre Zahlungsvordrucke ebenfalls als Infopost zustellen. Dies entspreche „dem Gebot“, mit Gebührengeldern „wirtschaftlich umzugehen“, erklären die Gebühreneintreiber. Die Techniker Krankenkasse (TK) lässt sogar Versichertenkarten wie einen billigen Werbeprospekt befördern. Diese Versandform, so die offizielle Begründung, entspreche „im Wesentlichen dem eines Standardbriefes“.

Dass die Unternehmen und die Post dabei sowohl sich selbst als auch sich gegenseitig etwas vormachen, zeigt ein Blick in die Geschäftsbedingungen für die Infopost. Danach dürfen Post-Mitarbeiter Infopost-Briefe ausdrücklich öffnen, um die „Einhaltung der Inhaltsgleichheit zu überprüfen“ – ein absurder Passus bei Sendungen wie Versicherungskarten, die individueller nicht sein können.

Spitzfindige Tricks

Gegen solche Tricksereien laufen die Wettbewerber Sturm. „Die Deutsche Post missbraucht die Infopost, um Großkunden den Versand von Standardbriefen zu Dumpingpreisen zu ermöglichen, obwohl es keine Werbesendungen sind“, sagt Mario Frusch, Chef von TNT Post, der Deutschland-Tochter der holländischen Post NL. Bei Preisen von 26 Cent pro Brief könnten Wettbewerber so „kaum überleben“. Die Deutsche Post setze sich ihre eigenen Regeln und verhalte sich als Staat im Staat, um den Wettbewerb auszuhebeln.

Dazu lässt sich die Post offenbar so manche Spitzfindigkeit einfallen. Um etwa individuelle Rechnungen künftig wie Prospekte eines Versandhändlers an seine Kunden als Infopost befördern zu können, strich das Unternehmen im Internet zum Jahreswechsel 2011 eine wichtige Produktinformation. Die besagte, dass bei Infopost die Angabe von „Euro-Beträgen“ für das Angebot einer „Neuleistung“ stehen müsse, sprich: etwa für den Verkauf von Produkten. Durch den Wegfall dieser Klausel sollen wohl nun auch die „Euro-Beträge“ auf Rechnungen infopostfähig werden.

Auch Datenschützern ist die Praxis ein Dorn im Auge. So verschickt die Postbank EC-Karten als Infopost und begründet dies mit „betriebswirtschaftlichen Entscheidungen“. Der zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) in Nordrhein-Westfalen macht dahinter große Fragezeichen. „Nach den Datensicherheitsanforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes sind Daten auf ihrem Transport vor unbefugtem Lesen zu schützen“, erklärte der LDI auf Anfrage der WirtschaftsWoche. „Dieser Sicherheitsanforderung würde bei dem Versand per Infopost möglicherweise nicht ausreichend entsprochen.“ Bei Bankdaten, wie sie regelmäßig auf einer Bankkarte aufgebracht sind, ist dies „besonders kritisch“.

Ein Verbot der fragwürdigen Post-Methoden wäre ein wichtiges Signal für die Wettbewerber, die sich unverändert schwertun. TNT etwa erzielte seit Einstieg im Jahre 2000 noch keine Gewinne und zieht sich aus einzelnen Regionen wie München und Hamburg zurück. In der Hansestadt habe TNT „absolute Kampfpreise angeboten“, um Sendungen des Senats zu befördern, sagt Frusch. Doch die Regierenden ließen die Niederländer abblitzen, weil ihr Angebot „unangemessen niedrig“ sei und „nicht erkennen lasse“, inwieweit zum Beispiel „die zu erwartende Einführung eines Mindestlohns in der Postbranche“ darin „abgebildet“ werde. Dabei ist ein Mindestlohn längst passé.

Der Auftrag der Stadt geht nun an die Deutsche Post. Parallel dazu wirbt Brief-Vorstand Jürgen Gerdes bereits für weitere staatliche Unterstützung: „Wir glauben, dass es nach 14 Jahren ohne Preiserhöhungsmöglichkeit Zeit wird, dass wir in die Lage kommen, die Preise zu erhöhen.“

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